Schlusspfiff in Augsburg, Borussia Dortmund hatte mit dem 3:0-Sieg gegen den FCA das gröbste Hindernis auf dem Weg zur neunten Deutschen Meisterschaft aus dem Weg geräumt. Der Kapitän der Borussia, Marco Reus, hatte nach seiner Einwechslung mit der Vorarbeit zum 3:0 noch dazu beigetragen, die Dinge am letzten Spieltag selber regeln zu können. In diesem Moment übermannten ihn die Emotionen. Reus sank auf die Knie, es folgte ein eher stiller, andächtiger Moment, ehe er mit den Fäusten auf den Boden trommelte und die großen Emotionen einfach herausschrie.
BVB-Pokalsieg im Zeichen von Corona
Reus und die Jagd nach Titeln, das war lange ein großes Thema in der Karriere dieses außergewöhnlichen Fußballers, der aufgrund vieler schwerer Verletzungen nicht nur viel zu wenige Spiele auf dem Konto hat. Bevor es 2017 endlich zum Griff an den DFB-Pokal reichte, war er zuvor in drei Endspielen teils dramatisch gescheitert. Auch das Champions-League-Finale ging nach seiner ersten BVB-Saison im Mai 2013 unglücklich verloren. Und als er dann in Berlin den goldenen DFB-Pokal in die Höhe reckte, war dies auch noch ein bittersüßer Triumph – mit der Gewissheit, wegen seines in der ersten Hälfte erlittenen Kreuzbandrisses vor einer nächsten monatelangen Pause zu stehen.
Vor zwei Jahren hat Marco Reus dann den DFB-Pokal ein zweites Mal gewonnen, ein Endspiel im Zeichen der Corona-Pandemie. Ohne Zuschauer und die großen Emotionen, die mit einem solchen Spiel normalerweise einhergehen. Doch nur selten kam Reus in die Nähe der Meisterschale. Nach dem Double-Sieg 2012 stieß Reus im Sommer zur Meistermannschaft, doch der Abstand zu den Bayern war in den Folgejahren bisweilen bizarr groß. Mit jeder weiteren verpassten Chance wuchs die Besorgnis, dass dieser Spieler einmal zum Kreis der „großen“ Spieler zählen könnte, die ihre Karriere ohne einen Meistertitel beenden müssen.
Die Zeit läuft gegen BVB-Kapitän Reus
2019 waren Dortmund und Reus so nahe dran wie in den sechs Jahren zuvor und auch in den drei danach nicht mehr. Wieder ging es nicht ohne Drama ab, in der entscheidenden Phase im Frühjahr, als der BVB seine sechs Punkte Vorsprung zur Winterpause verspielte, fehlte der Kapitän drei Wochen verletzt. Er war allerdings mit dabei, als Dortmund gegen Schalke auch wegen einer Roten Karte gegen sich 2:4 verlor – die einmalige Chance, das Titelrennen weiter offen zu halten. Er werde einige Wochen brauchen, gestand Reus am Ende jener Saison, „diese Enttäuschung zu verdauen.“
Die Zeit lief unerbittlich gegen den bald 34-Jährigen. „In den nächsten zwei, drei Jahren muss es klappen“, sagte Reus in jenem Sommer in einem Interview mit dem „Kicker“. Doch die Abstände zum Rekordmeister waren zwar nicht mehr ganz so krass, immer noch aber groß genug. Auf der Suche nach dem Königsweg zum Titel verschliss Dortmund Personal und Trainer – und verlor einiges von der eigenen Identität. Bei Reus wandelte sich der realistische Blick in eine Art Fatalismus.
Reus erlebt BVB-Saison mit Höhen und Tiefen
Es ist kurios, dass ausgerechnet in dieser von Höhen und Tiefen geprägten Saison nun der Weg frei vor Marco Reus und dem BVB liegt. Er musste auch in dieser Spielzeit eine längere Verletzungspause wegstecken, was nach unzähligen Ausfällen im Laufe der Jahre vor allem mental eine immer größer werdende Herausforderung darstellte. Auch weil Reus im Herbst über mehr als drei Monate wegen einer Sprunggelenksverletzung fehlte, stolperte der BVB durch die Hinrunde. Die nächste Chance auf die Schale schien schon zur WM-Pause verpufft zu sein.

Nun aber ist nur noch ein Schritt zu gehen, einmal 90 Minuten sind es nur noch. Reus‘ Stellenwert für den BVB ist weiterhin hoch, doch seine Rolle hat sich in den vergangenen Wochen verändert. Der Kapitän kommt fast nur noch von der Bank, Reus leidet und fiebert dort vielleicht sogar noch mehr mit als als Spieler auf dem Feld. Und selbst wenn es am Samstag gegen Mainz 05 nicht zu einem Einsatz langen sollte, wird Reus als Kapitän die Schale in Empfang nehmen dürfen.
Die Sehnsucht ist geblieben. Reus hat viele Endspiele absolviert, viel Drama erlebt, oft am Ende mit einem negativen Ausgang. Gegen Mainz 05 wartet daher nun das vielleicht wichtigste Spiel seiner Karriere auf den 33-Jährigen. Die womöglich letzte Chance für Marco Reus, sie liegt auf dem Silbertablett bereit.
BVB-Boss Watzke würde Meistertitel für Reus freuen: „Damit er einen Meilenstein setzen kann“
BVB-Kapitän Reus nur noch Ersatzspieler: Alles für den Titel - aber was ist nächstes Jahr?
Im Video: Alle Infos zum BVB-Meisterkorso: Zeitpunkt, Startpunkt, Strecke