Löwen-Maskottchen „Sechzger“ hüpfte auf dem Rasen fröhlich auf und ab und feierte mit den Fans des TSV München 1860 den ersten Heimsieg seit November. Bei Borussia Dortmunds U23 ist nach der Niederlage im Stadion an der Grünwalder Straße dagegen endgültig Ernüchterung eingekehrt. Die Alarmsirenen schrillen zurecht, die Formkurve der Mannschaft ist bedenklich. Der BVB macht die Konkurrenz im Abstiegskampf stark. Nach Osnabrück und Essen war es in München binnen fünf Spielen das dritte 0:1 gegen einen potenziellen Rivalen. Das erschwert den Kampf um den Klassenerhalt in der 3. Liga zusätzlich. Der Frust sitzt tief ebenso wie die fünf strukturellen Probleme, die zur Krise führen.
01.) Selbst verschuldetes BVB-Dilemma
Das Kernproblem ist selbst verschuldet und liegt eine Etage höher. Die enorme Verletztenmisere bei den Profis hatte in den vergangenen Monaten massive Auswirkungen auf den Unterbau. Der viel zu klein konzipierte Bundesliga-Kader forderte seinen Tribut: Im Laufe der Hinserie mussten etliche Spieler aus der U23 oben aushelfen. Darunter auch Leistungsträger wie Yannik Lührs und Ayman Azhil. Sie fehlten im Trainingsbetrieb ebenso wie an den Spieltagen. Eine geregelte Trainingsplanung war über Wochen kaum möglich. Es musste immer wieder kurzfristig improvisiert werden. Natürlich zählt es zu den vordersten Aufgaben einer U23, die Profis bestmöglich zu unterstützen. Schließlich genießt das Bundesliga-Team zurecht oberste Priorität.
Die Folgen bekommt die U23 gleichwohl noch immer zu spüren: Im Vergleich zur Vorsaison fehlt es an Eingespieltheit, Rhythmus und funktionierenden Abläufen. Seit Amtsantritt von Niko Kovac Anfang Februar gibt es nun zumindest wieder mehr Planungssicherheit und Kontinuität. Der neue BVB-Cheftrainer setzt ganz klar auf erfahrene Profis, so dass die U23 wieder auf ihr zur Verfügung stehendes Personal setzen kann. Daher lautet der klare Auftrag an Jan Zimmermann und seine Jungs, das eigene Spiel endlich entscheidend weiterzuentwickeln.
02.) BVB-Verletztenmisere:
Das allerdings ist leichter gesagt als getan. Denn während in der Hinrunde reihenweise Spieler an die Profis abgestellt werden mussten, fallen nun viele Akteure verletzt aus. Felix Irorere fehlt seit Saisonbeginn. Darüber hinaus hat die BVB-U23 in Felix Paschke (Kreuzbandriss), Niklas Jessen, Filippo Mane (beide Muskelverletzung) und Julian Hettwer (Rückenverletzung) gleich vier Langzeit-Ausfälle zu beklagen. Das Fehlen von Topscorer Hettwer (elf Tore, sechs Assists) erweist sich zudem als fatal – und führt gleich zum nächsten gravierenden Problem. Die Ausfälle mindern natürlich auch die Trainingsqualität, was sich ebenfalls an den Spieltagen negativ bemerkbar macht.
03.) Fehlende BVB-Torgefahr:
Der Sportliche Leiter Ingo Preuß mochte im Interview mit den Ruhr Nachrichten jüngst nicht von einer Ladehemmung sprechen. Die aber ist nicht von der Hand zu weisen. In acht Rückrundenspielen hat die BVB-U23 gerade mal fünf Treffer erzielt, macht mickrige 0,63 Törchen pro Partie. In fünf Spielen hat die Borussia überhaupt nicht getroffen. „Natürlich beeinflusst das die Spieler. Sie müssen diese Situation annehmen. Sie müssen lernen, auch mal eine solche Durststrecke zu überstehen“, sagt Zimmermann im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten.

Die offensive Harmlosigkeit lässt sich belegen: Mittelstürmer Jordi Paulina reibt sich zwar in jedem Spiel fürs Team auf, hat aber seit Mitte Dezember nicht mehr getroffen. Noch länger warten Linksaußen Rodney Elongo-Yombo, Routinier Michael Eberwein und Rechtsaußen Babis Drakas auf einen Treffer. Alle drei waren letztmals Ende Oktober (!) erfolgreich. Youngster Cole Campbell traf letztmals Ende November, hat seither aber auch erst fünf Partien bestritten. Am meisten Verlass ist noch auf Antonio Foti, der zweimal erfolgreich war. „Ich weiß nicht, ob Ladehemmung der richtige Begriff ist. Wir können es benennen, wie wir wollen: Wenn wir Spiele gewinnen wollen, müssen wir Tore schießen. Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen“, stellt Zimmermann klar. Bislang ist es ihm und dem Team nicht gelungen, hier die richtigen Lösungen zu finden. Zimmermann nimmt explizit nicht nur die Spieler mit offensivem Auftrag in die Pflicht. Tore sieht er als Gemeinschaftsprodukt.
04.) Zunehmende BVB-Verunsicherung:
Gemeinschaft setzt gegenseitiges Vertrauen voraus. Das ist durchaus gegeben. Am Zusammenhalt mangelt es der BVB-U23 nicht. Der Teamgedanke ist ausgeprägt. Aber allmählich machen sich dennoch Zweifel breit. Bei 1860 München wirkte die Mannschaft vor allem in der ersten Hälfte auch aus Sicht ihres Trainers „verunsichert“. Die Misserfolge der vergangenen Wochen gepaart mit den verletzungsbedingten Ausfällen rütteln am Selbstverständnis der Mannschaft.
Die Unruhe nimmt zu. Das Punkte-Polster zur Gefahrenzone ist von acht auf gerade mal zwei Zähler geschmolzen. Auf einmal stecken die Schwarzgelben mitten im Abstiegskampf. Dafür muss jeder Einzelne das entsprechende Bewusstsein entwickeln. „Für uns geht es ganz klar darum, so viele Punkte zu holen, dass wir sicher in der 3. Liga bleiben. Wir müssen bereit dafür sein, dass das bis zum letzten Spieltag dauern kann“, unterstreicht Jan Zimmermann. Und er mahnt: „Wir müssen jetzt die Ruhe bewahren und dürfen nicht in Panik verfallen.“
05.) BVB-Fehleinschätzungen und falsche Erwartungen:
Die vergangene Saison beendete die BVB-U23 mit starken 54 Punkten – das bedeutete eine neue Rekordmarke. Noch nie hatte Dortmund in der 3. Liga so viele Zähler auf dem Konto. Das führte vor dieser Saison unweigerlich zu einer gestiegenen Erwartungshaltung – und zu mehr Enttäuschung, falls es anders kommt. Darüber hinaus einte die Verantwortlichen der Glaube, in dieser Saison personell bei der U23 im Vergleich zur Vorsaison noch besser aufgestellt zu sein.

„Einige Jungs sind so gut, dass man ihre Entwicklung gar nicht verhindern kann. Ich glaube fest daran, dass wir von der Leistungsfähigkeit im Laufe der Saison besser werden. Normalerweise spiegelt sich das auch in Ergebnissen wider“, sagte Zimmermann Mitte Januar. Das aber ist nicht der Fall. Die BVB-U23 hat zwar nur gegen Arminia Bielefeld (0:4) und Hansa Rostock (0:2) wirklich enttäuscht, aber zuletzt ist das Pendel dennoch immer häufiger zugunsten des Gegners ausgeschlagen.
Sie hat nach 27 Spieltagen zwölf Niederlagen kassiert – und damit bereits jetzt so viele wie in der gesamten letzten Saison. „45+x Punkte“ lautete lange das Minimalziel für Dortmund. Das ist angesichts des Restprogramms – u.a. mit den Duellen gegen die direkten Konkurrenten Mannheim, Hannover und Stuttgart – auch weiterhin möglich. Aber der BVB wird sich weitaus mehr strecken müssen, als er noch zum Jahreswechsel gedacht hätte.