Giovanni Reyna weiß gar nicht, wohin mit sich. Er rennt einfach zur nächstgelegenen Eckfahne. Dass die Dortmunder Anhänger im Block auf der anderen Seite stehen, schreien und jubeln, ist ihm in diesem Moment völlig egal, er lässt seinen Emotionen einfach freien Lauf. Fast alle Mitspieler folgen ihm, klatschen auf ihn ein, feiern mit ihm. Wie schon gegen den FC Augsburg ist es der US-Amerikaner, der nach Kopfballvorarbeit des ebenfalls eingewechselten Sebastien Haller den Dortmundern die drei Punkte rettet.
Wilde BVB-Achterbahnfahrt in Mainz
Wer dachte, nach dem 4:3-Spektakel gegen den FC Augsburg am Sonntag würde es in Mainz etwas ruhiger zugehen, der hatte sich getäuscht. Zumindest in Bezug auf die Anfangs- und Schlussphase in der Mewa Arena. Denn dort ging die wilde Achterbahnfahrt einfach munter weiter.
Es waren gerade einmal vier Minuten gespielt, da standen schon zwei Treffer auf der Anzeigetafel. Bei beiden Toren mittendrin: Neuzugang Julian Ryerson. Nach einem tiefen Ball hinter die Kette verursachte der Norweger zunächst mit einem missglückten Klärungsversuch einen Eckball und kam anschließend auch zu spät ins entscheidende Luftduell gegen Jae-Sung Lee (2.). Der Ball schlug neben dem kurzen Pfosten ein. Die Dortmunder lagen also früh in Rückstand. Zur Info: In der Fremde hat der BVB nach einem Rückstand in dieser Saison noch nicht gewinnen können.
BVB-Neuzugang Ryerson trifft zum 1:1
Doch prompt folgte die Antwort von Borussia Dortmund – und von Julian Ryerson. Nach dem Gegentreffer mit viel Frust im Bauch, fasste sich der Rechtsverteidiger ein Herz und zog einfach mal von kurz hinter der Strafraumkante ab. Von der Fußspitze des Mainzers Edmilson Fernandes flog der Ball über Keeper Finn Dahmen zum Ausgleich in die Maschen.
In einer völlig zerfahrenen und vogelwilden Phase war der BVB dem Führungstreffer nun sehr nahe. Youssoufa Moukoko tauchte nach Zuspiel von Raphael Guerreiro völlig frei vor Dahmen auf und übersah den mitgelaufenen Karim Adeyemi (8.), Niklas Süle, der die Kapitänsbinde trug, versuchte es in der gleichen Minute mit einem Distanzschuss. Adeyemi setzte den Ball im Fallen aus wenigen Metern über den Kasten (14.).
Kaume klare Torchancen für den BVB
Und dann hatte irgendjemand den Stecker dieser wilden Achterbahn gezogen. Die Mainzer schafften es kaum aus der eigenen Hälfte, die Dortmunder spielten vor allem im letzten Drittel zu unsauber. Zwar passte das Gegenpressing, der BVB gewann viele hohe Bälle – doch zu klaren Torchancen kamen die Schwarzgelben so gut wie gar nicht mehr, weil die ohnehin vielen Ungenauigkeiten im Aufbauspiel noch zu- und gleichzeitig die hohen Ballgewinne abnahmen.
Wie wichtig Jude Bellingham für das Spiel der Borussia geworden ist, wurde durch sein Fehlen noch deutlicher. Salih Özcan, der auf der Bellingham-Position neben Julian Brandt agierte, konnte dem Offensivspiel kaum Impulse verleihen, Emre Can als Sechser begrenzte die Zahl der Vorstöße auf ein Mindestmaß. Zielstrebige Antritte fehlten, kreative Lösungen fanden die Dortmunder gegen immer tiefer stehende Mainzer kaum. Und so dümpelte die Partie auch nach der Pause vor sich hin.
Haller verlängert, Reyna sichert BVB-Sieg
Das merkte auch BVB-Trainer Edin Terzic, der nach rund einer Stunde reagierte. Neben Sebastien Haller brachte er die beiden Augsburg-Torschützen Jamie Bynoe-Gittens und Giovanni Reyna. Sie sollten die Achterbahn wieder ins Rollen bringen – und dieser Plan sollte tatsächlich in der Nachspielzeit aufgehen.
Dabei waren die Mainzer dem Siegtreffer wenige Augenblicke zuvor so nah gewesen. Endlich spielten sie eine ihrer vielen Kontermöglichkeiten sauber über Aymen Barkok, Ludovic Ajorque und Anton Stach aus, doch der Ball zischte knapp am rechten Pfosten vorbei. Und so jubelten am Ende die Joker-Könige, für die es am Sonntag zum Topspiel nach Leverkusen (17.30 Uhr) geht.
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