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BVB-Wunschkandidat Erling Haaland - der blonde Riese mit der unglaublichen Torquote
Borussia Dortmund
Erling Haaland ist eine der begehrtesten Aktien auf dem Transfermarkt. Auch der BVB zeigt großes Interesse. Doch wer ist dieser vermeintliche Himmelsstürmer? Und wo kommt er her? Ein Porträt.
Würde Fritz von Thurn und Taxis noch Fußballspiele kommentieren, er hätte vermutlich seine helle Freude an diesem stürmenden und blonden Robustling mit der Statur eines Wikingers und dem Gesicht eines Lausbuben. Und wie es der Zufall will, spielt der Lausbub nächste Woche die vielleicht bedeutendste Partie seiner noch jungen Karriere - ausgerechnet gegen den FC Liverpool, wo einst John Arne Riise die linke Außenbahn hoch und runter marschierte wie Soldaten bei einer Militärparade. „Der norwegische Internationale“ hieß der Linksfuß gerne bei Thurn und Taxis.
Am kommenden Dienstag steht bei einem Liverpool-Spiel nach vielen Jahren mal wieder ein norwegischer Internationaler im Blickpunkt. Erling Braut Haaland trifft mit Red Bull Salzburg auf die Reds von der Insel. Es geht um den Einzug ins Achtelfinale der Champions League, Liverpool zittert, Salzburg hofft - und der Hoffnungsträger bei den Österreichern heißt Haaland.
Der 19-jährige und 1,94 Meter große Angreifer ist die Entdeckung dieser Champions-League-Saison. An den ersten fünf Spieltagen hat er achtmal getroffen. Gleich in seinem ersten Spiel in der Königsklasse schnürte er einen Dreierpack. Haaland ist damit der drittjüngste Spieler nach einem gewissen Wayne Rooney und einem gewissen Senor Raul, dem dieses Kunststück in Europas Elite-Wettbewerb gelang. Und er ist der erste Spieler überhaupt, der in seinen ersten drei Auftritten in der Champions League sechs Treffer erzielte. Es gibt nicht wenige Stimmen, die sagen, dass Haaland das Zeug dazu hat, einer der besten Stürmer der Welt zu werden. Solche Superlative sind naturgemäß immer gefährlich, aber zumindest Haalands Torquote ist schon jetzt weltklasse.
Haaland erzielt 27 Treffer in 20 Pflichtspielen
27 Treffer hat der „blonde Riese aus Skandinavien“ in dieser Saison bereits erzielt. In 20 Pflichtspielen. Das ruft fast schon zwangsläufig alles auf den Plan, was im Weltfußball Rang und Namen hat. Auch Borussia Dortmund buhlt um Haalands Unterschrift, der laut „Bild“ angeblich für 20 Millionen Euro aus seinem bis 2023 laufenden Vertrag bei Red Bull Salzburg herausgekauft werden könnte. Die Konkurrenz auf dem Transfermarkt ist riesengroß. RB Leipzig mischt mit, aber auch so gut wie alle internationalen Schwergewichte.
Ein Dortmunder Trumpf könnte sein, dass Haalands Aussichten auf Einsatzzeiten beim BVB deutlich höher sind als in der europäischen Beletage. Der Einzug ins Achtelfinale der Champions League wäre ein weiterer wichtiger Pluspunkt. Ob das reichen würde, um den Sturmtank von Borussia Dortmunds Trikot zu überzeugen - entweder in diesem Winter oder im kommenden Sommer - muss trotzdem mit einem dicken Fragezeichen versehen werden.
Haalands großer Traum von der Premier League
Doch wer ist dieser vermeintliche Himmelsstürmer, der die Führungsriegen der europäischen Topklubs derart in Aufregung versetzt?
Die Geschichte von „Big Earl“, der lange Zeit ein kleiner schmächtiger Junge war und erst ab dem 17. Lebensjahr innerhalb von 24 Monaten 17 Zentimeter wuchs, beginnt im Norden Englands. In Yorkshire. Haalands Papa, Alf-Inge, selbst Fußballprofi, spielt damals für Leeds United in der Premier League. Haaland Junior sagt daher nicht ohne Grund, dass er irgendwann in England spielen möchte und am liebsten mit Leeds die englische Meisterschaft gewinnen würde. Haaland Senior zieht zum Ende seiner Karriere über Leeds weiter zu Manchester City und schließlich zurück in die norwegische Heimat.
Haaland liegt ein Angebot von Juventus Turin vor
Der Sohnemann kickt in der Jugend zunächst bei Bryne FK, mit 15 debütiert er in der ersten Mannschaft in der zweiten Liga, wechselt Anfang 2017 zu Molde FK und läuft unter Trainer Ole Gunnar Solskjaer, heute Trainer bei Manchester United, im Alter von 16 Jahren erstmals in der ersten norwegischen Liga auf. Im Januar 2019 dann folgt der Wechsel zu Red Bull Salzburg. Haaland entscheidet sich gegen ein Angebot von Juventus Turin. In einer Salzburger Vereinsmitteilung wird er mit den Worten zitiert: „Ich war geschmeichelt, dass Juventus interessiert war, aber ich dachte, es sei zu früh, um dorthin zu gehen.“
Das erste halbe Jahr in Salzburg, damals unter Trainer Marco Rose, gestaltet sich schwierig. Doch seit dieser Saison trifft er, wie er will. Eigentlich ging es schon im vergangenen Mai los. Bei der U20-WM in Polen schießt er beim 12:0-Sieg Norwegens gegen Honduras neun Tore - und fällt danach auch dadurch auf, dass er sich ärgert, nicht zweistellig getroffen zu haben.
Und nun also dieser sensationelle Lauf in der aktuellen Spielzeit. „Ich war mir sicher, dass diese Saison meine Saison werden würde. Ich bin mir bewusst, dass ich sehr wichtig für die Mannschaft bin und ihr helfen kann“, sagt Haaland, der beim Autofahren gerne die Champions-League-Hymne hört, in einem Interview auf der vereinseigenen Internetseite. Marco Rose sagt über ihn: „Erling ist wirklich ein unglaubliches Talent. Für seine Größe ist er ein Riesenfußballer, extrem torgefährlich, aber besonders beeindruckend ist auch seine super Mentalität. Er hat einen unglaublichen Willen und eine enorme Wucht. Dass er eine große Karriere vor sich hat, ist für mich klar. Ich verfolge sehr gespannt, wie jetzt alles für ihn weitergeht.“
Raiola lobt Watzke und Rummenigge
Wie es jetzt für ihn weitergeht, das ist eine Frage, die sich viele Sportdirektoren auf diesem Kontinent stellen. Auch Michael Zorc, der den Fall Haaland bislang nicht öffentlich kommentieren möchte. Beraten wird Haaland seit dieser Saison nicht mehr nur von seinem Vater, sondern auch von Carmine „Mino“ Raiola, dem vermutlich mächtigsten Spielerberater der Welt, der 2013 Henrikh Mkhitaryans Transfer von Schachtar Donezk zu Borussia Dortmund einfädelte.

Von Molde FK gibg es für Haaland im Januar 2019 nach Salzburg. © imago/Bildbyran
In einem Interview mit „11 Freunde“ sagte Raiola einmal: „Ich löse die Probleme meiner Klienten, wie es ein Vater täte. Ich bin ihre Familie. Ich bin derjenige, der ihnen zeigt, wohin ihr Weg gehen kann.“ Er wähle immer die beste Variante für seine Spieler aus. Im selben Interview erklärte der Italiener, in der Bundesliga seien zu viele „Nichtskönner“ in führenden Positionen am Werk. Es gebe nur wenige positive Ausnahmen. „Watzke in Dortmund und Rummenigge in München arbeiten hochprofessionell, sie haben Sachverstand und Integrität.“
Entscheidung dürfte in den kommenden Wochen fallen
Wie man lesen kann, ist Bayern München mittlerweile aus dem Poker um Haaland ausgestiegen. Ob Watzkes „Sachverstand und Integrität“ genügend Argumente liefern, um Raiola und Haaland derart für Borussia Dortmund zu begeistern, dass der norwegische Internationale alle anderen Angebote ausschlägt, werden die kommenden Wochen zeigen. Oder um es mit BVB-Trainer Lucien Favres Worten zu sagen: „Man weiß, dass es im Winter sehr, sehr schwer ist, einen Transfer zu realisieren. Wir werden sehen.“
Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.
