Lange 71 Tage lagen zwischen diesen beiden fast identischen Szenen. Edin Terzic, Ende Mai noch mit Tränen in den Augen direkt vor der Südtribüne und nach dem 2:2 gegen Mainz dort sprachlos in einem Moment der maximalen Enttäuschung. Am Sonntag dann Terzic nahe am Mittelkreis – und diesmal mit leuchtenden Augen, als er bei der offiziellen Saisoneröffnung von Borussia Dortmund in Richtung der größten Stehtribüne der Welt blickte.
Auch die Sprache hatte der BVB-Trainer wiedergefunden. Gut zwei Minuten sprach der Dortmunder Trainer zum Publikum. Terzics Dank „für die unglaubliche Unterstützung in der vergangenen Saison“ bezog sich nicht nur auf den emotionalen Ausnahmezustand nach der dramatisch verpassten Meisterschaft. „Ihr wart da, als es holprig war in der Hinrunde, ihr wart da, als es gut lief, und ihr wart da, als es am Ende richtig, richtig weh tat.“
Die Erinnerung daran werde er nicht aus dem Gedächtnis streichen, sie werde bleiben. „Sie ist jetzt Teil unseres Weges“, meinte Terzic vor den rund 40.000 Fans im Signal Iduna Park, die in einer der wenigen trockenen Phasen eines kühlen Sommer-Sonntags zuvor der neuen Mannschaft zugejubelt hatten.
BVB-Neuzugang Sabitzer mit klarer Ansage
Die bislang nur drei Neuzugänge wurden erst am Ende vorgestellt, der erste Kontakt von Felix Nmecha mit seiner neuen Heimspielstätte verlief aus Vereinssicht positiv. Freundlicher Applaus für den Neuzugang, dessen Verpflichtung wegen homophober Statements im Internet von Teilen der Fanszene kritisch hinterfragt worden war. Von einem der anderen Neuen gab es eine forsche Kampfansage: Er sei gekommen, „um Titel zu gewinnen“, meinte Marcel Sabitzer, „ich traue der Mannschaft sehr viel zu, das muss unser Anspruch sein.“ Auch dafür gab es wohlwollenden Applaus.
Die eigenen Ambitionen konnte der BVB dann im anschließenden Härtetest vor dem Pflichtspiel-Start untermauern. In Ajax Amsterdam forderte eine Mannschaft die Dortmunder, die mit ihrer Kombinationsstärke auch auf engstem Raum vor allem in den ersten 45 Minuten einige Lücken in der Dortmunder Defensive herausarbeitete.
Hummels bereitet Brandt-Treffer vor
Bis zum Pokalspiel gegen Regionalliga-Aufsteiger TSV Schott Mainz am Ende der kommenden Woche wird Terzic weiter am defensiven Abstimmungsverhalten feilen müssen. Das 1:1 zur Pause entsprang einer offenen, von beiden Mannschaften mit Tempo geführten ersten Hälfte, in die die Borussia perfekt startete: Mats Hummels stürmte ungewohnt über außen vor, einer seiner typischen Außenrist-Bälle, diesmal scharf und präzise in die Mitte geschlagen, fand Julian Brandt, der mit viel Gefühl vollstreckte.
Am 1:0 (6.) hatte der BVB allerdings nur knapp eine Minute lang Freude. Gleich im Gegenzug fiel der Ausgleich, an dem Hummels erneut beteiligt war. Gegenspieler Brian Brobbey mit zu viel Platz beim Kopfball, auch die Flanke von Steven Bergwijn verteidigte Dortmund durch den zögerlich attackierenden Donyell Malen viel zu luftig.
BVB ohne Adeyemi gegen Ajax
Wie erwartet, schickte Terzic eine Elf ins Rennen, die in weiten Teilen einer möglichen Startelf für den DFB-Pokal geähnelt haben dürfte – allerdings ohne Flügelstürmer Karim Adeyemi, der mit muskulären Problemen aus dem Chelsea-Spiel herausgegangen war. Sein Fehlen soll eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen sein.
In den abwechslungsreichen ersten 45 Minuten gab es auf beiden Seiten weitere Chancen – mit der klar größeren Zahl auf Seiten der Borussia, die ihre stärksten Aktionen immer dann hatte, wenn es schnell und schnörkellos nach vorne ging. Allein Marco Reus (15., 43.) scheiterte zwei Mal aussichtsreich, auch ein Hummels-Kopfball und ein Schuss von Sebastien Haller (36.) fanden nicht ihr Ziel.
BVB legt im zweiten Durchgang zu
Nur einen Wechsel nahm Terzic zur Pause vor, das zeigte auch, dass der Ernstfall näher rückt. Die Hereinnahme von Nmecha für Reus erwies sich als gelungener Schachzug. Innerhalb von sechs Minuten stellte der Neuzugang jeweils mit einem überlegten Abschluss nach Vorarbeit von Haller (54.) und Bensebaini (60.) auf 3:1.

Bemerkenswert: Der Jetlag – 72 Stunden nach der Rückkehr aus den USA – war bei Dortmund kein Thema, der BVB war die Mannschaft, die in den zweiten 45 Minuten kräftemäßig noch zulegen konnte. Die Generalprobe verlief vielversprechend, auch wenn Bergwijns von Meyer vereitelte Großchance (72.) und der Kopfball-Aufsetzer von Medic (75.) aufzeigten, dass defensiv bei der Borussia noch nicht alles stimmig war. Auch gegen Brobbey bewies Dortmunds Ersatzkeeper Nervenstärke im Eins-gegen-Eins (80.).
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