BVB-Tor nach Chukwuemeka-Zusammenprall mit Baumann TSG-Coach Ilzer sieht „Skandal-Entscheidung“

Lesezeit

Es war die mit Abstand meistdiskutierte Szene des Spiels. In der PreZero Arena lief die fünfte Minute der Nachspielzeit, als Carney Chukwuemeka nach einem Doppelpass mit Serhou Guirassy im Strafraum der Hoffenheimer auftauchte. Der Engländer steuerte genau auf Oliver Baumann zu – und rasselte mit ihm zusammen. Der TSG-Torwart rappelte sich noch einmal kurz auf und musste mitansehen, wie Waldemar Anton das für Borussia Dortmund siegbringende 3:2 erzielte. Im Anschluss blieb der TSG-Torhüter benommen liegen. Die Kollision, bei der der Routinier vom Dortmunder mit dem Knie am Kopf getroffen wurde, hatte ihm spürbar die Sinne vernebelt. Eine Schürfwunde zeichnete sein Gesicht und zeugte von der Wucht des Zusammenpralls.

BVB-Sportdirektor Kehl sieht „vertretbare Entscheidung“

Die wütenden Proteste der Gastgeber aber blieben ungehört. Schiedsrichter Benjamin Brand verzichtete darauf, sich die strittige Szene noch einmal in der Review-Area anzuschauen. Zeit genug hätte er gehabt, zumal Baumann minutenlang behandelt wurde. Doch der Referee vertraute auf das Urteil des VAR. So wie vor dem 1:0 (20.), als Daniel Svensson vermeintlich im Abseits gestanden hatte. Die insgesamt 13-minütige Nachspielzeit war geprägt von Diskussionen, in deren Folge der Teamarzt des TSG die Rote Karte sah, und die auch nach Abpfiff weitergingen. Die entscheidende Frage: Wer war eher am Ball? Baumann – dann wäre es ein Stürmerfoul gewesen. Oder Chukwuemeka – dann wäre es regelkonform, weiter laufen zu lassen.

Über genau diesen Punkt gingen die Meinungen weit auseinander. „Carney spielt den Ball in ihn rein, danach ist es ein Zusammenprall. Baumann wird auch am Kopf getroffen. Aber ich glaube, es ist in dieser Situation kein Foul. Er lässt weiterspielen und hat es vom VAR checken lassen. Deswegen ist es vertretbar. Die Hoffenheim-Bank hat natürlich einen anderen Blickwinkel drauf, ist ja klar. Sie sehen ein Foul, haben gesagt, dass es bei einer Kopfverletzung Unterbrechung geben muss. Wenn der Ball im Sechzehner ist, unterbricht man aber nicht mehr. Wenn wir in so einer Situation sind, müssen wir das Tor schießen. Man kann es so durchgehen lassen“, befand Sebastian Kehl.

BVB-Kapitän Emre Can ist zwiegespalten

Zustimmung erhielt der BVB-Sportdirektor von Emre Can: „Es ist hart, laufen zu lassen, definitiv. Ich finde auch, wenn der Schiedsrichter es wegpfeift, muss man es auch akzeptieren. Das wäre jetzt auch okay. Aber er hat es mir erklärt, dass es einfach eine 50:50-Situation ist.“ Waldemar Anton nahm seinen Teamkollegen in Schutz: „Carney versucht, das Bein noch wegzuziehen, so sieht es jedenfalls aus. Ich glaube nicht, dass er zum Kopf hingeht. Schwierig zu bewerten. Ich würde sagen: kein Foul. Da gibt es schlimmere Dinge.“

TSG-Profi Anton Stach war naturgemäß anderer Auffassung: „Jede einzelne Entscheidung läuft gegen uns. (…) Ich muss es mir gar nicht mehr angucken, der Schiedsrichter hat eh schon entschieden. Deswegen ist es mir völlig egal. Vielleicht verstehe ich das Regelwerk nicht. Wenn eine Verletzung des Spielers am Kopf vorliegen könnte, muss man das unterbrechen. Aber der Schiedsrichter hat so entschieden. Ich bin danach innerlich komplett durchgedreht. Ich konnte mich gar nicht mehr beherrschen.“

BVB-Trainer Kovac versteht TSG-Verärgerung

Stach hätte sich „gewünscht, dass er es sich ansieht. Wenn man so eine Delle am Kopf sieht, hätte ich es mir an seiner Stelle auf jeden Fall angeschaut“.Ein Vorwurf, den sich der Unparteiische anhören musste. Er äußerte sich am Samstag nicht öffentlich zu seiner Entscheidung. Uneins waren sich auch die beiden Trainer. „Es ist natürlich eine sehr enge Szene. Wenn Oli als Erster am Ball ist, wäre es sicherlich ein Foul. Ich habe gesehen, dass Carney eine Spur eher am Ball war. Das bedeutet für mich, dass die Szene für mich regelkonform ist. Ich verstehe trotzdem die Verärgerung der Hoffenheimer“, konstatierte Niko Kovac – und erntete Widerspruch von seinem Gegenüber.

„Ich habe es mir sehr oft angeschaut. Die Zeitlupe, wo Chukwuemeka vor Baumann am Ball war, haben wir nicht gefunden. Oli ist ganz klar vorher am Ball. Dann kriegt er das Knie gegen den Kopf, geht K.o. und er sieht im Schleierblick wahrscheinlich noch, wie der Ball ins Tor rollt. Wenn Chukwuemeka vorher am Ball gewesen wäre, kann man von einem Zusammenprall reden. So war es aber ein Foul. Für mich war das absolut irregulär. Umso bitterer, dass wir einen Gegentreffer hinnehmen mussten, der nicht nur Oli im Kopf schmerzt, sondern uns alle“, meinte Christian Ilzer. Bei „Sky“ sprach der TSG-Coach gar von einer „Skandal-Entscheidung“. Auch nach der Pressekonferenz suchten Ilzer und Kovac erneut das Gespräch, diskutierten angeregt miteinander – und verabschiedeten sich schließlich respektvoll. Ein versöhnliches Ende nach einer unversöhnliches Szene – auch wenn die Standpunkte unterschiedliche blieben.

DFB stützt BVB-Sichtweise

DFB-Sprecher Alexander Feuerherdt erklärte auf Anfrage der ARD-Sportschau: „Baumann wirft sich dem Angreifer mit einigem Risiko entgegen und wehrt den Ball ab, trifft jedoch mit den Händen auch den rechten Fuß von Chukwuemeka. Dieser geht infolgedessen zu Boden und trifft dabei mit dem Knie den Kopf des Torhüters. Aus unserer Sicht lag hier kein Foulspiel von Chukwuemeka vor, sondern ein Zusammenprall.“