BVB-Profis zerbrechen am großen Druck Rückrunde muss zum Dortmunder Maßstab werden

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Das Entsetzen. Die Fassungslosigkeit. Die Leere. Die Szenen von super enttäuschten Dortmundern auf dem Rasen des Signal Iduna Parks vermittelten ein eindeutiges Bild: Großes Drama, doch ohne Happy End für den BVB. Der Schockzustand hatte sich schnell nach Spielende bis auf die Tribüne ausgeweitet, wo viele Fans die Minuten nach dem Abpfiff stumm verbrachten, ehe der Applaus ein eher unbeholfener Versuch war, Trost zu spenden, Rückhalt zu bieten. Beeindruckend, wie die Südtribüne die riesige Enttäuschung binnen Minuten in bedingungslosen Support wandelte. Die Spieler und Edin Terzic dürfen irgendwann, wenn der größte Schmerz verarbeitet ist, Stolz empfinden können für diese besondere Art der Rückendeckung.

Der BVB wandelt am Rande von Extremen

In den Stunden nach dem Abpfiff gab es dafür keine Chance. Viele schämten sich ihrer Tränen nicht im Bewusstsein, welch vielleicht einmalige Gelegenheit sie da hatten ungenutzt verstreichen lassen. So bitter das klingt: Der BVB war gegen erstaunlich wehrhafte Mainzer am großen Druck zerbrochen, spätestens nach dem Treffer zum 0:1 war das unübersehbar. Die Gegentore, der verschossene Elfmeter, die Nachrichten aus Köln – permanent wandelte Borussia Dortmund während der 95 Minuten am Rande von Extremen. Am Ende war das 2:1 von Jamal Musiala in Köln die eine Wendung zu viel.

Die nüchterne Bestandsaufnahme muss zu dem Ergebnis führen, dass es auch in Zukunft schwierig werden wird, wenn man selbst eine Fülle von Steilvorlagen der Münchner wie in dieser Saison verstreichen lässt. Noch während die Dortmunder ihre Wunden leckten, wurde in München dazu Tabula rasa gemacht. In den Minuten nach einem nicht mehr für möglich gehaltenen Triumphs den CEO und den Sportvorstand, zwei verdiente ehemalige Profis obendrein, vor die Tür zu setzen, mag man zu Recht als wenig stilvoll geißeln. Es zeigt freilich die Konsequenz, mit der der Rekordmeister die Aufarbeitung dieser Saison angehen wird.

Einige BVB-Auftritte geben Rätsel auf

Das wird man beim BVB allenfalls am Rande beobachten, die wichtigere Frage aus schwarzgelber Sicht lautet: Welche Lehren wird Borussia Dortmund aus diesem Scheitern ziehen? Ansetzen muss der Klub in der Hinrunde, verloren hat der BVB den möglichen Titel eher dort als in der Rückserie, auch wenn die Unentschieden in Stuttgart, in Bochum, auf Schalke und jetzt gegen Mainz allesamt vermeidbar waren und auch Auftritte wie die binnen weniger Tage in München und beim Pokal-Aus in Leipzig die Siegesserie zu Beginn des Jahres relativieren. In den Top-Spielen agierte Dortmund weit unter Niveau, bei den Remis’ zumindest in Bochum und Schalke stimmte die Leistung eigentlich. Solche Spiele passieren dennoch, wenn auch die Häufung Rätsel aufgibt. Niederlagen wie die aus der Hinrunde in Mönchengladbach und Wolfsburg, in Köln oder gegen Bremen hingegen sollten vor allem in der Art und Weise ihrer Entstehung einer Mannschaft mit hochqualifiziertem Personal wie Borussia Dortmund nicht unterlaufen.

In der Analyse wird der BVB auch einige wenig glückliche Situationen während der 90 Minuten gegen Mainz aufarbeiten müssen. Nach dem 1:1 in Köln ging Dortmund unverständlicherweise für einige Minuten vom Gas und schien sich so ins Ziel retten zu wollen. Das Zwischenresultat über die Lautsprecher durch Stadionsprecher Nobby Dickel laut kundzutun, war ein fataler Fehler. Warum vor allem aber schoss Sebastien Haller den Elfmeter nach VAR-Eingriff und nicht Emre Can? Der war zuletzt vom Punkt nervenstark und ohne Fehler geblieben - und hätte auch gern geschossen. Während der kompletten Woche hatte Edin Terzic gebetsmühlenartig betont, bei den bekannten Abläufen bleiben zu wollen. Ausgerechnet in dieser Situation aber wich der BVB von dieser Marschroute ab.

BVB-Trainer Terzic weint hemmungslos

Der Kater in Dortmund wird am Sonntag gewaltig, aber es wird kein süßer Kopfschmerz sein. Tage, Wochen wird es dauern, dieses dramatische Ende eines hochspannenden Bundesliga-Finalwochenendes zu verarbeiten. Man musste nur Marco Reus anschauen, um zu verstehen, wie tief der Schmerz in Schwarzgelb sitzt. Auch bei Terzic war das unübersehbar. Er weinte hemmungslos, als die Süd ihn frenetisch feierte. Er rang auch in der Pressekonferenz um Fassung und brachte dennoch mit großer Haltung das Pflichtprogramm mit den Medien hinter sich. Inklusive eines ehrlichen Dankeschöns für die Zusammenarbeit in der nun beendeten Saison.

Terzic steht, anders als Reus, erst ganz am Anfang seines Weges. Für den Dortmunder Trainer werden wahrscheinlich weitere Chancen kommen, er wird die Erfahrungen aus diesem Ende der Saison mitnehmen. Terzic und Sportdirektor Sebastian Kehl haben in dieser Spielzeit für den Aufbruch gestanden, sie sind nun aufgerufen, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen. Die Rückrunde hat gezeigt, wie weit man damit kommen kann.

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