„Kein Bock auf Montag“: Die Südtribüne protestiert vor dem Heimspiel gegen Bayern München am 5. März 2016 gegen Montagsspiele – gegen Augsburg am 26. Februar 2018 werden nun Teile von Deutschlands größter Stehplatztribüne leer bleiben. © Thomas Bielefeld
Protest gegen Montagsspiele
BVB empfängt FC Augsburg - "We Don’t Like Mondays"
Am 26. Februar spielt Borussia Dortmund in der Bundesliga gegen den FC Augsburg. Montagabends. Um 20.30 Uhr. Für das Fernsehen ist die Anstoßzeit ein Segen, für viele Fans ist sie ein Fluch. Der Protest dagegen breitet sich aus.
Es gibt ein ziemlich bekanntes Lied. „I Don‘t Like Mondays“ heißt es, ich mag keine Montage. Bob Geldof hat es 1979 geschrieben, es wurde der größte Hit der irischen Band The Boomtown Rats. Ein trauriges Lied über ein Schulmassaker im amerikanischen Kalifornien. Fast 30 Jahre ist das jetzt her.
Die Südtribüne in Dortmund hat den Song vor einiger Zeit einmal aufgegriffen. Am 5. März 2016 war das. Vor dem Heimspiel gegen Bayern München (0:0) protestierte die Gelbe Wand gegen die „Spieltagszerstückelung“ durch die Deutsche Fußball Liga (DFL) und gegen drohende Montagsspiele. Auf den vielen schwarzgelben Spruchbändern standen neben den Worten „We Don‘t Like Mondays“ Aussagen wie „Für fangerechte Anstoßzeiten! Nein zu Montagsspielen!“, „Wenn‘s um Geld geht, Montagsspiele“, „Geh mich weg mit die Montage“ oder „Volkssport Fußball? – Nein zum Montag!“
Montagsspiele aus Habgier oder sportlicher Notwendigkeit
Knapp zwei Jahre später ist aus den Befürchtungen vieler Fans Realität geworden. Seit dieser Saison setzt die DFL im Zuge der neuen TV-Rechteperiode an fünf Spieltagen ein Montagsspiel um 20.30 Uhr an. Höhere Einnahmen beim Verkauf der TV-Rechte erfordert mehr Live-Sendezeit für die Fernsehanstalten – so funktioniert das Geschäft, so bewerten es viele Fans. Andererseits, so argumentieren die Entscheider der Liga, soll den Mannschaften, die donnerstags in der Europa League spielen, ein Tag mehr Regenerationszeit eingeräumt werden. Für die einen gibt es Montagsspiele aus Habgier, für die anderen aus sportlicher Notwendigkeit. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte.
Am greifbarsten in dieser Debatte ist bislang der Spielplan: Eintracht Frankfurt und RB Leipzig haben am Montag unter großem Protest den Anfang gemacht, Borussia Dortmund und der FC Augsburg folgen nächste Woche, am 12. März spielt dann Werder Bremen gegen den 1. FC Köln. Die anderen beiden Montagspartien sind noch nicht terminiert.Auch beim Spiel des BVB gegen Augsburg wird es Protest gegen Bundesliga-Fußball an Montagabenden geben. Anders als in Frankfurt, wo die Fans mit Trillerpfeifen, Toilettenpapier und Tennisbällen ein Zeichen gesetzt haben, aber es wird Protest geben. Teile der Südtribüne werden leer bleiben. Das Bündnis Südtribüne Dortmund, ein Zusammenschluss aus BVB-Fanklubs, Ultragruppen und Einzelpersonen, wird die Partie boykottieren. „Schweren Herzens, aber aus Überzeugung haben wir uns dazu entschlossen, dem Spiel gegen den FC Augsburg fernzubleiben und unsere Karten an diesem Tag verfallen zu lassen“, teilte das Bündnis bereits am 6. Januar mit.
Die Entscheidung richte sich nicht gegen die Mannschaft, sondern man könne und wolle keine Montagsspiele in der Bundesliga akzeptieren. „Für die Bundesliga, die sich so gerne mit ihren stimmungsvollen Kurven und ausverkauften Stadien präsentiert, sind Montagsspiele eine Bankrotterklärung.“ Und weiter: „Wenn Begegnungen an Terminen stattfinden, an denen eigentlich niemand Zeit hat, ins Stadion zu gehen, offenbart das eine haarsträubende Gleichgültigkeit gegenüber dem gesellschaftlichen Stellenwert des Fußballs und den Fans, die den Sport erst zu dem machen, was er ist.“ Fußballspiele an Montagabenden seien der „negative Höhepunkt der sukzessiven Spieltagszerstückelung“ und außerdem „ein weiterer großer Schritt hin zum Ausverkauf des Fußballs“.
Fast 600 Kilometer an einem Montag
Auch die lange Anreise für die Gästefans wird kritisiert. „Die Augsburger müssen an einem Montag fast 600 Kilometer abspulen, um ihre Mannschaft in Dortmund unterstützen zu können. Für Arbeitnehmer gehen dafür gut und gerne zwei Urlaubstage drauf, will man am Morgen nicht total übermüdet auf der Arbeitsstelle erscheinen.“
Insgesamt 49 Fanklubs finden sich unter den 2765 Mitgliedern des Bündnisses Südtribüne. Sie alle wollen am 26. Februar auf einen Besuch im Signal Iduna Park verzichten. Und der Protest weitet sich aus. Aus Fankreisen heißt es, dass sich zahlreiche weitere Fanklubs, die nicht zum Bündnis Südtribüne Dortmund zählen, ebenfalls dazu entschlossen haben, das Spiel gegen Augsburg zu boykottieren.Gut 350 Fanklubs wollen nach Informationen dieser Redaktion ihre Eintrittskarten gegen den FCA verfallen lassen und ein Zeichen gegen Erstliga-Fußball an Montagabenden setzen. Wie viele Plätze am 26. Februar tatsächlich unbesetzt bleiben, ist nicht absehbar. Zumindest die Stimmung aber, so viel scheint schon jetzt klar, wird eine ganz andere sein als sonst, wenn Borussia Dortmund vor heimischem Publikum spielt.
Das gilt auch für den Gästeblock. Die aktive Fanszene aus Augsburg wird dem Spiel ebenfalls fernbleiben, insgesamt wurden nur rund 200 Gästekarten verkauft. Die Szene Fuggerstadt, das Augsburger Pendant zum Bündnis Südtribüne, schließt sich dem Boykott der Dortmunder Fans an. In einer Stellungnahme heißt es: „Dieser Schritt ist einer der drastischsten für uns Fußballfans und die letzte Konsequenz aus einer Entwicklung, die das Stadionerlebnis, wie wir es alle lieben, in seiner Existenz bedroht.“
Online-Petition gegen Montagsspiele
Darüber hinaus fordert die Szene Fuggerstadt die Verantwortlichen des FC Augsburg dazu auf, dass sich der Klub als Mitglied der DFL für die Abschaffung von Montagsspielen, fangerechtere Anstoßzeiten und die Einführung einer 300-Kilometer-Regelung bei Auswärtsspielen unter der Woche einsetzen soll. Für den nötigen Nachdruck soll eine Online-Petition gegen Montagsspiele sorgen. „Fußball ist Volkssport – Fußball muss Volkssport bleiben!“ – gut 1200 Unterschriften wurden bislang gesammelt.
Unterstützung erhält das Bündnis Südtribüne aber nicht nur von der Augsburger Fanszene, auch die hauseigene BVB-Fanabteilung begrüßt den Boykott. „Die Fan- und Förderabteilung lehnt Montagsspiele sowie die weitere Aufsplittung von Spieltagen grundsätzlich ab. Denn egal, ob Schüler, Studenten oder Arbeitnehmer: Für viele Fans ist der Stadionbesuch an einem Montagabend mit unzumutbaren Strapazen verbunden“, heißt es in einer Erklärung. Es seien Aktionen geplant für nächsten Montag, beispielsweise der Verzicht auf das Stadionvorprogramm, zudem sollen Infostände geschlossen bleiben.
Stöger hat "kein Problem mit Montagsspielen"
Beim BVB bedauert man den Protest der Fans, aber man akzeptiert ihn. „Man muss nicht alles gut finden“, sagt Trainer Peter Stöger. Er selbst habe kein großes Problem mit Montagsspielen. „Als ich nach Deutschland zum 1. FC Köln gekommen bin, da spielten wir in der 2. Liga. Damals hatten wir viele Montagsspiele. Das waren zum Teil großartige Spiele. Für den einen oder anderen ist es sicherlich gewöhnungsbedürftig, weil nicht alle Spiele um 15.30 Uhr sind, aber ansonsten sehe ich da keine Probleme.“
Stefan Reuter sieht es ähnlich. „Für mich machen die Montagsspiele Sinn, damit Vereine, die in der Europa League spielen, mehr Zeit haben, sich auf das nächste Bundesligaspiel vorzubereiten“, sagt der ehemalige BVB-Profi und heutige FCA-Manager. Er wisse zwar, dass die Fans unglücklich seien und fände es auch nicht ideal, wenn Augsburg montagsabends in Dortmund spiele, „aber wenn es sinnvoll ist für Mannschaften, die international unterwegs sind, dann unterstütze ich das“.„Ohne Montagsspiele werden wir ab 2021 vielleicht ein, zwei Millionen Euro weniger einnehmen. Aber eine größere Einheit mit den Fans ist uns mehr wert.“ - Hans-Joachim Watzke © dpa
Hans-Joachim Watzke ist da kritischer. Der BVB-Geschäftsführer äußerte sich jüngst in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zum Thema Montagsspiele. Die Liga müsse diskutieren, „ob die Montagsspiele – außer sie sind sportlich durch Europa-League-Einsätze indiziert – wirklich sein müssen“, meinte er. Und weiter: „Ohne Montagsspiele werden wir ab 2021 vielleicht ein, zwei Millionen Euro weniger einnehmen. Aber eine größere Einheit mit den Fans ist uns mehr wert.“ Bei aller notwendigen Internationalisierung dürfe es keine Politik gegen das Gefühl der zehn Millionen Fans in Deutschland geben.
Die DFL wiederum widerspricht Watzke. Christian Seifert, Geschäftsführer des Ligaverbandes, verweist auf den sportlichen Nutzen und den Amateursport. Die Montagsspiele, sagt Seifert, machten weniger als ein Prozent der Gesamtumsätze der Liga aus und „wurden eingeführt als Interessensausgleich zwischen mitreisenden Fans einerseits und dem Amateurfußball andererseits, der nach wie vor sehr viele Spiele am Sonntag absolviert“.
"5 von 306 Saisonspielen"
Außerdem brauche es diese Entlastung für die deutschen Europa-League-Starter, die am Donnerstagabend spielen. Generell hält er die Diskussion und die Kritik an den Montagsspielen für überzogen. „Wir reden über fünf von 306 Saisonspielen. Es ist nicht geplant, dass es mehr werden. Und die Chance, dass es weniger werden, ist eher größer als kleiner. Insofern sollte man die Kirche mal im Dorf lassen."
Die Kirche im Dorf lassen – oder eben den Protest ins Stadion tragen und den Anfängen wehren. Die DFL und Großteile der Fans liegen über Kreuz. Mal wieder. Der Spagat zwischen Kommerz und Romantik, er wird nicht einfacher werden.
Ich mag keine Montage. Die traurige Geschichte hinter dem berühmten Song der Boomtown Rats ist heute wohl nur noch den Wenigsten präsent. Im Gedächtnis geblieben ist vor allem der Titel. „I Don‘t Like Mondays“.
Am vergangenen Montag haben sich in Frankfurt viele Fans an ihn erinnert. Kurz vor dem Anpfiff lief der Song über die Stadionlautsprecher, die meisten Zuschauer sangen lautstark mit. Gut möglich, dass Bob Geldofs bekanntestes Lied auch nächsten Montag wieder gesungen wird, zumindest von denen, die noch gekommen sind.
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