Hinter Borussia Dortmund liegt eine turbulente erste Saisonphase. Zwar hat der BVB die Erwartungen in den Pokalwettbewerben erfüllt, doch in der Bundesliga ist die Mannschaft von Edin Terzic als aktuell Tabellensechster weit hinter den eigenen Ambitionen zurückgeblieben. In unserem Spielerzeugnis blicken wir auf die ersten Monate der Saison 22/23 zurück. Heute im Fokus: Giovanni Reyna.
So lief die erste Saisonphase für Giovanni Reyna: 134 Tage. Nicht helfen können, keine Atmosphäre der 81.365 Fans aufsaugen oder wie man es im Ruhrgebiet sagen würde: nicht pöhlen können. Diese Leidenszeit endete für Giovanni Reyna am 20. August mit der Einwechslung in der 62. Minute im Spiel gegen den SV Werder Bremen. Doch das Comeback des US-Boys ging unter, denn die Borussia fing in einer wilden Schlussphase drei Gegentore und kassierte gegen den Aufsteiger eine schmerzvolle 2:3-Niederlage. Sein ganzes Können zeigte der 20-Jährige dann rund zwei Wochen später: Gegen den FC Kopenhagen bereitete er die letzten beiden Treffer mit Augenmaß vor und hatte somit maßgeblichen Anteil am souveränen Sieg zum Auftakt in die Königsklasse. Daneben war Reynas bisherige Vorrunde größtenteils von Kurzschichten (drei Startelfeinsätze, sieben Einwechslungen in der Bundesliga) geprägt, in denen sowohl seine enorme Klasse in Sachen Ballbehandlung, Technik und Abschluss aufblitzte, aber auch noch stets die enorme Vorsicht mitschwang, bloß nicht schon wieder eine Verletzung zu riskieren.
Das sagt die Statistik: Reyna ist ein guter Zweikämpfer! Zwar ist der eher schlaksige und 1,85 Meter lange Angreifer kein klassischer Balleroberer, doch 48 Prozent gewonnene Duelle bedeuten im Offensivbereich zusammen mit Donyell Malen den besten Wert. BVB-Kapitän Marco Reus (41,8 Prozent), Karim Adeyemi (41,3 Prozent) oder Thorgan Hazard (40,8 Prozent) entscheiden deutlich weniger Zweikämpfe zu ihren Gunsten. Außerdem ist Reyna im Quervergleich mit seinen Offensivkollegen laufstark (11,4 Kilometer im Schnitt pro 90 Minuten/Platz zwei). Ausbaufähig ist dagegen Reynas Passquote im Vergleich mit seinen Angriffskonkurrenten: 75,4 Prozent der Zuspiele landen bei einem Mitspieler, Malen (77,3 Prozent), Reus (79,1 Prozent), Adeyemi (75,6 Prozent) und Hazard (80,2 Prozent) passen zielgenauer.
Das sind die Stärken und Schwächen: Reyna ist ein Ballmagnet. Er zieht die Kugel magisch an, bewegt sich häufig clever in den Zwischenräumen und ist so häufig eine gesuchte gern genutzte Anspielstation. Hat er den Ball, klebt er dank seiner herausragenden Technik förmlich an den Füßen. Zwar verfügt der im englischen Durham geborene Angreifer nicht über einen niedrigen Körperschwerpunkt wie zum Beispiel Jamie Bynoe-Gittens und passt somit auch nicht in die Kategorie Tempodribbler. Doch seine starke Ballbehandlung macht es den Gegenspielern enorm schwer, Reyna die Kugel abzuluchsen. Dazu schließt er präzise ab und hat oft das Auge für besser postierte Mitspieler. Luft nach oben hat er vor allem bei der Körpersprache: Reyna wirkt nicht wie ein „Gamechanger“, wenn es mal nicht läuft. Der Kopf ist in diesen Phasen schnell gen Boden gerichtet. Auch sein Antritt und das Kopfballspiel sind noch steigerungsfähig.
Ausblick und Perspektive: Giovanni Reyna hat bereits unter Beweis gestellt, dass er die BVB-Offensive mit seinen Fähigkeiten bereichern kann. Grundvoraussetzungen dafür sind Verletzungsfreiheit und Spielpraxis. Gelingt es dem flexiblen Offensivspieler, seinen Körper in einen dauerhaft in einen wettbewerbsfähigen Zustand zu bringen, wäre Reyna ein perfekter Kandidat, um auf Jahre in die Reus-Rolle zu schlüpfen. Das Potenzial dafür hat er. Wichtig ist dabei auch, dass er Rückschläge akzeptiert und sich - anders als bei der WM - stets in den Dienst der Mannschaft stellt. Wovon die Verantwortlichen in Dortmund allerdings überzeugt sind.
RN-Note: 3,5