Eine Szene aus dem Revierderby im Jahr 1956.

Revierderby am 26. August 1956: Der BVB, hier mit Wolfgang Peters (r.) beisegt Schalke mit 3:2. © imago / Horstmüller

Borussia Dortmund und der FC Schalke 04: Wie eine Freundschaft zerbrach

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Bis vor 50 Jahren waren Dortmunder und Schalker noch Kumpel. Doch unterschiedliche Entwicklungen der Städte und Animositäten unter den Fans brachen die Solidarität auf.

von Gerd Kolbe

Dortmund

, 17.09.2022, 06:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Das erste Match der beiden Reviernachbarn findet 1925 auf dem Borussia-Sportplatz am Borsigplatz statt. Schalke siegt mit 4:2. Auch danach gibt es in schöner Serie teilweise deftige Niederlagen der Dortmunder, bis sie im Jahr 1943 endlich den ersten Sieg einfahren. Sportlich sind die Revierrivalen noch nicht auf Augenhöhe. Was heute nur noch wenige wissen: In dieser Zeit gedeiht eine außergewöhnlich tiefe Sportfreundschaft zwischen beiden Vereinen.

Schalkes Ernst Kuzorra wechselt 1935 zu Borussia Dortmund

Schalke absolvierte ab 1927 mehrere Vorrundenspiele zur Deutschen Meisterschaft in der Roten Erde, organisiert von den Schwarzgelben. 1934 wird der S04 nach dem ersten Titelgewinn in Dortmund von 150.000 Menschen mit allen Ehren empfangen und darf sich sogar als erster Sportverein überhaupt ins Goldene Buch der Stadt eintragen.

Schalkes Ernst Kuzorra wechselte 1935 als Trainer zu Borussia Dortmund.

Schalkes Ernst Kuzorra wechselte 1935 als Trainer zu Borussia Dortmund. © imago / teutopress

1935 zieht es Schalkes Ernst Kuzorra als ersten BVB-Trainer zum Borsigplatz, es folgt in Schwager Fritz Thelen ebenfalls ein Blauer. Mit Thelen steigen die Borussen ein Jahr später in die Gauliga auf, damals die höchste deutsche Spielklasse.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bricht der BVB die Schalker Dominanz

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bricht der BVB 1947 die Schalker Dominanz mit dem 3:2-Sieg im Endspiel um die Westfälische Meisterschaft im Stadion am Schloss Strünkede. Kurz danach wird die Oberliga West eingeführt, eine Blütezeit der Borussia beginnt. Der BVB wird zwischen 1947 und 1963 sechsmal Westdeutscher Meister, bejubelt die Deutsche Meisterschaft 1956 und 1957 und distanziert Schalke klar.

1956 und 1957 sicherte sich der BVB die Meisterschaft.

1956 und 1957 sicherte sich der BVB die Meisterschaft. © imago / Horstmüller

1961 kommt in Hermann Eppenhoff erneut ein Schalker als Trainer zum BVB und holt hier 1963 die letzte Deutsche Meisterschaft in einem echten Endspiel und gewinnt 1965 den ersten DFB-Pokal für die Borussen. Dann wechselt Stürmer Stan Libuda zum BVB und schießt 1966 das entscheidende 2:1, mit dem der BVB in Glasgow im Finale gegen den FC Liverpool den ersten Europapokal überhaupt nach Deutschland holt.

BVB-Rivale Schalke ist tief in den Bundesliga-Skandal verwickelt

In der Saison 1969/70 sinkt der Zuschauerschnitt des BVB erheblich, aber das Spiel gegen die Knappen erlebt dennoch eine volle Rote Erde. Zur Halbzeit steht es 0:1. Den Schalker Treffer hat Neuzugang Hans Pirkner erzielt. Danach laufen zahlreiche Schalke-Fans jubelnd auf den Platz. Dies führt zu einer Szene, die in die Bundesliga-Geschichte eingegangen ist: Der fünfjährige Schäferhund Rex, Mitglied der Polizei-Hundestaffel, reißt sich los und beißt die Schalker Friedel Rausch und Gerd Neuser in Po und Bein. So bissig lässt sich das Verhältnis zwischen den großen Ruhrpott-Vereinen nicht beschreiben: Die Welt zwischen den beiden Klubs ist nach wie vor in Ordnung. Der Bruch folgt erst in den 70er-Jahren.

Der Bundesliga-Skandal: die Schalker Spieler auf der Anklagebank.

Der Bundesliga-Skandal: die Schalker Spieler auf der Anklagebank. © imago / Werek

Die Knappen sind damals tief in den Bundesliga-Skandal verwickelt, werden aber nicht aus der Bundesliga verbannt. Genau darauf hatte man in Dortmund aber gehofft, um den sportlich und finanziell am Abgrund stehenden BVB 1972 in der bundesdeutschen Königsklasse zu halten. Doch daraus wurde nichts. Dortmund steigt ab. Der Begriff „FC Meineid“ wird als Synonym für die Gelsenkirchener ausgerufen und allerorten verletzend und lautstark skandiert. Die Freundschaft aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und der gegenseitige sportliche Respekt sowie die nachbarschaftliche Solidarität der 1950er- und 60er-Jahre beginnt zu bröckeln.

Die Fronten zwischen Dortmund und Schalke verhärten sich

Zwar kommen die Knappen 1974 zur Eröffnung des Westfalenstadions zu einem Benefizspiel zugunsten des finanziell angeschlagenen BVB, bei dem 300.000 Mark in den Kassen klingeln. Aber die Fronten zwischen den Klubs verhärten sich weiter. Ein weiterer wichtiger Faktor in der negativen Gesamtentwicklung sind zwei politisch auf dem extrem rechten Flügel angesiedelte Fan-Gruppierungen. Sie zerklüften das sportliche Terrain weiter und hinterlassen verbrannte Erde.

Mit einem Benefizspiel gegen den FC Schalke 04 zugunsten der finanziell angeschlagenen Dortmunder wurde das Westfalenstadion am 2. April 1974 eingeweiht. dionam 2. Apirl 1974 eingeweiht.

Mit einem Benefizspiel gegen den FC Schalke 04 zugunsten der finanziell angeschlagenen Dortmunder wurde das Westfalenstadion am 2. April 1974 eingeweiht. © imago / Werek

Die Vorstände der westfälischen Bundesligisten halten dagegen, demonstrieren Einigkeit: Ab 1977/78 gibt es den „Westfalen-Dreier“ mit den Präsidenten Heinz Günther (BVB), Ottokar Wüst (Bochum) und Dr. Hüsch (Schalke) an der Spitze, die mit ihren Vorständen systematisch kooperieren, sich austauschen und gemeinsame Positionen in der Außendarstellung verabreden.

Der Strukturwandel belastet die Städte im Ruhrgebiet

Aber diese Bemühungen sind mit Blick auf die Fans vergebliche Liebesmüh und zeitigen keine Entspannung der mittlerweile ausgearteten Situation auf den Rängen der großen Stadien. Leider wird immer häufiger die Faust auf beiden Seiten der Kontrahenten zum Argument, der Kopf vielfach ausgeschaltet.

Dortmunder Strukturwandel in einem Bild: Nach der Stilllegung des Hoesch-Hochofenwerks wurde das Gelände zu einem Gewerbe- und Naherholungsgebiet umgestaltet.

Dortmunder Strukturwandel in einem Bild: Nach der Stilllegung des Hoesch-Hochofenwerks wurde das Gelände zu einem Gewerbe- und Naherholungsgebiet umgestaltet. © imago / Oberhäuser

Hinzu kommt: Beide Städte haben ihre Probleme mit dem Strukturwandel im Ruhrgebiet. Kohle und Stahl verschwinden, zahllose Arbeitslose bleiben. Dortmund scheint das Problem besser zu lösen als der westfälische Nachbar. Die Schalker reagieren sauer auf die „Neureichen“ und bringen dies vernehmbar zum Ausdruck.

Als Borussen und Schalker noch Kumpel waren

Heute weiß kaum noch jemand, wie die damalige Situation mit ihren unversöhnlichen Auswirkungen bis in die Gegenwart entstanden ist. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass zum Beispiel die christliche Fan-Gruppierung „Totale Offensive,“ die es sowohl beim FC Schalke als auch beim BVB gibt, seit Jahren darum kämpft, die verhärteten Fronten aufzubrechen und daran erinnert, dass es ganz andere Situation zwischen den Klubs gegeben hat. Damals, als Borussen und Schalker noch Kumpel waren.