Besondere Fußball-Abende hat der Signal Iduna Park schon einige erlebt, dieser reihte sich ein, weil er Weltklasse in der ersten und Zittern in der zweiten Hälfte vereinte. Das am Ende noch knappe 3:3 (3:0) gegen Italien reichte für die deutsche Nationalmannschaft nach dem Hinspiel-2:1: Deutschland steht erstmals in der Endrunde der Nations League. Der DFB ist Anfang Juni Ausrichter des Endturniers und trifft im Halbfinale auf Portugal. Im zweiten Halbfinale suchen Spanien und Frankreich den zweiten Finalteilnehmer.
DFB-Elf spielt Italien an die Wand
Selten ist eine italienische Mannschaft, traditionell bekannt für ihre Fertigkeiten im Verhindern gegnerischer Tore, so dermaßen an die Wand gespielt worden in nur einer Spielhälfte, selten war sie gegen die Wucht und Aggressivität des Gegners so chancenlos. An dem Ort, wo in diesem Duell 2006 beim 0:2 im WM-Halbfinale das deutsche Sommermärchen abrupt endete, erlebten die zahlreich im Stadion vertretenen Tifosi zunächst eine Demütigung ihrer Mannschaft. Treffer von Joshua Kimmich (30./FE), Jamal Musiala (36.) und Tim Kleindienst (45.) lenkten das Viertelfinal-Duell nach dem 2:1-Sieg der Nagelsmann-Elf am vergangenen Donnerstag in Mailand früh in die richtigen Bahnen.
Ohne Wissen der guten Ausgangslage nach dem Prestige-Sieg in Mailand hatten sich Bundestrainer Nagelsmann schon vor Monaten für Dortmund als Austragungsort dieses Rückspiels ausgesprochen, die besondere Atmosphäre dieses Stadions hatte eine stark verunsicherte deutsche Mannschaft nach der Entlassung von Hansi Flick schon zum Sieg über Frankreich getragen. Kaum 18 Monate ist das her, an der Seitenlinie stand Interimstrainer Rudi Völler. Nagelsmann übernahm erst danach und schaffte eine mentale und fußballerische Wende, die in eine gute Heim-Europameisterschaft mündete. Und er entwickelte die Mannschaft aus den Lehren der EM beeindruckend weiter.
Der x-Goals-Wert von 2,94 zur Pause entsprach fast exakt dem Resultat auf der Anzeigetafel. Die von Nagelsmann auf vier Positionen personell und auch taktisch im Vergleich zum Donnerstag veränderte Mannschaft präsentierte sich nicht nur als fußballerische Einheit, sie zeigte sich auch taktisch gereift und variabel. Erst zum zweiten Mal in seiner Amtszeit ließ der Bundestrainer mit einer Dreierkette spielen, bei der Premiere in Österreich war dieses Konzept noch in die Hose gegangen.
Joshua Kimmich verwandelt den Elfmeter
Wie aus einem Guss kombinierte die deutsche Elf, verschob ihre letzte Verteidigungslinie bis zehn Meter jenseits der Mittellinie und ließ Italien mit einem fast perfekten Gegenpressing kaum zur Entfaltung kommen. Etliche hohe Balleroberungen verlagerten das Geschehen tief in die italienische Hälfte und bildeten auch die Basis für die drei Treffer. Vor dem 1:0 bediente Leon Goretzka Kleindienst, der von Allesandro Buogiorno gezogen und am Fuß getroffen wurde – den Elfmeter verwandelte Kimmich sicher. In seinem 99. Länderspiel erzielte der Kapitän seinen achten Treffer (30.).

Mit dem Tor war für den schon zuvor hoch überlegenen DFB der Bann gebrochen. Blitzschnell nutzte Kimmich mit der Ecke auf den freistehenden Musiala eine Tiefschlafphase der Italiener – 2:0 (36.). Und der bei seinem Heimspiel bärenstarke Nico Schlotterbeck, neben Antonio Rüdiger und Jonathan Tah in der Dreierkette aufgeboten, leitete mit einer x-ten aggressiven Balleroberung weit in Italiens Hälfte das 3:0 durch Kleindienst ein. Die finale Flanke kam von Kimmich, der schon am Donnerstag beide deutschen Treffer vorbereitet hatte. Die Fans feierten die beeindruckende Darbietung mit Standing Ovations zur Pause, jede Aktion der deutschen Elf war bis dahin das Eintrittsgeld wert gewesen.
Angesichts eines 1:5-Zwischenstandes ging es für Italien scheinbar nur noch um die Ehre. Weil Deutschland nach der Pause aber gleich mehrere Gänge zurückschaltete, entwickelte sich die Partie sogar noch zu einem Zitterspiel. Nur noch 3:1 nach einem schlampigen Rückpass von Leroy Sané, den Kimmich in den Lauf von Moise Keane abfälschte (49.). Beim 2:3 hatte der Stürmer viel zu viel Platz und Zeit (69.). Und als Schiedsrichter Szymon Marciniak den Elfmeter nach Foul von Schlotterbeck an di Lorenzo nach Studium der Szene zurücknahm, durfte Deutschland tief durchatmen.
DFB-Elf muss noch zittern
Der nicht gegebene Elfmeter half der DFB-Elf zunächst über die letzten Minuten, Kimmichs Freistoß fischte Donnarumma noch sensationell von der Linie (81.). In der Nachspielzeit aber zeigte Marchiniak nach VAR-Intervention erneut auf den Elfmeterpunkt. Maximilian Mittelstädt hatte eine Ecke mit der Hand abgewehrt, es stand 3:3 (90.+5). Danach aber war Schluss. Der vermeintliche WM-Favorit hatte sich mit der zweiten Hälfte noch einige Arbeit auferlegt, Julian Nagelsmann konnte mit den zweiten 45 Minuten überhaupt nicht zufrieden sein.