BVB-Torjäger Niclas Füllkrug: Brisante Kritik mit wahrem Kern Unsere Taktik-Analyse

Von Tobias Escher
BVB-Torjäger Niclas Füllkrug: Brisante Kritik mit wahrem Kern: Unsere Taktik-Analyse
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Fußballspieler, die öffentlich aussprechen, was sie denken? Das ist man nicht mehr gewohnt. Bereits Nachwuchskicker lernen, wie man viel redet und dabei möglichst wenig preisgibt. Man kann es den Verantwortlichen nicht verdenken: Jeder noch so kleine Interviewschnipsel reist binnen Minuten um die Welt.

Brisante Aussagen von Füllkrug

Das hat Niclas Füllkrug wohl schon vor seinem Interview am Samstagnachmittag gewusst. Seine Aussagen nach Borussia Dortmunds 1:2-Niederlage beim VfB Stuttgart schlugen hohe Wellen. Versteckte sich hinter Füllkrugs ehrlicher Analyse eine Kritik an Trainer Edin Terzic? Einige Aussagen des Nationalstürmers wurden tatsächlich falsch interpretiert. Andere wiederum lassen Fragen zurück.

Nach der Niederlage in Stuttgart stellte sich Füllkrug den Fragen des TV-Senders Sky. Füllkrug kritisierte, dass der BVB keinen Zugriff auf das Spiel des Gegners erhielt. „Stuttgart hat ein bisschen anders gespielt als sonst. Damit haben sie uns vor eine Riesenaufgabe gestellt.“ Diese Aussagen wurden Füllkrug als Kritik am Trainer ausgelegt. Dessen Aufgabe sei es schließlich, die eigene Mannschaft auf den Gegner einzustellen.

Füllkrug erläutert seine Aussagen

Füllkrug bereitet sich derzeit mit der Nationalmannschaft auf die kommenden Testspiele vor. Auf der Pressekonferenz des DFB stellte er klar: Er habe mit seinen Aussagen keineswegs Terzic kritisieren wollen. Ja, der BVB habe den Gegner anders erwartet – aber mit der taktischen Variante des Gegners war nicht zu rechnen, argumentiert Füllkrug.

„Der VfB hat fast immer mit Viererkette gespielt.“ Diesmal hätten sie „mit Dreierkette gespielt, womit wir nicht gerechnet haben, womit wir auch nicht so wirklich rechnen konnten.“ Das habe die Mannschaft vor Probleme gestellt. Terzic habe noch versucht, mit zwei taktischen Umstellungen in das Spiel einzugreifen. „Wir haben es aber nicht umgesetzt bekommen.“

Niclas Füllkrug bestreitet einen Zweikampf.
Stand auch nach der Partie beim VfB Fokus im Fokus: BVB-Mittelstürmer Niclas Füllkrug. © picture alliance/dpa

Niclas Füllkrug bezieht sich auf die taktische Formation des Gegners. Der VfB Stuttgart feiert in dieser Saison unter Sebastian Hoeneß große Erfolge. Der Trainer hat den 16. der vergangenen Saison auf die Europapokal-Ränge geführt. In den allermeisten Partien nutzt der VfB ein 4-2-3-1-System.

Gegen den BVB trat der VfB nicht im 4-2-3-1 an, sondern in einem 3-4-3. Hoeneß spielte diesmal ohne Außenstürmer, sondern ließ zwei offensive Wing-Backs die Flügel beackern. Der Stuttgarter Spielaufbau erfolgte aus einer 3-4-Variante, nicht wie zuletzt aus einer 4-2-Variante.

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Das mag nach einem marginalen Unterschied klingen. Es verändert aber taktisch viel: Die verteidigende Mannschaft muss ihr Pressing anders aufziehen, um Zugriff auf den gegnerischen Spielaufbau zu erlangen. Der BVB war jedoch gegen Stuttgarts Dreierkette ständig in Unterzahl, auch im Mittelfeld kamen sie nicht in die Zweikämpfe.

Häufige Umstellung beim VfB

Man kann darüber streiten, wie überraschend die Umstellung des VfB Stuttgart kam. Ja, sie haben in dieser Saison sämtliche Bundesliga-Partien in einem 4-2-3-1 begonnen. Im Verlauf einzelner Spiele haben sie aber bereits die Dreierkette angewandt. So am siebten Spieltag gegen den VfL Wolfsburg: Der VfL nutzt eine Mischung aus 4-2-3-1 und 4-3-3, spielt also ähnlich wie der BVB. Der VfB hatte gegen diese Formation große Probleme, lag zur Pause 0:1 hinten. In der zweiten Halbzeit stellte der VfB auf eine Dreierkette um – und drehte die Partie zu einem 3:1. Aus Stuttgarter Sicht ergab es Sinn, gegen den BVB diese Variante von Anfang an zu nutzen.

Füllkrug deutete in der PK an, dass Terzic von außen eingriff, die Spieler diese Umstellung aber nicht umsetzen konnten. Tatsächlich tauschten beim BVB bereits in der ersten Halbzeit mehrere Spieler ihre Positionen. Nach der Halbzeitpause verteidigte der BVB in einem unorthodoxen 4-2-2-2. Sie bekamen das Zentrum besser geschlossen, ließen jedoch große Lücken auf den Flügeln. In dieser Phase zogen nicht alle Spieler am gleichen Strang.

Kritik an Mitspielern?

Füllkrugs Beteuerung, er habe den Trainer nicht kritisieren wollen, klingt glaubhaft. Sowohl seine Analyse zur Stuttgarter Dreierkette als auch zu den Umstellungen seines Trainers sind stimmig.

Edin Terzic lässt den Kopf hängen.
BVB-Trainer Edin Terzic sah sich nach der Niederlage in Stuttgart einiger Kritik ausgesetzt. © picture alliance/dpa

Dennoch bleiben Fragen offen: Den Trainer mag Füllkrug nicht kritisiert haben – wohl aber sich und seine Mitspieler. Sie haben es offensichtlich nicht hinbekommen, den veränderten Plan des Trainers umzusetzen. Das mag nicht jeder Mitspieler gerne hören.

Kann der BVB mehr?

Brisant ist eine weitere Aussage aus dem Interview, auf die Füllkrug auf der Pressekonferenz nicht mehr einging. „Man merkt, dass wir – das muss man leider ehrlich zugeben – gegen viele gute Mannschaften zeitweise unsere Grenzen aufgezeigt bekommen. Dann muss man vielleicht zugeben, dass diese Mannschaften aktuell ein 2:1-Ergebnis besser sind als wir, obwohl wir meiner Meinung nach das Material dazu haben, besser zu sein.“

Füllkrug legt damit den Finger in die Wunde. Am Wochenende traf der Beinahe-Meister der vergangenen Saison auf einen Beinahe-Absteiger. Es war der Beinahe-Absteiger, der sich in einen Rausch spielte: mit 60% Ballbesitz, fast 200 mehr gespielten Pässen und einem technisch wie taktisch anspruchsvollem Fußball. Während dem BVB gegen Stuttgarts Pressing häufig nur der lange Ball blieb, baute der VfB das Spiel kontrolliert aus der eigenen Hälfte auf. Sie schufen Überzahlen, unterstützten sich, fanden auch in komplizierten Situationen einfache Lösungen.

Füllkrug sagt indirekt, dass der BVB das Potenzial hätte, solchen Fußball zu spielen. Dass er es nicht tut, fällt letztlich auf den Trainer zurück. Darin liegt die wahre Kritik von Füllkrug an Terzic.

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