Für den Beliebtheitsgrad der Spieler ist das Verlesen der Aufstellung kurz vor dem Anpfiff im Signal Iduna Park immer ein guter Seismograph. Besonders dabei ist auch noch die Stellung des Kapitäns, für die Fans immer noch der Repräsentant der Mannschaft nach außen hin. Marco Reus war als gebürtiger Dortmunder immer auch „einer von ihnen“, dazu schoss er viele Tore. Klangvolle Namen in der BVB-Historie haben die Binde getragen. Wie Sebastian Kehl oder Michael Zorc, die in ihrer Prime Time eine Ära prägten.
BVB: 2026 laufen sechs Verträge aus
Emre Can, Borussia Dortmunds aktueller Kapitän, hatte von Anfang an mit Vorbehalten zu kämpfen. Doch wer in den vergangenen Wochen genau hingehört hat im Stadion, der konnte feststellen, dass auch sein Name mit deutlich mehr Innbrunst und Lautstärke gerufen wird als noch im Herbst. Mit beständig guten Leistungen hat der 31-Jährige selbst dafür gesorgt. In einer schwierigen BVB-Saison ist Emre Can zuletzt neben Nico Schlotterbeck und dem immer treffsicheren Torjäger Serhou Guirassy eine verlässliche Konstante gewesen.
Dennoch steht für Can ein Sommer im Ungewissen vor der Tür. Das Groß-Reinemachen im Kader wird erwartet, unabhängig davon, ob die Mannschaft noch die Kurve bekommt und eine äußerst bescheidene Bundesliga-Saison noch mit der Qualifikation fürs internationale Geschäft retten kann.
Bei gleich sechs Spielern des aktuellen Kaders enden die Verträge im Sommer 2026, darunter auch der von Emre Can. Mit seinen 31 Jahren hat der gebürtige Frankfurter aktuell noch einen Marktwert im oberen einstelligen Millionenbereich. Generell gilt, dass auch der BVB bestrebt ist, solche Spieler nicht nach Auslaufen ihrer Arbeitspapiere ablösefrei zu verlieren.
Can im BVB-Mittelfeld zu fehlerbehaftet
Can zählt nach seiner Vertragsverlängerung vor nunmehr 20 Monaten auch weiterhin zu den Besserverdienern im Kader. Im Juli 2023 schien sein Abschied aus Dortmund eigentlich beschlossene Sache, weil der BVB mit Edson Alvarez kurz vor einer Einigung über einen Wechsel stand. Die Verhandlungen zogen sich, weil intern über diesen Transfer keine Einigkeit bestand. Alvarez landete am Ende bei West Ham, Can blieb – und verlängerte. Der BVB machte ihn dann sogar zum Nachfolger von Marco Reus.

Dass Sportdirektor Sebastian Kehl in diesem Sommer einen ähnlichen Weg gehen könnte, war vor Monaten eigentlich undenkbar. Im defensiven Mittelfeld war Cans Spiel zu fehlerbehaftet, die Kapitänsbinde drückte schwer auf seinen Oberarm. Sein Notenschnitt in sechs Partien im defensiven Mittelfeld: 4,16.
Neuer Hierarchie in der BVB-Abwehr
Die Wende kam, als der damalige Trainer Nuri Sahin aus der Verletzungs-Not eine Tugend machte. Niklas Süle und Waldemar Anton fielen vor dem Heimspiel gegen RB Leipzig verletzt aus, der neue Partner in der Innenverteidigung an der Seite von Nico Schlotterbeck hieß: Emre Can.
Für Can war dies keine ungewohnte Position. Und dennoch ahnte nach dem 2:1 niemand, dass die Notbesetzung in den folgenden Monaten zur Stammformation werden – und sich die Hierarchie in der Abwehr deutlich verändern würde.
BVB-Verhandlungen im Sommer
Die Zahlen sprechen für sich. 15 Spiele als Innenverteidiger, Cans Notenschnitt: 3,16. Eine signifikante Steigerung. Auch unter dem neuen Trainer Niko Kovac ist Can eine konstante Größe. Als Kovac kürzlich zur unbefriedigenden Situation von Niklas Süle befragt wurde, entstand daraus eine Lobeshymne auf Emre Can. Weil Can so gut spiele, dass ihm (Kovac) keine andere Wahl bleibe. Nach dem 3:1 gegen Mainz durfte der Dortmunder Trainer seinen Kapitän erneut loben. „Wie er Bälle abläuft, wie er durchdeckt, wie er auch die Abwehr organisiert“, das sei sehr stark, meinte Kovac. „Wenn er das weiter so durchzieht, bin ich zufrieden.“
Dennoch stellt sich im Sommer die Frage, ob und wie es weitergeht. Das hat mit Cans Alter zu tun, der nächste Vertrag dürfte sein letzter werden. Eine Verlängerung wäre aus Spielersicht wohl nur für mindestens zwei weitere Jahre denkbar, 2028 wäre Can aber schon 34 Jahre alt. Das hat auch mit der Dotierung eines neuen Arbeitspapiers zu tun. Mit geschätzt acht Millionen Euro Jahressalär liegt Can im oberen Drittel des Gehaltsgefüges. Wäre er zu Abstrichen oder einer stärkeren Gewichtung der Leistungskomponente bereit?
BVB-Kapitän Can fühlt sich wohl
Und das hat letztlich auch mit der Gesamtkonstellation in der Defensive zu tun. Mit Schlotterbeck plant Borussia Dortmund die Zukunft, Anton ist in seiner ersten Saison, Süle der Top-Verdiener der Mannschaft. Süle könnte das Zünglein an der Waage spielen. Dass er bei einem anderen Klub ähnlich gut verdienen könnte, ist ausgeschlossen, seine Wechselbereitschaft dürfte daher wenig ausgeprägt sein. Ob sich der BVB allerdings auch weiter vier Innenverteidiger mit gut dotierten Verträgen leisten möchte, ist ebenso offen. Auf kaum einer anderen Position ist so viel Budget gebunden.

Er fühle sich sehr wohl, hat Emre Can kürzlich erklärt. Das gelte für seine aktuelle Rolle, das gelte insgesamt für den Standort Dortmund. Der 31-Jährige ist seit fünf Jahren im Klub, damit zählt er neben Julian Brandt und Giovanni Reyna zu den dienstältesten Kaderspielern. Jeder weitere stabil guter Auftritt erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Can-Jahre beim BVB folgen werden.
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