Kjell Wätjen ballte triumphierend die Faust. Zehn Minuten vor Schluss war es sein Treffer, der Borussia Dortmunds U23 beim 1:1 gegen Viktoria Köln einen wichtigen Punkt im Abstiegskampf bescherte. Schließlich dürfte jeder einzelne Zähler im Endspurt darüber entscheiden, ob die BVB-U23 auch in der nächsten Saison wieder in der 3. Liga an den Start geht oder sie den bitteren Gang in die Regionalliga West antreten muss. Bei nur einem Punkt Abstand auf die Gefahrenzone ist Schwarzgelb derzeit akut versetzungsgefährdet.
BVB-Abstieg hätte spürbar Folgen
Noch eint die Borussen die berechtigte Hoffnung, den abermaligen Klassenerhalt zu schaffen. Das ist kein reiner Zweckoptimismus, denn es stehen noch drei Duelle gegen direkte Konkurrenten (Mannheim, Hannover, Stuttgart) an. Doch was, wenn der BVB unterm Strich nicht überm Strich steht? In aller erster Linie würde ein Abstieg die eigenen Ambitionen torpedieren und einen klaren Bruch bei der Weiterentwicklung der eigenen Talente bedeuten.
Bei Borussia Dortmund waren sie in den vergangenen Jahren zurecht stolz darauf, neben dem SC Freiburg als einziger Bundesligist mit einer U23 in der 3. Liga vertreten zu sein. Die Breisgauer sind in der vergangenen Saison ab-, dafür der VfB Stuttgart aufgestiegen. Andere Schwergewichte wie etwa Bayern München oder Eintracht Frankfurt sind mit ihrem Unterbau eine Etage tiefer in der Regionalliga angesiedelt.
Die 3. Liga ist für den BVB aber kein Selbstzweck oder ein Prestigeobjekt. In den Augen der Verantwortlichen ist sie vielmehr essenziell, um den Talenten aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) eine geeignete Plattform auf Profi-Niveau zu bieten. Zwei Klassen unterhalb der Bundesliga sollen sich die schwarzgelben Talente in der letzten Stufe ihrer Ausbildung das nötige Rüstzeug für eine Profi-Karriere aneignen.
BVB-Talente sollen in 3. Liga abhärten
In dieser Saison kommen in der U23 unter anderem die Eigengewächse Almugera Kabar, Kjell Wätjen und Cole Campbell regelmäßig zum Einsatz. In der 3. Liga sammeln sie wertvolle Erfahrung, was Physis, Intensität, Handlungsschnelligkeit und Widerstandsfähigkeit angeht. Wichtige Attribute, die ihnen auf der ganz großen Bühne später helfen sollen. „Es gibt nichts Besseres, als in diesem Alter schon Herrenfußball zu spielen. Das ist auch von der ganzen Athletik her ein ganz anderes Spiel. Da muss man sich strecken, man entwickelt sich körperlich so sehr, man baut eine ganz andere Resilienz und Härte auf. Davon profitieren die Spieler immens“, sagt Thomas Broich, Sportlicher Leiter des BVB-NLZ.

Sebastian Kehl sieht in der U23 einen „weiteren Baustein der Entwicklung unserer Spieler, um die Durchlässigkeit zwischen Nachwuchs- und Profibereich nachhaltig zu erhöhen. Der direkte Sprung von der U19 in den Profibereich ist angesichts unserer Erwartungshaltung einfach sehr groß und nicht für jeden unserer Jugendspieler auf Anhieb zu schaffen. Ein weiteres Jahr in der für diese Mannschaft höchstmöglichen, professionellen Erwachsenen-Liga, ist für die individuelle Entwicklung unserer Talente, quasi als Verlängerung der persönlichen Ausbildungszeit, unheimlich wichtig“, betont der BVB-Sportdirektor.
Welche BVB-Talente haben das Zeug für den Profi-Kader?
Im Vergleich zur 3. Liga ist die Regionalliga West eher ungeeignet, weil das sportliche Niveau schlichtweg schwächer, das Leistungsgefälle sehr viel größer ist. In den vergangenen Jahren sahen sich die Verantwortlichen immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, die eigene Talente nicht vorrangig für sich, sondern vor allem für andere Klubs auszubilden - auch weil sie zu früh abgeschrieben wurden. Eintracht Frankfurts Nnamdi Collins lässt grüßen.
Die BVB-U23 dient daher vor allem dazu, auszuloten, welche Spieler wirklich das Zeug dazu haben, es dauerhaft in Dortmunds Bundesliga-Kader zu schaffen. „Die Sicherheit, sagen zu können, dass ein Spieler für die Profis geeignet ist, ist in der 3. Liga einfach höher als in der Regionalliga West“, argumentiert Ingo Preuß, Sportlicher Leiter der BVB-U23.
BVB droh Verlust seines Wettbewerbsvorteils
Ein Abstieg in die Viertklassigkeit und der damit verbundene mühsame Kampf um den Wiederaufstieg wäre demnach ein empfindlicher Dämpfer für die Talent-Entwicklung in den nächsten Jahren. Gleichzeitig würde er Borussia Dortmunds Attraktivität bei der Verpflichtung künftiger Nachwuchskräfte schmälern. Spieler wie Kjell Wätjen und Cole Campbell entschieden sich trotz lukrativer Angebote anderer Vereine unter anderem vor allem für den BVB, weil er ihnen abseits des Bundesliga-Teams die Möglichkeit bietet, Spielpraxis auf Profi-Niveau zu sammeln.

„Wenn wir junge Spieler für unser NLZ verpflichten, ist es natürlich auch ein Argument, dass unsere U23 in der 3. Liga spielt und somit eine zusätzliche Perspektive im Erwachsenenbereich bietet. Das ist sicher ein Wettbewerbsvorteil gegenüber unseren Konkurrenten“, sagt Sebastian Kehl. Eben dieser Wettbewerbsvorteil wäre dann futsch. Hinzu kommt: Durch das voraussichtliche Verpassen der Champions League spielt die BVB-U19 in der kommenden Saison erstmals seit vielen Jahren auch nicht in der Youth League – es sei denn, sie würde Deutscher Meister. Auch das wäre für die Ausbildung und Perspektive der Jugendspieler kontraproduktiv.
Eine schlechtere Ausbildung, eine bescheidenere Perspektive und weniger Durchlässigkeit – ein Absturz hätte für die BVB-U23 demnach gravierende Folgen. Noch aber ist all das nur ein Schreckensszenario. Die Schwarzgelben haben noch neun Spiele, um den abermaligen Klassenerhalt zu schaffen. „Ein Abstieg wäre eine Katastrophe und für mich persönlich als Sportlicher Leiter eine Niederlage“, gesteht Ingo Preuß und ergänzt kämpferisch: „Aber ich möchte nicht über die Regionalliga sprechen. Ich möchte, dass wir im Saison-Endspurt Vollgas geben und alles dafür tun, dass wir in der 3. Liga bleiben.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 20. März 2025.
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