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Eine Frage der Qualität? Die erfahrenen BVB-Spieler tauchen gegen Paris ab
Borussia Dortmund
Wieder einmal spielt der BVB in einer wichtigen Partie deutlich unterhalb des gewohnten Niveaus. Vor allem die erfahrenen Spieler tauchen gegen Paris ab.
Müde und enttäuscht stiegen Borussia Dortmunds Profis nach der Landung auf dem Flughafen in den wartenden Mannschaftsbus. In den Gesichtern sah man jede Menge Frust über das Ende der internationalen Saison der Borussia. Weil bei vielen das Gefühl vorherrschte, das Viertelfinale in der Königsklasse völlig unnötig aus den Händen gegeben zu haben. Nach dem 2:1 in Dortmund blieb der BVB im Rückspiel bei Paris Saint-Germain sehr viel, fast alles schuldig. Gescheitert war Borussia Dortmund nicht an einer Mannschaft, die unbezwingbar gewesen war. Gescheitern war man an sich selbst.
Die etablierten BVB-Kräfte tauchen in die Unsichtbarkeit ab
Dass diese Mannschaft gerade in den Partien, in denen die Preise verteilt werden und in denen der große Lorbeer geerntet werden kann, zu oft ihr Limit nicht erreicht, gibt zu denken. Es ist aber auch keine ganz neue Erkenntnis. Die aktuelle Saison ist vielmehr durchzogen von diesen Partien, in denen die Youngster Lehrgeld bezahlen und die etablierten Kräfte gleichzeitig in die Unsichtbarkeit abtauchen. Dass Problem schien man mit dem Jahreswechsel in den Griff bekommen zu haben, doch als es in Paris darauf ankam, war von Schwung, Selbstvertrauen, Mut und Finesse wenig zu sehen in den Reihen der Schwarzgelben.
Ungewöhnlich deutlich sprach Sportdirektor Michael Zorc die Defizite an. „Auf dem Platz war es von uns heute zu wenig“, erklärte der 57-Jährige mit Frust in der Stimme bei „Sky“ auf die Frage, welche Rolle die äußeren Umstände gespielt hätten. „Wir haben nicht die Leistung gebracht, zu viele Spieler waren heute unter Form.“ Das Fehlen von Stimmung und Emotionen, die sonst im Idealfall von den Rängen aufs Spielfeld herüberschwappen, heranzuziehen, wäre in der Tat zu billig gewesen. Zu harmlos im Vorwärtsgang, zu anfällig mal wieder im Verteidigen von Standards, zu wenig Biss im Zweikampfverhalten - Zorcs Aufzählung der Schwachstellen führte mal wieder zu den Grundtugenden und geriet zu einer Mängelliste, auf der viel zu viele Punkte standen.
Zorc und Favre sind bei der Bewertung unterschiedlicher Meinung
Was ihn am meisten verwunderte: Er habe das Gefühl gehabt, so Zorc, „dass wir beeindruckt waren. Paris war viel abgeklärter als wir.“ Dabei war der Druck für die Franzosen mindestens so groß. Es irritierte dann, dass Zorc und Trainer Lucien Favre in der Bewertung auf unterschiedlichen Pfaden unterwegs waren. Favre hatte seine Elf „nicht so schlecht“ gesehen, das war eine Einschätzung, die der Schweizer allein aufgrund der letzten zehn Minuten erlangt haben musste, in denen immerhin eine Art Aufbäumen erkennbar war. Nach den 95 Minuten aber stand bei den BVB-Großchancen dennoch die Null.
Indirekt stellte der Dortmunder Sportdirektor mit seiner Kritik die Qualitätsfrage. In großen Spielen zeigen sich die großen Spieler - diese Floskel hatte durchaus seine Berechtigung im Prinzenpark. Dass Dortmunds Jungspunde um den diesmal blassen Erling Haaland und den gut bewachten Jadon Sancho nicht immer beständig liefern können, darauf musste man eingestellt sein. Es war schade, dass es ausgerechnet in diesem Spiel geballt auftrat. Enttäuschend aber, dass es den Erfahrenen im Team der Borussia nicht gelang, das Spiel an sich zu reißen.
Witsel und Can fehlte die Hoheit im BVB-Mittelfeld
Aus dem Pariser Vakuum im zentralen Mittelfeld, wo das Fehlen des gelb-gesperrten Marco Verratti vorab als die mögliche Schwachstelle im System von PSG ausgemacht worden war, zog Dortmund keinen Nutzen. Axel Witsel und Emre Can gelang es nicht, die Hoheit über einen am Mittwoch entscheidenden Raum des Spielfelds zu erlangen.
Wie sich Paris nach dem Ballgewinn in genau dieser Zone vor dem 2:0 ungehindert in Richtung Dortmunder Strafraum kombinieren konnte und die BVB-Defensive quasi vor sich herschob, das war mindestens so frappierend wie die Passivität von Achraf Hakimi vor dem 1:0. Er verlor den ihm zugeteilten Neymar komplett aus den Augen. Vom Brasilianer, der sich mit der arg theatralischen Einlage, die zur Roten Karte von Emre Can führte, mal wieder keine Freunde machte, mag man halten, was man will - im entscheidenden Moment aber war er zur Stelle.
Der BVB muss sich auf das nationale Geschäft konzentrieren
Wie im Vorjahr steht Borussia Dortmund nun Mitte März ohne die erhoffte Zusatzbelastung da und kann - vielmehr muss - sich auf das nationale Geschäft konzentrieren. Nachdem man im Vorjahr im Achtelfinale noch mit großer Naivität im Hinspiel (und etwas Pech im Rückspiel) Tottenham Hotspur unterlegen war, machte die Gruppenphase dieser Saison eigentlich Hoffnung auf Besserung.
Das Ausscheiden zeigte aber, dass der eingeschlagene Strategie-Wechsel noch nicht gefruchtet hat. In Mats Hummels, Witsel und Can wurden der jungen Gruppe erfahrene Spieler beigemischt - um genau in solchen Partien wie am Mittwoch standfest zu sein. Umso größer war daher die Katerstimmung. Vor dem Revierderby am Samstag kommt der Dämpfer zur absoluten Unzeit.
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.
