DFB-Team sucht in der Defensive weiter nach Stabilität Hummels der große Gewinner der 2:3-Pleite

DFB-Team sucht in der Defensive weiter nach Stabilität: Hummels der große Gewinner der 2:3-Pleite
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Die Frage hatte Julian Nagelsmann nicht gepasst, denn sie berührte einen wunden Punkt. Ob er denn gedacht habe, dass seine neue Mannschaft schon weiter sei, wurde der Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nach dem 2:3 gegen die Türkei gefragt. Nagelsmann atmete einmal tief durch und verschaffte sich dadurch etwas Zeit. „Schwarzmalerei“, meinte er dann dünnhäutig, „damit kommen wir als Fußball-Nation nicht weiter. Wir müssen das heute klar analysieren, aber man muss sich auch bewusst sein, dass wir acht Hundertprozentige liegen gelassen haben.“

DFB-Elf sucht nach Stabilität

Der Versuch, eine falsche Fährte zu legen, musste allerdings scheitern. Nach einer Trainingswoche, die am neuen Frankfurter DFB-Campus klar unter dem Diktat der zu verbessernden Abwehrarbeit gestanden hatte, musste Nagelsmann die Fortschritte in diesem Punkt in Berlin mit der Lupe suchen. Eher ging seine Mannschaft noch einmal einen deutlichen Schritt zurück.

Nur einmal in diesem Kalenderjahr hat die deutsche Nationalmannschaft ein Länderspiel ohne Gegentreffer über die Bühne gebracht – beim 2:0 gegen das kleine Peru im März. Danach setzte es satte 20 Gegentore in neun Partien. Auch unter Nagelsmann, der im dritten Spiel seine erste Niederlage kassierte, ist der Durchschnitt mit zwei Treffern für den Gegner zu hoch.

Auch wenn die Zeit der Experimente hinsichtlich der knappen Zeit bis zum EM-Start offiziell beendet ist, müssen den Bundestrainer die Gedankenspiele, wie man die deutsche Defensive stabilisieren kann, beschäftigen. Schwachstellen sind nicht nur beide defensiven Außenbahnen, was Nagelsmann in Berlin zu der gewagten Variante mit Kai Havertz als verkapptem Linksverteidiger veranlasste. In einer Viererkette ist der Arsenal-Spieler dort ganz sicher fehl am Platze, auch „als Schienenspieler in einer Fünferkette muss man ihm da sicher Zeit zur Eingewöhnung geben“, wie Mitspieler Julian Brandt meinte und damit das Spiel seines guten Kumpels gut zusammenfasste.

Kai Havertz in einem Zweikampf.
Kai Havertz spielte gegen die Türkei als Linksverteidiger. © IMAGO/Sven Simon

Die Suche nach der Ideallösung hinten links wird weitergehen, vielleicht ja schon am Dienstag in Wien beim letzten Test-Länderspiel des Jahres gegen Österreich. Ähnlich sieht es auf der rechten Seite aus, über die die Türken zwei sehr schöne Tore (38./45.+2) erzielten und sich über die sehr luftige Verteidigung der Deutschen freuen durften. Nagelsmann wies zurecht schon auf die Entstehung beider Gegentore hin. „Wir müssen den Switch finden“, meinte er. „Wann habe ich keine Chance, den Ball zu erobern und muss stattdessen den Raum verteidigen, wo der lange Ball hinkommen kann.“ Die türkische Variante mit langen Bällen hinter die deutsche Kette stürzte diese immer wieder in eine große Verlegenheit.

Die Suche nach der DFB-Viererkette

Nicht nur im Erkennen und Schließen der Räume für den Gegner agierte die DFB-Elf nach einer Anfangsphase, die viel Mut machte, im Verlauf immer kopfloser. Nach dem 1:0 durch Havertz (5.) gab es weitere schöne Angriffs-Kombinationen und zwei gute Chancen für Leroy Sané. Ab Minute 15 aber glitt dem DFB die Kontrolle aus der Hand. Großes Thema in der Arbeit gegen den Ball: die richtige Positionierung. Die Abstände in der Kette passten im Spielverlauf immer seltener, beispielhaft die Entstehung vor dem 1:2, als Benjamin Henrich nach innen einrücken musste, dort strauchelte und Deutschland sich plötzlich in einer Unterzahl im eigenen Strafraum wiederfand.

Antonio Rüdiger spielt den Ball.
Großer Unsicherheitsfaktor: Antonio Rüdiger. © IMAGO/Nico Herbertz

Auch in der Innenverteidigung lief es nicht. Jonathan Tah war noch der stabilere der beiden Manndecker. Antonio Rüdiger war nicht zum ersten Mal im DFB-Trikot ein großer Unsicherheitsfaktor, auch wegen seiner fußballerischen Defizite. Dortmunds Mats Hummels saß in Berlin nach auskurierten Rückenproblemen über 90 Minuten auf der Bank. Als bester Fußballer und Haltgeber wird der 34-Jährige Dienstag wieder gefragt sein – und ist unter Nagelsmann weiter der Innenverteidiger mit den aussichtsreichsten Stammplatz-Chancen.

Dass die deutsche Elf sich bis zum umstrittenen Handelfmeter und Tor zum 2:3 (71.) berappelte und nach einen Klasse-Spielzug über Florian Wirtz durch Niclas Füllkrug zum Ausgleich kam (47.), gehörte zu den positiven Erkenntnissen der zweiten Hälfte. Die 40.000 Türken im weiten Rund des Olympiastadions feierten dennoch einen verdienten Erfolg ihrer Elf und gingen euphorisch nach Hause. Die DFB-Elf fuhr mit bekannten Problemen im Gepäck zurück ins Teamhotel. Das 2:3 war ein Dämpfer für die von Nagelsmann erzeugte Aufbruchstimmung und zeigte, wie weit der Weg zu einer EM-tauglichen Formation noch ist.

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