Im weiten Rund des Pariser Prinzenparks herrschte Entsetzen beim Blick auf die Jubeltraube in Schwarzgelb. Borussia Dortmund steht im Finale der Champions League, elf Jahre nach dem 1:2 gegen die Bayern geht es am 1. Juni erneut nach Wembley. Unbeschreibliche Szenen spielten sich auf dem Rasen ab, Dortmund überstand beim 1:0 zwei PSG-Aluminiumtreffer in den letzten fünf Minuten der regulären Spielzeit, völlig erschöpft sank Mats Hummels zu Boden und ballte die Fäuste. Ein schwarzgelbes Jubelmeer, die ganze Mannschaft stürmte in die Fankurve, wo die 2000 Anhänger völlig aus dem Häuschen ihre Mannschaft feierten.
BVB mit geschicktem Defensivverhalten
Es waren Gänsehautmomente, die ihren Anfang kurz nach der Halbzeit nahmen, als Hummels per Kopf das Tor des Tages erzielte. Eine unglaubliche Geschichte wird nun ihr finales Kapitel in Englands Hauptstadt schreiben. Eine zerstörte riesengroße BVB-Fahne, darunter der Satz „Wir sind die Armee von PSG und niemand kann uns aufhalten“ – was die Fans des Scheichklubs für das Rückspiel erwarteten, war vor dem Anpfiff in der Kurve der Pariser eindeutig zu erkennen. Und mit dem erwarteten Offensivdruck der Gastgeber sah sich Borussia Dortmund von Beginn an zu höchster Aufmerksamkeit gezwungen.
Das gelang bis auf zwei kleine Ausnahmen bis zur Pause mit Bravour: Trotz einer klaren Feldüberlegenheit mit viel Ballbesitz gelang es dem BVB durch geschicktes Verschieben und großen Laufeinsatz, bei fast allen Angriffsversuchen der Franzosen mit einer großen Zahl Spielern hinter den Ball zu kommen. Nur wenige Lücken gab es dadurch für Kylian Mbappe und Co., die es immer wieder über die linke Dortmunder Abwehrseite versuchten – auch das kam nicht überraschend. Und wie im Hinspiel vor einer Woche lief Karim Adeyemi viele Löcher zu und leistete als Unterstützer für Ian Maatsen wertvolle Hilfe.
Adeyemi verpasst die BVB-Führung
Keineswegs beschränkte sich der BVB, wie erwartet in der Hinspiel-Formation, auf das reine Verteidigen. Nach Adeyemis Sololauf über den halben Platz mit Linksschuss musste Gianluigi Donnarumma seine ganze Klasse aufbieten (35.), so eine Gelegenheit hatten die Hausherren bis zur Pause nicht. Mbappe, der vornehmlich über den linken Flügel kam, fand kaum ein Durchkommen, die Flanken von der rechten Pariser Angriffsseite blieben meistens am vorderen Innenverteidiger hängen. Durchatmen musste die Borussia nur in zwei Situationen – bezeichnenderweise entstanden beide durch Fehler im Dortmunder Aufbau. Dembeles Schuss aus spitzem Winkel (31.) ging ein Ballverlust von Emre Can im Zentrum voraus, nach Adeyemis Pass in die Beine von Zaire-Emery bediente Mbappe im Rückraum Fabian Ruiz. Dessen Schuss fälschte Nico Schlotterbeck ab (45.).
Dennoch hatte sich der BVB das Remis zur Pause redlich erarbeitet. Sanchos Volleyabnahme (7.) und Julian Ryersons Schuss ans Außennetz (15.) zeigten auch, dass Dortmund deutlich energischer nach Ballgewinnen den Weg nach vorne suchte als noch im Gruppenspiel im September. Wie im Hinspiel kam PSG mit Macht aus der Kabine. Ryerson lenkte eine Hereingabe von Hakimi zur Ecke, die brachte Mbappe mit Schärfe in die Mitte, am zweiten Pfosten setzte Zaire-Emery den Ball ans Aluminium (47.).
Hummels sorgtfür Gänsehaut beim BVB
Doch dann sorgte Hummels für Gänsehaut: Ecke Julian Brandt, völlig frei drückte der Dortmunder Routinier, bis zur Pause wie Nebenmann Schlotterbeck mit einer hundertprozentigen Zweikampfquote, den Ball per Kopf über die Linie – es stand 1:0 für die Borussia (50.). Das war eine Ansage der Gäste, die mit dem Tor einen Nerv ihres Kontrahenten trafen. Paris merklich verunsichert, mit Ungenauigkeiten im Passspiel und der verzweifelten Suche nach dem Schlüssel, um diesen widerstandsfähigen Gegner zu Fehlern zu zwingen. Die Chancen kamen schnell: Goncalo Ramos frei aus zehn Metern – drüber (60.). Nuno Mendes aus 25 Metern – Pfosten (61.). Und als Hummels nach Dembeles Haken den ehemaligen Dortmunder legte, retteten den BVB Zentimeter vor einem Strafstoß (65.). Dortmund im Dauerglück, das freilich hatte man sich redlich erarbeitet.
Und die Zeit rannte unerbittlich gegen die Pariser. BVB-Trainer Edin Terzic stärkte die Defensive, brachte Niklas Süle als dritten Innenverteidiger und stellte auf Fünferkette um. Der BVB biss, er fightete um jeden Ball – und gewann weiter die wichtigen Zweikämpfe. Auch bei Paris hatte die intensive Partie deutlich Kraft gekostet. 75 Minuten waren rum, der Frust bei den Gastgebern entlud sich bei Dembele in einer harten Aktion gegen Schlotterbeck – Gelb. Es wurde eine lange Schlussphase mit viel Zittern. Mbappe traf erneut Aluminium (85.), auch bei Vitinhas Schuss rettete die Latte (87.). Mit einer kämpferischen Glanzleistung hielt Dortmund die Null – und lag sich beim Abpfiff von Schiedsrichter Davide Orsati in den Armen. Elf Jahre nach der Final-Niederlage gegen die Bayern steht der BVB erneut im Finale des wichtigsten Vereinswettbewerbs im europäischen Fußball. Und das völlig verdient!