Es war ein durchaus emotionaler Vortrag des Beigeordneten Werner Leuker in der Ratssitzung am Mittwochabend. Denn: „Die Flüchtlingskrise endet nicht. Im Gegenteil, wir erleben eine deutliche Verschärfung.“ Das belaste nicht nur die entsprechenden Abteilungen der Verwaltung. „Wir erkennen zunehmend, dass alle geballte Arbeit und alles eingebrachte – auch ehrenamtliche – Engagement immer noch zu wenig ist, um den neusten Entwicklungen standzuhalten.“
Dazu einige Zahlen: Derzeit leben in Ahaus rund 1300 Geflüchtete aus den unterschiedlichsten Fluchtgebieten. 350 davon, also mehr als 25 Prozent, leben in städtischen Gemeinschaftsunterkünften. „Tendenz steigend“, so Werner Leuker.
Denn nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz muss die Stadt Ahaus zeitnah weitere 54 Geflüchtete aufnehmen, da man bei der Erfüllungsquote unter 90 Prozent liege. Hinzu kommen auf lange Sicht 261 Personen. „Das macht mir noch nicht ganz so viele Sorgen, weil sich das zeitlich aufteilen wird.“
Die Flüchtlingszuweisungen nehmen seit einigen Wochen deutlich zu, so Leuker. Die bestehenden Landesaufnahmeeinrichtungen seien nahezu voll. „Deswegen ist eine Pufferung zusätzlicher Flüchtlingszugänge – für uns nachvollziehbar – nicht mehr möglich.“
Umquartierung
Ein weiteres Problem, das auf die Stadt zukommt: Von den im März und April aufgenommenen Menschen aus der Ukraine sind derzeit 125 Personen in 45 privaten Unterkünften untergebracht. „Davon werden nach unseren Erkenntnissen in den kommenden Wochen und Monaten einige in städtische Unterkünfte überführt werden müssen.“ Hier gehe man in einem ersten Schwung von mindestens 40 bis 60 Personen aus.
Und: „Wir gehen nach den neusten Ankündigungen der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg bei den Flüchtlingszuweisungen saldiert von weiteren 20 bis 30 Personen im Monat aus.“ Die Personen kämen aus der Ukraine, vor allem aber auch aus Afghanistan, Iran, Irak und Syrien. „Und das Schicksal auf Lampedusa wird trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der Innenministerin schneller als gewünscht auch hier vor Ort spürbar sein.“
Hinzu kommen, so nimmt Werner Leuker an, auch in diesem Jahr wieder „Winterflüchtlinge“ aus Osteuropa.
Knapper Wohnraum
Auf der einen Seite stehen also zahlreiche Menschen, die Schutz suchen. Auf der anderen Seite steht der knappe Wohnraum. Habe man bislang jeden Monat noch sieben bis zehn Personen in leerstehende Wohnungen vermitteln können, sei hier die „Luft dünn geworden“. Die Tendenz gehe in den kommenden Monaten wohl gegen null.
Die Unterkunft in Alstätte soll Stand 20. September Ende November/ Anfang Dezember fertig sein. Dort könnten 60 Personen unterkommen.
Bereits seit knapp einem Jahr gibt es die Notunterkunft in der Sporthalle im Vestert. Diese sei im Sommer mit 50 bis 60 Personen belegt gewesen. Mittlerweile sind es wieder um die 100.

„Bis Ende des Jahres fehlen weitere 50 bis 60 Plätze“, erklärte der Beigeordnete. Würde man die Notunterkunft in der Sporthalle schließen, würden sogar bis zu 200 Plätze fehlen. „Wir prüfen die Aufgabe der Notunterkunft. Das wäre uns auch wichtig. Aber ich kann ihnen heute nicht sagen, ob uns das zum Ende des Jahres gelingen kann.“
Man versuche, weitere Unterkünfte zu lokalisieren, Sammelunterkünfte, wo auch mehrere Personen unterkommen können. Leukers Appell: „Wenn größere Einheiten vorhanden sind, melden Sie sich. Wir mieten sie gerne an. Vor allem, um irgendwann einmal die Halle aufzulösen.“
Integration und Betreuung
Und bei vielen Geflüchteten sei es nicht mit der Unterbringung getan. „Die Aufnahmeverpflichtung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nimmt seit Monaten zu.“ Diese bräuchten eine fast ganztägige umfassende Betreuung, nicht selten auch eine Traumatherapie. Aber: „Die Kinder- und Jugendheime sind voll und haben einen Aufnahmestopp.“ Wo solle man diese Kinder also noch unterbringen?
Und: „Die Unterbringung steht nur am Anfang. Was dann kommt, ist viel wichtiger und muss leistbar sein. Nämlich die Betreuung und Integration der zu uns kommenden Menschen.“ Das könne bei dieser Entwicklung aber immer weniger sichergestellt werden. Außerdem müsse auch der Platz in Kitas und Schulen mitgedacht werden.
„Wir müssen aus meiner Sicht auf Kreisebene den Mut aufbringen, über einen abgestimmten Aufnahmestopp nachzudenken wie 2016.“ Bei allen Beteiligten – ob hauptamtlich oder ehrenamtlich – sei die Ermüdung und Resignation spürbar. Ihnen gelte sein „unendlicher“ Dank für ihre Arbeit.