Um 9.30 Uhr, also eine halbe Stunde vor dem offiziellen Verkaufsstart des neuen Sondertrikots, erreicht die Schlange vor der BVB-Fanwelt die Strobelallee. Hunderte Fans von Borussia Dortmund haben sich angestellt, um das begehrte Stück Stoff zu ergattern. Ganz vorne: Matthias Krämer. Er ist extra aus Schipkau in Brandenburg angereist. Zehn Stunden Bahnfahrt, dann weiter vom Dortmunder Hauptbahnhof mit der U-Bahn und den restlichen Weg zu Fuß. Ein Aufwand, der sich für ihn gelohnt hat. Er huscht um Punkt 10 Uhr als Erster durch die sich öffnenden Türen der Fanwelt.
BVB-Fans mögen den Retro-Stil
Wenige Augenblicke später hält er das Sondertrikot in den Händen und strahlt. Geschafft. Während rund 50 BVB-Fans im ersten Schwung per Rolltreppe ins Obergeschoss fahren und sich umgehend auf die Trikots stürzen, müssen die übrigen Anhänger sich weiter gedulden. So wie Marvin Altena, der jedes Stück Stoff sammelt und natürlich auch das Sondertrikot 2025 für sich und seinen zweijährigen Sohn Finn ergattern möchte. Er ist direkt nach der Nachtschicht nach Dortmund gedüst. Das in Neongelb gehaltene Trikot ist eine Hommage an die Meisterschaft von 94/95. „Das ist echt cool, ich mag den Retro-Stil“, sagt Altena.
„Die Retro-Optik scheint in der Sport-Fashion-Branche ein Trend zu sein“, sagt BVB-Geschäftsführer Carsten Cramer im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. „Die Menschen verbinden tolle Momente und emotionale Erinnerungen mit dieser erfolgreichen Zeit und da war die Farbe Neon sehr dominant“, so Cramer. Diesen Trend hat der BVB auch mit dieser Kollektion aufgegriffen. Sie trägt das Motto „Dare to stand out“ (zu Dt. „es wagen, sich abzuheben“), was angesichts der knallgelben Farbgebung passend erscheint.
Neben Marvin Altena in der Schlange steht Christina Steuber. Sie ist im Auftrag ihres Mannes vor Ort, um ihm ein Sondertrikot mit dem Flock von Michael Zorc zu besorgen. Denn neben den aktuellen Spielern können die BVB-Fans auch die Nummern und Namen der Meisterhelden von 1995 auf den Rücken flocken lassen. Auch das ist eine bewusste Reminiszenz. 95 Euro kostet das Shirt, mit Flock sind es sogar 114 Euro. Damit ist das aktuelle Sondertrikot gegenüber dem vorherigen um fünf Euro teurer geworden. Christina Steuber stört das nicht. Sie steht rund eine halbe Stunde später ebenso wie Marvin Altena glücklich an der Kasse, wohin sich die Schlange von außen allmählich immer stärker verlagert.
Weniger Andrang im BVB-Onlineshop
Geduld ist gefragt. Aber die ist bei den Fans angesichts der Vorfreude reichlich vorhanden. Noch mehr Durchhaltevermögen müssen all jene aufbringen, die es über den Webshop versuchen. Kurz nach dem Startschuss um 10 Uhr befinden sich über 80.000 Fans in der virtuellen Warteschlange, in die sie per Zufallsgenerator gelost werden. In der Spitze sind es mehr als 100.000 potenzielle Käufer. Zum Vergleich: Beim Verkaufsstart des Kohle-und-Stahl-Sondertrikots waren es bis zu 400.000. Daraufhin brach der Online-Shop zusammen. „Wir haben technisch Fortschritte gemacht, so dass wir ein paar Bots ausschließen konnten. Die Resonanz ist extrem gut“, versichert Cramer. Die Buchung über den Online-Shop verläuft diesmal durchgehend stabil.
Nach Informationen der Ruhr Nachrichten hat der BVB rund 75.000 Trikots für die erste Verkaufsphase produzieren lassen. Rund zehn Prozent davon, also 7.500, als Langarm-Version. Die ist am Freitag ebenso wie das lilafarbene Torwart-Trikot bereits nach kurzer Zeit ausverkauft. „Das kommt nicht ganz überraschend, denn es hat sich schnell abgezeichnet, dass es sich großer Beliebtheit erfreut, weil es auch den Retro-Trend bedient“, sagt Carsten Cramer. Insgesamt gehen bis Freitagnachmittag mehr als 50.000 Exemplare über die Ladentheke. Ein knappes Drittel, also rund 25.000, sind noch zu haben. Nach dem Wochenende entscheidet der BVB, ob er noch weitere Exemplare beim Ausrüster Puma nachordert.
BVB-Fans hoffen auf Besserung
Jonathan Saatzen hingegen ist einer der wenige Fans, die an diesem Vormittag in der Fanwelt in die Röhre schauen. Der 36-Jährige Kölner möchte unbedingt eine Authentic-Version des Trikots, so wie es die Spieler am Samstag gegen den FC Augsburg tragen. Die aber ist nicht in der Fanwelt erhältlich.
„Das wusste ich vorher nicht“, sagt Saatzen enttäuscht. Er ist tags zuvor aus beruflichen Gründen in Dortmund gewesen und hat sich für den Verkaufsstart spontan extra ein Hotelzimmer genommen. Um 4.30 Uhr steht er nach eigenem Bekunden am Eingang der Fanwelt. Er kämpft gegen die Kälte und den aufkommenden Hunger. Doch all das ist für die Katz. „Jetzt warte ich ab, bis sich der Sturm gelegt hat und versuche es dann über den Online-Shop“, sagt er pragmatisch. Glück hat er schließlich doch noch. Im Fanshop am Alten Markt wird er fündig.
Ihm gefällt, dass Borussia Dortmund mit seinen Sondertrikots immer wieder die eigene Tradition und Geschichte zum Ausdruck bringt. So soll auch das aktuelle Shirt an den „ganz besonderen Geist“ erinnern, den die Mannschaft vor drei Jahrzehnten verkörpert hat – und von dem zuletzt in dieser Saison kaum etwas zu sehen ist.
„Jetzt haben wir gerade eine Phase, in der es nicht so gut läuft. Aber vielleicht ist ja dieser Geist von 1995 ein kleiner Push für die Jungs gegen Augsburg, damit wir die drei Punkte holen und die Hoffnungen auf die Champions League am Leben gehalten werden. Das haben wir mehr als nötig“, sagt Jonathan Saatzen. Die Hoffnung auf eine sportliche Wende bei Schwarzgelb, sie lebt.
