BVB-Youngster Kjell Wätjen vor Bundesliga-Debüt „Daran bin ich extrem gewachsen“

BVB-Youngster Kjell Wätjen vor Bundesliga-Debüt: „Daran bin ich extrem gewachsen“
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In Marbella ist nach dem Testspiel gegen AZ Alkmaar bei Borussia Dortmund eine Regenerationseinheit angesetzt. Während viele BVB-Profis nur sehr dosiert trainieren und auf dem Ergometer gemächlich strampeln, kommt Kjell Wätjen im Funktionszelt richtig ins Schwitzen. Der 17-Jährige, tags zuvor gegen den niederländischen Erstligisten in der letzten Viertelstunde eingesetzt, hat noch Kraftreserven. Er stemmt Gewichte in die Höhe und quält sich an der Klimmzugstange.

BVB-Talent Wätjen überzeugt

Mit seinem Fleiß und Arbeitsethos, so ist später einheitlich zu hören, überzeugt der BVB-Youngster Anfang Januar im Trainingslager der Profis. Wätjen hinterlässt unter der Sonne Andalusiens einen außerordentlich guten Eindruck und bestätigt damit die vorherrschende Meinung, dass er ein potenzieller Kandidat für einen Profivertrag bei den Schwarzgelben ist. Im Klub überzeugt er durch seine besonnene, unaufgeregte Art. Wätjen lässt lieber Taten sprechen, statt groß Worte zu verlieren. Er gilt trotz seines jungen Alters bereits als erstaunlich reif und erwachsen, was ihm intern hoch angerechnet wird.

Als Neunjähriger findet er 2015 über die Fußball-Akademie des BVB den Weg ins Nachwuchsleistungszentrum. Dort ist er seither eine feste Größe, überspringt die U16 und ist nun als Jungjahrgang in der U19 bereits ein Kandidat für den erweiterten Profi-Kader. „Kjell ist in den letzten vier bis sechs Monaten explodiert“, sagt U19-Trainer Mike Tullberg im Wohnzimmer-Talk der Ruhr Nachrichten. Dessen rasante Entwicklung ist im Verein aufmerksam registriert worden und brachte ihm die Nominierung für das Trainingslager in Spanien ein. Am 16. Februar wird Wätjen volljährig - und könnte seinen ersten Profivertrag in Dortmund unterschreiben. Nach RN-Informationen laufen die Verhandlungen.

BVB-Youngster Wätjen lernt viel dazu

„In Marbella habe ich gelernt, wie es ist, professionell Fußball zu spielen. Das ist noch mal etwas komplett anderes als der Fußball, den wir bei der U19 spielen“, sagt Wätjen im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. Tempo, Dynamik, Physis, Zeitdruck, Technik, Taktik – der Übungsbetrieb mit gestandenen Bundesliga-Spielern hat ihm gezeigt, worauf es ankommt, wenn man den Sprung nach ganz oben schaffen will.

„Je näher ich dem Profi-Fußball komme, desto klarer wird mir: Okay, du musst noch viel mehr machen als alle anderen. Du musst noch viel härter arbeiten, um dieses Ziel zu erreichen, um mitzuhalten – gerade körperlich, aber auch im Kopf und am Fuß, überall. Das Trainingslager hat mir das noch mal verdeutlicht. Das sind halt einfach Männer und keine Jugendlichen, die genau wissen, wann und wie sie ihren Körper einzusetzen haben. Die Technik, die die Jungs drauf haben, ist beeindruckend. Und auch die Handlungsschnelligkeit ist eine ganz andere. Gerade als Zentrumsspieler kommt der Druck dann natürlich von allen Seiten“, berichtet Wätjen.

BVB-Sechserposition „das Höchste der Gefühle“

In der U19 spielt der gebürtige Hagener auf der Doppelsechs und fühlt sich dort Zuhause. „Offensive, Defensive – im Zentrum hat man alles dabei. Ich spiele an der Seite von Rafael Lubach. Wir sammeln die Bälle auf, überspielen Linien, müssen uns in alles reinwerfen, was kommt, verteidigen die Box, greifen mit an, inszenieren Situation. Ich finde einfach, es ist die beste Position, die es auf dem Feld gibt. Das ist für mich das Höchste der Gefühle“, sagt Wätjen.

Kjell Wätjen führt einen Zweikampf mit Jamie Bynoe-Gittens.
BVB-Talent Kjell Wätjen (r.) befindet sich auf den Spuren von Jamie Bynoe-Gittens. © KIrchner-Media

In zentraler Rolle ist er aber auch anderweitig, seit sich U19-Kapitän Filippo Mane Ende Oktober verletzt hat. „Es ist kein Zufall, dass Kjell bei uns jetzt die Kapitänsbinde trägt“, sagt Tullberg. Obwohl der 17-Jährige weder der Älteste noch der Lauteste im Team ist, übernimmt er diese Form der Verantwortung.

Neue Rolle als Kapitän bei der BVB-U19

„Man macht sich vielleicht sogar selbst Druck, du musst schließlich darauf achten, dass du die anderen mitziehst – und das habe ich auch gemacht. Ich habe gemerkt: Jetzt musst du halt auch mal die Arschbacken zusammenkneifen und mal etwas sagen, auch wenn es vielleicht unangenehm ist. Daran bin ich extrem gewachsen“, berichtet Wätjen.

Kjell Wätjen steht im Kreise seiner Mitspieler auf dem Rasen.
Bei der BVB-U19 ist Kjell Wätjen seit Ende Oktober neuer Kapitän. © imago / Ahlborn

Als Anführer hat er dem eigenen Spiel in den vergangenen Monaten nochmals ein höheres Maß an Körperlichkeit und Reife hinzugefügt. „Kjell ist ein ganz anderer Spieler geworden“, sagt Tullberg. Wätjen leistet sich weniger Ballverluste, hat auf dem Rasen eine bessere Risikoabwägung gefunden, besticht durch sein Umschaltspiel. Auch der Umgang mit Kritik und seine Körpersprache haben sich verbessert. Was die Ballführung auf engen Räumen und unter Druck angeht, muss der 17-Jährige noch den nächsten Schritt machen.

BVB-Trainer Terzic hat Vertrauen in Toptalente

Setzt Wätjen seinen Weg fort, wird der erste Einsatz in der Bundesliga nur eine Frage der Zeit sein. „Wir haben wirklich spannende Jungs und haben wirklich gar keine Sorge, sie reinzuwerfen. So wie wir das in der Vergangenheit getan haben, werden wir das auch in Zukunft tun“, hat Edin Terzic vor dem Heimspiel gegen den VfL Bochum angekündigt.

Edin Terzic spricht mit Kjell Wätjen.
BVB-Trainer Edin Terzic (l.) hält große Stücke auf Kjell Wätjen. © Kirchner-Media

Vor dem Derby hat Wätjen unter der Woche erneut am Training der Profis teilgenommen. Angesprochen auf ein mögliches Bundesliga-Debüt noch in dieser Saison, sagt er: „Das liegt nicht in meiner Hand. Ich muss einfach gesund bleiben und so weitermachen wie bisher. Dann könnte es vielleicht klappen. Ich wäre nicht traurig, wenn’s passiert, aber ich mache mir da keinen Druck.“

Bewusster Verzicht auf die U17-WM

Spätestens seit dem Sommer weiß er, wie es sich anfühlt, vor ausverkauftem Stadion auf dem Rasen zu stehen. Damals wird er gemeinsam mit Paris Brunner, Charles Herrmann und Almugera Kabar als frisch gebackener U17-Europameister vom Verein ausgezeichnet. „Die Süd, fast 25.000 Menschen, die hinter ihrer Mannschaft stehen, das war schon als Kind für mich etwas ganz Besonderes. Es ist schon ein tolles Gefühl, wenn man vor dieser Tribüne geehrt wird. Das gibt einem schon richtig Selbstvertrauen“, sagt Wätjen.

Kjell Wätjen posiert für die Kamera.
U17-Europameister im Sommer: die BVB-Talente Almugera Kabar (l.) und Kjell Wätjen (r.). © imago / Aleksandar Djorovic

Einmal als Profi vor der Süd zu spielen, diesem Traum möchte er weitere Konturen verleihen. Dabei lässt er aber auch die Ausbildung abseits des Rasens nicht schleifen. So entscheidet er sich bewusst gegen eine Teilnahme an der U17-Weltmeisterschaft. Den Titel feiert die Nationalmannschaft ohne ihn. „Ich war mir sicher, dass ich zu viel Stoff verpassen würde, wenn ich wochenlang in Indonesien sein würde. Ich kann mir nicht sicher sein, dass ich Profi werde. Es kann immer etwas passieren. Deswegen war es schon immer mein Plan, die Schule fertig zu machen und einen Plan B zu haben, der nichts mit Fußball zu tun hat“, erzählt Wätjen.

Wätjen steht vor dem Abitur

Weitsicht, die sich schon in naher Zukunft auszahlen könnte. Das BVB-Toptalent steht kurz vorm Abitur. Die Leistungskurse sind Sport und Mathe. Sport ist für einen angehenden Fußball-Profi vermutlich naheliegend. Aber Mathe? Nun ja, auf ihn zählen können sie in Dortmund schon lange. Und geht die Entwicklung so weiter, können sie wohl auch mit ihm rechnen. Insofern scheint auch das eine logische Wahl.

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