Ein neuer Trainer kann viel bewirken. Auch mitten in der Saison. Die emotionale und mentale Ebene spielt eine extrem große Rolle, er kann einzelne Spieler anders erreichen, in ihre Köpfe eindringen. Auch im sportlichen Bereich geht einiges. Der Coach kann System und Spielausrichtung ändern oder das Personal auf einzelnen Positionen oder sogar großflächig tauschen. Nur eines ist unmöglich: Eine offenbar völlig unfitte Mannschaft binnen kürzester Zeit wieder in eine deutlich bessere Verfassung zu bringen.
Der BVB wirkt unter Kovac stabiler
Niko Kovac hat in seinem ersten Monat bei Borussia Dortmund an vielen Stellschrauben gedreht. An der einen mehr, an der anderen weniger. Einige Maßnahmen haben gegriffen. Zumindest die Umrisse eines Trainereffekts sind zu erkennen. Der BVB wirkt insgesamt stabiler, offensiv hat er dem Spiel durch einen veränderten Aufbau und andere Rollenverteilung deutlich mehr Kreativität und Zielstrebigkeit verliehen. Doch an einer Fehlentwicklung verzweifelt der 53-Jährige: dem Fitnesszustand der Mannschaft.
Die große Schwierigkeit: Dieses Problem wird die Schwarzgelben bis zum Saisonende begleiten, Kovac wird es nicht lösen können. Er kämpft vergeblich gegen die Versäumnisse seines Vorgängers Nuri Sahin an. Der Ex-Coach und sein üppig bestücktes Trainerteam haben es verpasst, in der langen Sommervorbereitung den Grundstein für eine der intensivsten Spielzeiten der Vereinsgeschichte zu legen. Die Saison war kaum sechs Wochen alt, da wurden die Defizite im läuferischen Bereich bereits deutlich. Statt frühzeitig die Warnzeichen zu erkennen und zu korrigieren, ließ Sahin die Fehlentwicklung voranschreiten.
BVB bricht gegen Lille nach 45 Minuten ein
Dabei waren die Muster ja erkennbar. In etlichen Spielen brach der BVB im zweiten Durchgang ein, schenkte Führungen her oder musste massiv um sie kämpfen. Mittlerweile hat sich der Zeitpunkt des Einbruchs sogar noch weiter nach vorne verlagert. Dortmund scheint immer weniger Luft zu haben. Gegen Lille reichte es für gerade einmal 45 Minuten. Dann folgte der Einbruch. Passivität, Ungenauigkeiten, kein Druck mehr, falsche Abstände – alles eine Folge eines unzureichenden Fitnesszustandes.
Dass Kovac diesen unmittelbar vor Anpfiff des Lille-Hinspiels noch als möglichen Vorteil hervorhob, klingt im Nachhinein absurd. „Da sind wir den Franzosen deutlich überlegen. Ab der 70. oder 75. Minute hoffe ich, dass wir die körperlichen Fähigkeiten nutzen können“, hatte er bei Prime Video erklärt. Vermutlich ein weiteres sprachliches und taktisches Manöver, um die Mannschaft generell und besonders in diesem Bereich stark zu reden.
BVB-Athletikabteilung ist gefordert
Nico Schlotterbecks Aussagen ließen da schon tiefer blicken. In der Mixed Zone wies er den Vorwurf öffentlich zwar zurück und betonte, die fehlende Kontrolle in den zweiten 45 Minuten stünde mitnichten in Zusammenhang mit dem Fitnesszustand. Der Innenverteidiger gestand dann aber auch ein, dass Fans und Medien diesen Eindruck bekommen könnten. Und genau so ist es: Borussia Dortmund ist nicht fit! Die Fitness- und Athletikabteilung des BVB ist gefragt, auch Kovac muss alles versuchen, schnellstmöglich zumindest ein paar Prozentpunkte mehr in diesem Bereich herauszuholen. Doch es scheint eine schier unmögliche Aufgabe zu sein.
Hinweis der Redaktion: Dieser Kommentar erschien ursprünglich am 5. März 2025.