Nils Petersen vor Spiel gegen den BVB: Das ist „meine größte Motivation“

© imago / Pressefoto Baumann

Nils Petersen vor Spiel gegen den BVB: Das ist „meine größte Motivation“

rnExklusiv-Interview

Nils Petersen ist der beste Joker der Bundesliga. Im Exklusiv-Interview vor dem Spiel gegen den BVB erklärt der Freiburger, warum er so stark von der Bank ist – und was ihn am meisten motiviert.

Dortmund / Freiburg

, 05.02.2021, 06:00 Uhr / Lesedauer: 11 min

Nils Petersen hat eine Marke aufgestellt, die so schnell wahrscheinlich nicht geknackt werden wird. Er ist der treffsicherste Stürmer nach Einwechslungen in der Geschichte der Bundesliga. 29 Tore erzielte der Joker, nachdem er vorher auf der Bank gesessen hatte.

Glücklich ist er über seine Position als Ersatzkraft nicht immer - dafür über den Ausgang der US-Wahl. Im Exklusiv-Interview mit den Ruhr Nachrichten sprach Nils Petersen vor dem Spiel der Freiburger gegen Borussia Dortmund (Samstag 15.30 Uhr, live bei Sky) über Politik, Typen im Fußball, seine vielen zweiten Plätze und seinen Trainer Christian Streich, der für ihn auch mal den Stadtführer gibt.


Herr Petersen, Sie haben in einem Interview mal gesagt, alle Leute würden sich mit Ihnen immer nur über Fußball unterhalten wollen. Wir können es ja mal anders machen: Worüber würden Sie gerne sprechen?

Gerne auch über Ihren Job zum Beispiel. Ich finde es spannend, aus der Fußball-Blase herauszugehen. Ich bin froh, dass in meinem Umfeld jeder etwas anderes macht. Ich schaue gerne bei meiner Freundin auf der Arbeit vorbei, weil es dieses eigentlich normale, aber für mich andere Leben ist, in das ich dann hereinblicken kann. Ich liebe den Fußball und kenne mich im Fußball am besten aus, umso schöner ist es auch mal, über andere Themen zu sprechen.

Umfrage

Wie endet der BVB-Auftritt beim SC Freiburg?

2302 abgegebene Stimmen

Es klang damals ein wenig so, als würden Sie andere Menschen um ein normales Leben beneiden. Ist das so?

Ich glaube, wenn ich ja sagen würde, könnte das keiner verstehen. Ich habe den schönsten Job – in meinem Leben. Ich liebe es, Menschen mit dem Fußball glücklich machen zu können. Ich möchte auch keinen anderen Beruf haben. Aber der Fußball nimmt einen sehr hohen Stellenwert in der Gesellschaft ein, in meinen Augen manchmal einen zu hohen. Manche Gesprächspartner geben mir das Gefühl, ich wäre auf einer anderen Ebene als sie und das ist ja Blödsinn.


Wie meinen Sie das genau?

Die Leute haben das Gefühl, da ist jemand, der ist etwas, der hat einen besonderen Status, nur weil ich Fußball spiele. In der Hierarchie eines Gesprächs werde ich häufig woanders angesetzt, als es eigentlich sein müsste. Wenn ich mit Leuten wie Ihnen kommuniziere, bin ich meist derjenige, der irgendwann fragt: Wollen wir nicht du sagen? Nur weil mich viele Menschen kennen, bin ich ja nichts Besseres.

Nils Petersen ist der treffsicherste Spieler nach Einwechslung der Bundesliga-Geschichte. 29 Tore hat der Stürmer erzielt, nachdem er vorher auf der Bank saß. Seit Anfang 2015 trägt er das Trikot des SC Freiburg.

Nils Petersen ist der treffsicherste Spieler nach Einwechslung der Bundesliga-Geschichte. 29 Tore hat der Stürmer erzielt, nachdem er vorher auf der Bank saß. Seit Anfang 2015 trägt er das Trikot des SC Freiburg. © picture alliance / dpa


Wir können auch Du sagen.

Ja, gerne (lacht).


Was bewegt Dich denn außerhalb des Fußballs?

Man muss nur in die Tageszeitung schauen, um Themen zu finden, über die es sich zu sprechen lohnt und die weitaus größer sind als der Fußball. Ich habe nicht immer Zeit dafür, weil Fußball normalerweise einen großen Raum einnimmt. Aber während Corona sind die Interviews weniger geworden. Besprechungen und Kabinenaufenthalte sind kürzer geworden. Wir haben zum Glück einen Trainer, der uns auf das hinweist, was gerade so in der Welt passiert. Ich glaube nicht, dass die Leute das Interesse am Fußball verlieren werden, aber aktuell sind Politiker wahrscheinlich populärer als Fußballer, und das war eine Zeit lang nicht so.

Jetzt lesen

Findest Du, dass das eine positive Entwicklung ist?

Politiker haben mehr Einfluss auf die Gesellschaft und auf das, was in dieser Welt passiert. Eigentlich müssten sie deshalb auch berühmter sein, aber normalerweise sind sie es nicht. Politiker stehen aktuell so im Vordergrund wie noch nie. Ich bin ehrlich, ich weiß nicht, ob ich den Gesundheitsminister vor Jens Spahn gekannt hätte oder wer vorher Spitzenkandidat bei der CDU war. In diesem Jahr bekomme ich viel mehr mit. Es ist auch schön für uns Fußballer, auch mal ins zweite Glied zu rücken. Momentan bekommen ja eher die Politiker Kicker-Noten als wir.


Sollten Fußballer häufiger ihre Meinung zu politischen Themen sagen?

Die Leute interessieren sich natürlich hauptsächlich für die Leistung eines Fußballers. Unsere Meinung zu politischen Themen ist nicht so gefragt, weil wir in der Hinsicht natürlich auch weniger Wissen haben. Ich versuche auch viel zu lesen, um mitsprechen zu können, aber bei manchen Themen vertraue ich doch eher auf die Meinung von Menschen, die sich mit Politik besser auskennen. Ich habe das Gefühl, es gibt viele wissbegierige Menschen, die mehr zu erzählen haben als ich. Man sollte sich natürlich seine eigene Meinung bilden, aber wenn mein Trainer Christian Streich mir sagt, was er über ein Thema denkt, nehme ich das gerne auf, weil ich sein Weltbild mag.

Nils Petersen vor Spiel gegen den BVB: Das ist „meine größte Motivation“

© Deltatre


Welche politischen Themen bewegen Dich gerade?

Die amerikanische Präsidentschaftswahl war natürlich wahnsinnig interessant. Ich habe mit sehr viel Wohlwollen aufgenommen, dass Joe Biden Präsident geworden ist. Das führt auch bei mir dazu, dass ich positiver in die Zukunft schaue. Natürlich verfolge ich auch die Corona-Debatte. Demnächst kommen dann die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und die Bundestagswahlen. Mittlerweile weiß ich auch, wie wichtig es ist, wer da auf dem „Thron“ sitzt. Früher habe ich mich damit weniger auseinandergesetzt.


Du hast Christian Streich gerade schon angesprochen. Er äußert sich häufig zu politischen Themen.

Ja, er ist sehr wissbegierig und belesen. Er hat Deutsch und Geschichte studiert und kennt sich deshalb gut mit geschichtlichen Themen aus. Er mahnt auch in der Mannschaft politische Entwicklungen an, um bei uns Spielern zu erreichen, dass wir uns darüber ebenfalls Gedanken machen. Wir haben als Fußballer eine gewisse Reichweite und sollten uns deshalb auch mit einigen Themen auseinandersetzen. Wir diskutieren dann auch, ob Christian Streich recht damit hat, oder ob wir es anders sehen. Es ist wahnsinnig interessant, ihm zuzuhören und auch mal über den Tellerrand hinauszublicken. Wir haben dann beispielsweise mit türkischen Spielern auch über Erdogan gesprochen.


Wie muss man sich das vorstellen, wenn Christian Streich mit Euch darüber spricht. Baut er dann eine Tafel in der Kabine auf?

Nein, gar nicht. Das sind ganz entspannte Gespräche auf dem Flur oder im Fitnessbereich, in denen er uns auch nach unserer Meinung fragt. Bei einem Spaziergang durch Augsburg hat er mir von der Familie der Fugger erzählt. Er mag es, uns Dinge mit auf den Weg zu geben, die früher passiert sind. Das ist cool.


Welchen Anteil hatte Christian Streich an Deinem Verbleib in Freiburg, als der Verein in die zweite Liga abgestiegen ist?

Den größten Anteil. Er hat eine unfassbar positive Art zu kommunizieren, ist aber gleichzeitig keiner, der einem Honig um den Mund schmiert, der sagt, du bist der Größte, du bist der Beste. Er ist ehrlich, und das schätze ich am meisten an ihm. Es wird natürlich etwas erwartet, du bekommst hier aber auch die Zeit, dich zu entwickeln. Dieses Vertrauen in der Mannschaft und dieses Wissen, das man ihm vertrauen sollte, hat er sich über Jahre erarbeitet.

Verstehen sich gut: Christian Streich und Nils Petersen.

Verstehen sich gut: Christian Streich und Nils Petersen. © picture alliance / Patrick Seeger/dpa

Aufgrund seines Auftretens würden viele BVB-Fans Deinen Trainer wohl auch gerne in Dortmund sehen. Hast Du Angst, dass er irgendwann mal einen Herzinfarkt am Spielfeldrand bekommt?

Ganz ehrlich, manchmal (lacht). Ich denke jetzt nicht während des Spiels daran, aber natürlich gibt es Momente, in denen ich denke: Ist das gesund, so emotional, wie er das seit Jahren lebt? (lacht). Aber wenn diese Emotionen nicht mehr da sind, ist er auch nicht mehr der Trainer, der er ist. Wir brauchen von außen diesen Input, so sehr er uns auch manchmal nervt. Es würde uns fehlen, wenn es den nicht mehr gäbe.


Christian Streich hat kürzlich von einem Freundschaftsspiel erzählt. Du hast noch Autogramme geschrieben, während die ganze Mannschaft schon im Bus gewartet hat. Dein Trainer war froh, dass er in Ruhe seine Brötchen essen konnte. Was sagen Deine Teamkollegen dazu?

Es gibt natürlich Spieler, die mehr nach Autogrammen gefragt werden als andere. Als junger Spieler war es für mich immer ein Anreiz, muss ich ehrlich sagen. Es war echt cool, das erste Autogramm zu geben und später das erste Mal zu einer Autogrammstunde zu gehen. Dass Leute für dich anstehen, ist ja eine Ehre. Deshalb lehne ich bis heute keinen Autogrammwunsch ab. Wer extra wartet, soll auch belohnt werden, wenn es geht. Das gehört sich so. Wenn Kinder anstehen und ein Autogramm haben wollen, kann ich schlecht Nein sagen. Ich war ja selbst mal klein, habe in Braunschweig oder in Magdeburg Stars beobachtet und hätte liebend gerne ein Autogramm gehabt.


Von wem wolltest Du damals ein Autogramm haben?

Ich hatte nicht das eine Idol. Alle Spieler waren für mich besonders. Ich war einfach Fußballfan. Ich hatte Trikots von Spielern wie Gary Lineker, aber die waren viel zu weit weg, um von denen ein Autogramm zu bekommen. Als ich früher auf der Autobahn den Bus von Sankt Pauli gesehen habe, einen Bundesligabus, das war für mich eine andere Welt. Was hätte ich damals dafür gegeben, einen Spieler sehen zu dürfen.

Jetzt lesen

Jetzt bist du schon länger selbst einer. Christian Streich hat gesagt, Du seist einer der besten Abschlussspieler im deutschen Fußball, mit großartiger Technik, mit dem rechten, dem linken Fuß und mit dem Kopf. Trotzdem kommst Du häufig von der Bank. Bist Du manchmal unzufrieden über den Platz dort?

Diese Lobeshymnen sind ja manchmal auch ein bisschen peinlich, aber über dieses Kompliment habe ich mich wirklich gefreut, auch wenn ich da demütig bin und so etwas nie über mich selbst sagen würde. Natürlich spiele ich lieber von Beginn an und bin auch mal unzufrieden, wenn ich Joker bin. Wir haben aber so einen guten Draht zueinander, dass ich ihm vertraue, dass es keine Entscheidung gegen mich ist, sondern eine für die Mannschaft. So gut ich im Sechzehner bin, habe ich auch Defizite außerhalb des Sechzehners. Das weiß ich. Wir sind eine Mannschaft, die sehr von der Kompaktheit und der defensiven Arbeit gegen den Ball lebt. Da gibt es einfach Spieler, die auf diesem Gebiet besser sind. Das muss ich auch zugeben.

Nils Petersen vor Spiel gegen den BVB: Das ist „meine größte Motivation“

© Deltatre

Dieser Platz auf der Bank hat ja auch dazu geführt, dass du einen Titel hast, der dir so schnell erst mal nicht streitig gemacht wird: der beste Joker der Bundesliga-Geschichte. Kannst Du Dir erklären, warum Du so gut funktionierst, wenn du ins Spiel kommst?

Nicht wirklich. Ich denke ja, alles was ich mache, ist normal. Ich bin ja ein Profi, mache mich professionell warm und beobachte das Spiel professionell. Ich versuche Schwachpunkte zu erkennen. Wo hat der Gegner Lücken? Wo kann ich mich positionieren, wenn ich reinkomme? Wer hat vielleicht keine gute Tagesform? Es ist sicherlich auch ein bisschen Glück, dass ich in so einem Joker-Flow drin bin. Es ist aber auch mit Druck verbunden, wenn ich denke, die Leute erwarten nach meiner Einwechslung ein Tor von mir.


Aber es hilft dir schon, das Spiel in Ruhe von außen anschauen zu können?

Ja, das ist auch ein Vorteil. Du kommst rein, bist relativ erholt, triffst auf eine müde Mannschaft, die nach 70 Minuten vielleicht schon platt ist. Wenn wir führen, kannst du Konter fahren, wenn du zurückliegst, spielt automatisch Deine Mannschaft nach vorne.


Dein wahrscheinlich schönstes Tor, das Tor des Jahres 2018, hast Du aber geschossen, als Du von Beginn an auf dem Platz standest und aus 40 Metern gegen den BVB getroffen hast. Wie oft hast Du Dir das Tor angeschaut - und schaust Du es Dir auch noch mal vor dem Spiel am Samstag an?

Ich wäre jetzt wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen. Aber ich bin ehrlich, ich habe es mir bestimmt schon 50 Mal angesehen, gerade weil ich meine Tore doch eher im Sechzehner mache, war es etwas Besonderes. Das bleibt für mich für immer in Erinnerung, weil es eine absolute Rarität war. Am liebsten würde ich es aus allen Perspektiven sehen. Da kam so viel zusammen, dass es dann auch noch Tor des Jahres wurde, dass ich auch mal einen Punkt geholt habe bei meiner schlechten Ausbeute gegen Dortmund.

Du hast an diesem Tag doppelt getroffen. Die Schwarzgelben sollen einige Monate später an Dich herangetreten sein, hieß es. Gab es Gespräche mit Dortmund?

Nein, ich hatte bis heute kein einziges Gespräch mit Dortmund oder einem Verantwortlichen des BVB. Bis heute ist zu mir nichts vorgedrungen. Ein Telefonat, dass irgendwie in diese Richtung gegangen wäre, hatte ich bis heute nicht.


Wärst Du ins Grübeln gekommen, wenn jemand angefragt hätte?

Das ist natürlich sehr hypothetisch, weil ich früher auch gesagt hätte, ich würde nie nach Freiburg gehen und dann hat ein Telefonat alles verändert. Wenn ein Verantwortlicher vom BVB anrufen würde, würde ich aus Respekt ein vernünftiges Gespräch führen. Ins Grübeln würde man dann vielleicht schon mal kommen, wenn ein großer Verein anruft. Zum Glück ist es nicht so gekommen (lacht).


Der SC Freiburg bringt immer wieder junge Talente hervor und entwickelt Spieler weiter, die dann von anderen Vereinen gekauft werden. Auch der BVB hat sich schon beim SC bedient. Sind die Verhältnisse in der Bundesliga zu ungleich für einen fairen Wettbewerb?

Nein, das würde ich nicht sagen. Klar, der Fan würde sich am liebsten wünschen, dass am Ende jeder Verein 40 Punkte hat und es ein Hauen und Stechen um die ersten und letzten Plätze gibt. Aber Vereine wie Dortmund und Bayern haben sich über Jahrzehnte erarbeitet, so erfolgreich zu sein. Wir sind halt der Ausbildungsverein. Dass Spieler aus unserer Jugendabteilung jetzt Nationalspieler sind, ist großartig. Natürlich würden wir auch gerne mal Champions League spielen oder Meister werden. Aber unsere Meisterschaft ist der Kampf um den siebten Platz oder mal im Pokal weit zu kommen. Und das ist auch okay für uns. Wir lieben diese Rolle und nehmen sie gerne ein. Ich bin da auch nicht neidisch. Dortmund hat viel, viel mehr Geld als wir, steht aktuell aber auch nur fünf Punkte vor uns. Das ist jetzt auch nicht die Welt. Da sind wir dann eher stolz auf uns.


Motiviert Dich das besonders, dass ihr mit einem Sieg gegen Dortmund auf zwei Punkte heranrücken könntet?

Ich glaube, Christian Streichs und meine größte Motivation ist es, überhaupt mal gegen Dortmund zu gewinnen. Bei unserer Bilanz werden wir einen Teufel tun, jetzt einen Sieg zu fordern. Es wäre aber mal an der Zeit, gegen Dortmund zu gewinnen, solange wir noch aktiv im Bundesligageschehen drin sind. Wir waren einmal nah dran, bis Toljan in dem Spiel, über das wir gerade schon gesprochen haben, in der Nachspielzeit den Ausgleich schoss. In der Tabelle schaue ich immer eher nach unten als nach oben.

Nils Petersen traf am 20. Spieltag der Saison 2017/18 aus 40 Metern ins Dortmunder Tor zum zwischenzeitlichen 1:2. Der BVB glich in der Nachspielzeit noch aus. Petersens Tor wurde später zum Tor des Jahres gewählt.

Nils Petersen traf am 20. Spieltag der Saison 2017/18 aus 40 Metern ins Dortmunder Tor zum zwischenzeitlichen 1:2. Der BVB glich in der Nachspielzeit noch aus. Petersens Tor wurde später zum Tor des Jahres gewählt. © picture alliance / Guido Kirchner/dpa


Was erwartest Du für ein Spiel gegen den BVB?

Dortmund fühlt sich eigentlich immer ganz wohl in Freiburg, aber wir sind momentan – bis auf das Spiel in Wolfsburg – gut drauf. Es ist schwierig, uns zu schlagen. Wir sind sehr effektiv und bei Standards sehr gefährlich. Da sehe ich natürlich auch Potenzial gegen Dortmund. Aber sie wissen auch, dass sie da auf der Hut sein müssen. Ich kann das Spiel gar nicht einordnen. Natürlich geht Dortmund als Favorit ins Spiel, sie kommen aber sicherlich auch mit viel Respekt zu uns.


Hast Du das Pokalspiel des BVB gegen Paderborn gesehen?

Ja, ein typisches Pokalspiel. Ich bin zu oft auch schon gegen Zweitligisten gescheitert, als dass ich jetzt sagen könnte, was haben sie sich da geleistet? Das Spiel hat gar keine Bedeutung für unser Spiel. Am Ende sind sie weitergekommen – nicht so wie Bayern. In diesem Jahr ist deshalb vieles möglich. Bayern und Leverkusen sind raus. Dortmund, Leipzig und Gladbach sind sicherlich heiß darauf, es in diesem Jahr zu packen.


Hast Du in dem Spiel denn etwas gesehen, was der SC vielleicht auch gegen den BVB für sich nutzen könnte?

Nicht wirklich. Es haben Spieler wie Lukasz Piszczek gespielt, die am Samstag wahrscheinlich nicht beginnen werden. Jadon Sancho musste verletzt raus. Ich sehe die Paderborner gerne, aber wir spielen anders, deshalb kann man das Spiel nicht wirklich werten. Ich habe Dortmund zu oft gesehen, als dass ich das Spiel als Maßstab nehmen müsste.

Bei Energie Cottbus machte Nils Petersen in der zweiten Liga auf sich aufmerksam. 2011 klopften die Bayern an und verpflichteten den damals 22-Jährigen.

Bei Energie Cottbus machte Nils Petersen in der zweiten Liga auf sich aufmerksam. 2011 klopften die Bayern an und verpflichteten den damals 22-Jährigen. © picture alliance / dpa

Du hast dann wahrscheinlich auch das Interview von Steffen Baumgart gesehen. Kannst Du nachvollziehen, dass er so emotional geworden ist?

Wenn man so nah an einer Überraschung ist, deine Jungs fighten für dich, machen noch das 2:2 und du kommst in die Verlängerung, dann muss man seinen Emotionen auch mal freien Lauf lassen können. Die Leute wollen doch hören, dass mal jemand einen rauslässt. Da darf ein Schiri dann auch mal drüberstehen. Emotionen gehören dazu. Das ist schon passiert, einem Christian Streich auch und einem Jürgen Klopp passiert das ständig. Das sind Interviews, an die man sich später mal erinnert. Es ist heute schwierig, einen rauszuhauen. Wenn ich jetzt sage: Samstag kloppen wir den BVB weg…


Ist als Schlagzeile schon notiert.

Ja genau (lacht), das würde durch die sozialen Medien ja wahnsinnig schnell verbreitet. Heute kann jeder die Spieler und Trainer dafür kritisieren oder feiern. Ich mag Leute wie Sandro Wagner oder Steffen Baumgart, die ihren Emotionen freien Lauf lassen, die auch mal sagen, was ihnen auf der Zunge brennt. Es gibt natürlich Dinge, die ich nicht sage, die ich in dem Moment am liebsten rausbrüllen würde. Es wird heute einfach alles und jeder bewertet. Da muss man aufpassen.

Im Sommer 2011 wechselte Nils Petersen von Energie Cottbus zu Bayern München. Mit dem FCB stand der Stürmer im Champions-League-Finale, wurde dann ein Jahr nach Bremen ausgeliehen und wechselte danach an die Weser.

Im Sommer 2011 wechselte Nils Petersen von Energie Cottbus zu Bayern München. Mit dem FCB stand der Stürmer im Champions-League-Finale, wurde dann ein Jahr nach Bremen ausgeliehen und wechselte danach an die Weser. © picture alliance / dpa

Apropos Bewertung. Als Du bei Bayern München gespielt hast, bist Du in allen Wettbewerben, auch wegen des BVB, Zweiter geworden. Auch bei den Olympischen Spielen in Rio hast Du die Silbermedaille geholt. Der Zweite Platz erhält häufig nur wenig Wertschätzung. In der Wahrnehmung ist man der erste Verlierer. Glaubst Du, das ist eine Sache des Sports, der Journalisten oder der Gesellschaft? Und wie siehst Du das?

Ich glaube, wie man das selbst sieht, ist das Wichtigste. Ich habe damals mit Stolz meine Silbermedaille nach dem Champions-League-Finale umgehängt - so traurig dieser Moment auch war. Aber ich durfte da sein. Natürlich tat das weh, in drei Wettbewerben Zweiter zu werden, aber zu Hause hängen trotzdem drei Silbermedaillen, die jeder gerne mal gewonnen hätte. Deshalb sehe ich mich gar nicht als ersten Verlierer, sondern denke mir eher: Krass, was ich mal erleben durfte. So sehr ich mich über meinen Fehlschuss in Rio ärgere oder das Tor in der 90. Minute von Drogba im Champions-League-Finale - ich bin mit mir im Reinen. Das ist alles weit über dem, was ich erwartet habe.


Mats Hummels kann sich vorstellen für Deutschland bei Olympia aufzulaufen. Wenn Du ihm Olympia noch schmackhaft machen müsstest, was würdest Du ihm erzählen?

Es war schon besonders. Ich hatte keine Ahnung, worauf ich mich einlasse. Wir hatten zwei Tage Training, und dann ging es schon nach Brasilien. Die Wochen, die ich dort erleben durfte, gehören zu den schönsten in meinem Leben. Ich glaube, das Wichtigste bei Olympia ist, eine Medaille mitzunehmen. Der Fehlschuss tut mir bis heute noch weh und leid, aber es war eine unfassbare Erfahrung. Ich bin mit so viel Wehmut von Frankfurt nach Hause gefahren. Dieses Erlebnis bleibt für immer.

Im Finale der Olympischen Spiele verschoss Nils Petersen seinen Elfmeter. Neymar traf danach für Brasilien und sicherte die Goldmedaille für das Gastgeberland.

Im Finale der Olympischen Spiele verschoss Nils Petersen seinen Elfmeter. Neymar traf danach für Brasilien und sicherte die Goldmedaille für das Gastgeberland. © picture alliance / dpa

Dein Vertrag in Freiburg läuft im Sommer aus. Gehst Du davon aus, dass Du im kommenden Jahr auch noch für den Sportclub spielst?

Definitiv. Ich gehe zu 100 Prozent davon aus, dass ich in der kommenden Saison auch bei Freiburg spiele - das kann ich ruhig so sagen.


Du bist im Dezember 32 Jahre alt geworden. Wie lange willst Du noch spielen - und was kommt nach Deiner aktiven Zeit?

Wir haben einen ehrlichen, offenen Austausch. Sobald mir Christian Streich oder Jochen Saier signalisieren, dass es sportlich nicht mehr reicht, bin ich der Letzte, der sagen würde, ihr habt doch keine Ahnung. Ich kann das realistisch einschätzen. Solange ich der Mannschaft helfen kann, will ich auf dem Platz stehen. Noch habe ich das Niveau. Was danach kommt, steht noch in den Sternen.