Niko Kovac hat den BVB in den vergangenen Wochen stabilisiert. In der Bundesliga hat das Team zuletzt sieben Zähler gegen drei besserplatzierte Mannschaften eingespielt. In der Champions League gab es am vergangenen Mittwoch den Gala-Auftritt gegen den FC Barcelona. Ist der 53-Jährige der richtige Trainer für die Borussia, um in den kommenden Jahren wieder erfolgreichen Fußball zu spielen?
Pro: Ja, Kovac hat das Vertrauen verdient (von Dirk Krampe)
Statistisch gesehen wechseln Klubs der Bundesliga alle 1,2 Jahre ihren Trainer. Auch der BVB, der nach Jürgen Klopp in zehn Jahren zehn Fußball-Lehrer beschäftigt hat. Kontinuität sieht anders aus, und auch wenn generelle Zweifel daran natürlich erlaubt sind, ob Niko Kovac diesen BVB-Kader so weiterentwickeln kann, dass die Zahl der ansehnlichen (und erfolgreichen) Spiele wieder deutlich steigt, ist es sinnvoll, mit ihm weiterzuarbeiten.
Zum einen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Kader weitgehend zusammenbleiben wird. Nur der Vertrag von Marcel Lotka läuft aus, bei allen anderen Spielern bräuchte der BVB von der Spielerseite Wechselwillen und finanzielles Entgegenkommen. Allzu wahrscheinlich ist das nicht. So wird Kovac wohl auf viele Spieler treffen, die er kennt und bei denen er weiß, wo er ansetzen muss. Und die Profis träfen nicht schon wieder auf einen neuen Typ Mensch und den x-ten taktischen Ansatz.
Kovac bietet verlässliche Arbeitsmuster. Auch unter ihm, siehe das 3:1 gegen Barcelona, kann der BVB sogar mitreißend Fußball spielen. Er hat dieses Team unter schwierigsten Bedingungen stabilisiert. Das verdient Vertrauen, ganz abgesehen davon, dass ja sein Vertrag ohnehin noch ein Jahr läuft.
Und wer kritisiert, bei ihm stocke die Entwicklung junger Spieler, weil er nur auf Erfahrung setzt: Es stimmt, dass er sich bislang vorrangig auf Spieler verlassen hat, die erfahren sind. Das macht in so einer Situation auch absolut Sinn. Nichtsdestotrotz ist es keinem Talent verboten, so nachhaltig auf sich aufmerksam zu machen, dass keine Zweifel erlaubt sind, wer spielt und wer nicht.
Ist Kovac ein Visionär für BVB-Fußball in fünf oder zehn Jahren? Vielleicht nicht. Doch Fußball ist mehr denn je ein Tagesgeschäft. Und da hat sich Kovac bewiesen.
Contra: Nein, Kovac-DNA passt nicht zum BVB (Thomas Schulzke)
Lars Ricken hat bei seiner Amtseinführung ein klares Bild gezeichnet, wie er sich den BVB-Fußball der Zukunft vorstellt. Der Geschäftsführer Sport fordert, dass der Klub wieder vermehrt junge, hungrige Spieler weiterentwickelt. Zudem erklärte er, dass das Team häufiger als in der Vergangenheit die Fans begeistern solle und Dortmund auch mal wieder einen Titel gewinnen möge.
Von diesen Ricken-Zielen ist die Borussia aktuell extrem weit entfernt. Unter Niko Kovac haben es die Talente schwerer als unter Vorgänger Nuri Sahin. Selbst ein Jamie Gittens spielt keine Rolle mehr. Auch steht fest, dass kein neuer Titel-Eintrag im Briefkopf hinzukommt. Und begeisternden Fußball haben die Fans unter Kovac bisher nur am Mittwoch beim 3:1 gegen Barcelona gesehen. Der Kovac-Fußball steht nicht für furiosen Angriffswirbel, der 53-Jährige setzt eher auf stabilen Defensivfußball mit laufstarken Akteuren. Seine Ansätze spiegeln sich in den Statistiken wider. Im Vergleich zur Sahin-Zeit sank die Zahl der erzielten Tore von 2,0 auf 1,7 pro Spiel. Dafür hat sich die Anzahl der Gegentore von 1,6 auf 1,1 verringert. Wettbewerbsübergreifend hat der Kroate 1,6 Punkte pro Partie eingespielt – das ist minimal besser als unter Sahin (1,5).
Ja, die vergangenen Bundesliga-Partien gegen Mainz (3:1), Freiburg (4:1) und Bayern München (2:2) sowie der Champions-League-Auftritt gegen Barcelona (3:1) lassen hoffen, dass sich der BVB im Endspurt doch noch für Europa qualifiziert. Unter Kovac gab es aber auch ein desaströses 0:4 gegen Barcelona, ein 0:1 gegen Augsburg oder ein 0:2 gegen den VfL Bochum. Kovac hat den Klub stabilisiert, mehr nicht. Die 15 Spiele unter ihm regen die Fantasie nicht dahingehend an, dass er derjenige ist, der Rickens Vorgaben langfristig in die Realität umsetzt.