Anfang November, ein frischer Wind pfeift durch die Rote Erde. Es gäbe jetzt angenehmere Orte als diesen, um den Abend zu verbringen. Ayman Azhil nimmt dennoch fröhlich auf der Tribüne Platz und schaut seinen Mitspielern beim Verrichten der Arbeit zu. Er selbst hat tags zuvor beim 2:1-Sieg gegen RB Leipzig sein Bundesliga-Debüt für Borussia Dortmund gefeiert. Ein stolzer Moment. Aber jetzt gilt es für die BVB-U23 in der 3. Liga – und zwar ohne ihren Kapitän, ohne ihn, Ayman Azhil. Schwarzgelb gewinnt an diesem Abend mit 3:1 gegen den SC Verl. „Es geht auch ohne mich, ich habe vollstes Vertrauen in die Jungs“, flachst Azhil ausgelassen beim Gang in die Katakomben. Er will seinen Teamkollegen gratulieren. Logisch.
Azhil glücklich über BVB-Vertragsverlängerung
Es mag ohne ihn gehen. Aber mit ihm geht es meist noch ein bisschen besser, weshalb sie bei Schwarzgelb den ursprünglich im vergangenen Sommer endenden Vertrag bis 2027 verlängert haben. „In der vergangenen Saison habe ich lange Zeit gedacht, dass ich Dortmund im Sommer verlasse. Dann kam im Frühjahr das Signal von Ingo Preuß, dass ich womöglich doch bleiben kann. Aber im Fußball kann man sich nie sicher sein. Es war für mich ein Abwägungsprozess, ob ich bleiben oder verlängern soll. Am Ende bin ich wirklich glücklich über meine Entscheidung und dass ich weiterhin beim BVB bin“, sagt Azhil im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten.
Denn die Verletztenmisere bei der Borussia hat ihn unverhofft schnell in den Profi-Kader gespült. Vor seinem Wechsel nach Dortmund schien das Oberhaus weit weg. Zwar gab Azhil im November 2022 unter Xabi Alonso sein Bundesliga-Debüt für Bayer Leverkusen gegen den VfB Stuttgart. Gleichzeitig nahm der junge Mittelfeldspieler dauerhaft am Profi-Training der Werkself teil. Dennoch erhielt er keine weitere Spielpraxis, weshalb er mangels Perspektive zum BVB wechselte.
„Erst merkst du es vielleicht gar nicht so sehr, aber wenn du wieder auf dem Platz stehst, dann stellst du fest, was für ein Unterschied es ist zu spielen, statt nur zu trainieren. Es braucht eine Zeit, um wieder in den Wettkampfmodus zu schalten“, berichtet Azhil. Doch schon nach kurzer Anlaufzeit wird er für die BVB-U23 in der 3. Liga unverzichtbar. Den persönlichen Durchbruch markiert für ihn das Heimspiel gegen 1860 München im Dezember vergangenen Jahres.
BVB-Durchbruch mit Tor gegen 1860
„Mein erstes Tor im Heimspiel gegen 1860 war enorm wichtig für mich. Es hat mir für den Rest der Saison den Weg gewiesen. Erfolge geben dir einfach Selbstvertrauen. Sie bestätigen dir, dass du es kannst“, betont Ayman Azhil. Gemeinsam mit Franz Roggow zieht er auf der Doppelsechs die Fäden, fungiert bei Schwarzgelb als wichtigster Verbindungsspieler. Kurz vor dem Champions-League-Finale proben sie bei Schwarzgelb den Ernstfall. Die U23 simuliert im Training den kommenden Gegner, Real Madrid. Azhil schlüpft in die Rolle von Toni Kroos – und überzeugt die BVB-Bosse damit endgültig.

Die Vertragsverlängerung ist besiegelt – inklusive Beförderung. U23-Trainer Jan Zimmermann ernennt Azhil zu seinem Kapitän. „Natürlich bin ich stolz darauf, das ist nicht selbstverständlich. Ich bin keiner, der lautstark rumbrüllt – ich versuche, mit Leistung voranzugehen“, sagt der 23-Jährige. „Trotz guter Leistungen haben wir in dieser Saison schon einige Spiele verloren. Aber am Ende setzt sich Qualität immer durch. Ich glaube fest an unsere Mannschaft“, betont Azhil.
Azhil nach BVB-Bundesliga-Debüt
Zuletzt ist er vor allem eine Etage höher gefragt. Das Personal, das Nuri Sahin zur Verfügung steht, ist stark dezimiert. Seit Wochen füllen daher Spieler aus U23 und U19 das Kontingent auf. „Mal bei den Profis und dann wieder bei der U23 zu sein, ist natürlich eine Herausforderung, weil man sich immer auf andere Anforderungen, andere Mitspieler, andere Gegebenheiten einstellen muss. Gleichzeitig macht es natürlich auch richtig viel Spaß“, sagt Azhil.
Und es macht Lust auf mehr. „Gegen Leipzig zum ersten Mal für den BVB in der Bundesliga aufzulaufen und zu hören, wie die Fans meinen Namen rufen, war ein unbeschreibliches Gefühl. Ich habe erst nach dem Spiel bewusst wahrgenommen, wie groß das Stadion ist. Es war aufgrund der hohen Intensität aber auch anstrengend. Im Kopf musst du immer handlungsschnell sein und in noch kürzerer Zeit Entscheidungen treffen. Aber so habe ich eine Messlatte und kann sehen, wie weit ich wirklich bin“, sagt Azhil.
BVB-Profi-Einsätze als Messlatte
Die nächste Benchmark gibt es bereits zwei Tage nach dem Einsatz gegen Leipzig. Diesmal ist die Bühne noch größer. Die Königsklasse, das Heimspiel gegen Sturm Graz. „Am Abend selbst habe ich gar nicht realisiert, dass ich da gerade mein Champions-League-Debüt gegeben habe. Das hat erst ein, zwei Tage gebraucht“, gesteht der 23-Jährige, nachdem er kurz vor Schluss für Maximilian Beier eingewechselt wird.

Im Juli 2023 ist all das noch weit entfernt. Ayman Azhil ist erst seit wenigen Wochen beim BVB und mit der U23 im Trainingslager in Österreich. Eine anstrengende Trainingseinheit bei sommerlichen Temperaturen liegt hinter ihm. Direkt neben dem Rasenplatz liegt ein Natursee, dessen Gebirgswasser Abkühlung verspricht. Etwas abseits steht ein Sprungturm. Azhil erklimmt ihn als erster Borusse. „Ist das Wasser hier auch wirklich tief genug?“, ruft er fragend. Als ihm kein Mitspieler antwortet, wagt Azhil es einfach. Sein persönlicher Sprung ins kalte Wasser beim BVB – er wird belohnt. In diesem Moment zum ersten, aber (wie inzwischen klar ist) nicht zum letzten Mal.