Natürlich war in den Gesichtern von Pascal Groß, Serhou Guirassy und Co. die Enttäuschung deutlich zu erkennen, als sie nach dem ersten tiefen Durchatmen und dem Abklatschen mit den Verlierern des Abends, die aber durch das 0:4 im Hinspiel trotzdem im Champions-League-Halbfinale stehen, gemeinsam in Richtung Südtribüne gingen. Doch je mehr sie sich näherten und um so lauter der Applaus und die Gesänge von den Rängen wurden, desto mehr stellte sich ein Gefühl von Stolz und Zufriedenheit ein.
BVB verpasst die Sensation
Das große Fußball-Wunder hatte Borussia Dortmund verpasst, doch der Signal Iduna Park erlebte beim 3:1-Erfolg (1:0) gegen den FC Barcelona einen magischen Abend, der an die ganz großen BVB-Zeiten erinnerte. „Ich habe noch nicht so viele Spiele für Borussia Dortmund gemacht, in denen wir so füreinander eingestanden sind, wir so gekämpft haben“, sagte später Niklas Süle mit jeder Menge Stolz in der Stimme. „Von der ersten Minute an hat jeder im Stadion gemerkt, dass alle wir daran glauben.“
Und der Glaube wurde schnell noch größer, als der BVB einen fulminanten Start hinlegte, der im 1:0 vom Punkt durch Guirassy seinen Höhepunkt fand (11.). Dortmund spielte mutig, teils sogar frech, verteidigte konsequent und mit unheimlich viel Leidenschaft. Nicht nur Sportdirektor Sebastian Kehl bekam früh das Gefühl, „hier kann heute noch etwas ganz, ganz Großes entstehen.“
Es blieb aus Dortmunder Sicht leider nur ein Gefühl und wurde keine Wirklichkeit, weil der BVB bei aller Dominanz es verpasste, schon in der ersten Halbzeit zu erhöhen und nachdem Guirassy mit seinem zweiten Streich gerade für das 2:0 gesorgt hatte (49.), Ramy Bensebaini ins eigene anstatt ins gegnerische Tor traf (54.).

„Heute haben wir das beste Spiel gemacht, seitdem ich hier bin“, bilanzierte Niko Kovac. Damit hatte er noch untertrieben. Vermutlich war es sogar das beste Spiel der vergangenen zwölf Monate. „Was die Jungs heute abgerissen haben in Zusammenarbeit mit unseren Fans, war sensationell.“ Hohe Ballgewinne, schnelles Umschalten und spielerische Finesse. Die Schwarzgelben zeigten all das, was sie in dieser Saison so regelmäßg komplett vermissen ließen.
BVB-Profi Süle ratlos
Die Entstehung zum 3:1 war das bestes Beispiel dafür: Der eingewechselte Julien Duranville eroberte auf der rechten Seite den Ball, ließ zwei Gegenspieler stehen, flankte scharf in die Mitte, wo Guirassy (Hattrick!) die Klärungsaktion von Ronald Araujo verwertete (76.). Es knisterte nach kurzer Ungläubigkeit plötzlich wieder im Signal Iduna. „Ich habe so ein bisschen das Gefühl gehabt, dass so etwas kommt heute“, gab Barcas Trainer Hansi Flick, der mit der Leistung seiner Mannschaft absolut nicht zufrieden sein konnte, zu. „Weil ich das Stadion gut kenne, die Fans natürlich, sie sind sehr unterstützend für die Mannschaft.“
Das Stadion war da, 14 Minuten noch auf der Uhr, zwei Tore brauchte der BVB. Barcelona wackelte gewaltig. „Ich glaube, dass sie zwischendurch weiche Beine hatten – so hat es sich angefühlt“, beschrieb Kehl die entscheidenden Minuten. Kurz schlotterten die Knie der Spanier noch heftiger, doch das 4:1 von Julian Brandt wurde aufgrund einer Abseitsstellung zurückgepfiffen (79.). Wer weiß, was dann noch passiert wäre – doch das Wunder blieb aus.
„Ich bin mega stolz auf die Mannschaft. Es ist die Frage, wieso wir nicht auch in der Bundesliga so spielen“, sagte Süle am Mikrofon und schob direkt hinterher. „Ich kann sie aber nicht beantworten.“ Vielleicht liefert dieser besondere Champions-League-Abend – dem vielleicht letzten für lange Zeit – zumindest einen Hinweis darauf. Die Auflösung gibt es dann am Sonntag.