Im besten Fall bekommt man Thomas Stadtmann und seine Kollegen das ganze Leben lang nicht zu sehen. Zumindest beruflich. Denn mit seinem Team sorgt der 56-jährige Ahauser für die Sicherheit im Ahauser Amtsgericht. Er ist Justizwachtmeister.
„Viele wissen ja gar nicht, was hier läuft“, sagt er lächelnd. Dabei deutet er die Flure im Amtsgericht hinunter. Im Freundeskreis könne er nicht oder nur wenig darüber reden. Natürlich sei das eher kleine Ahauser Amtsgericht etwas ruhiger als ein Gericht in einer Großstadt. Aber auch hier gebe es die ganze Bandbreite. Zusätzlich gibt es ja die Verhandlungstage vom Familiengericht. Auch da gehe es teilweise hoch her.

Insgesamt fünf Säle gibt es in zwei Gebäuden des Ahauser Gerichts. Das wurde gerade erst zum Schönsten in ganz NRW erklärt. Doch die Architektur hat auch ihre Tücken: Die Säle verteilen sich auf zwei Gebäude. „Damit müssen wir auch in zwei unabhängigen Gebäuden für die Eingangskontrollen an den Schleusen sorgen“, sagt er. Amtsgericht, Schöffengericht, Familiengericht, Landwirtschaftsgericht, Termine des Arbeitsgerichts, Zivilsachen, Gerichtsvollzieher – da komme einiges zusammen.
Natürlich sei der ein oder andere Angeklagte schon mal etwas aufbrausend. „Ich habe mich aber noch nie wirklich bedroht gefühlt“, sagt Thomas Stadtmann und lehnt sich betont gelassen im Stuhl zurück. Klar: Ausgesprochene Bedrohungen habe es gegeben. Das habe er dann gemeldet.
Und ja, als seine Kinder klein waren, habe er auch darauf geachtet, wer ihnen auf der Straße begegnet. „Das war aber nie ein Problem“, macht er deutlich. Solche Gedanken lasse er nicht zu nah an sich heran. „Weglaufen und weggucken ist keine Lösung“, sagt er. So habe er das immer gehalten, seit er damals bei Gericht angefangen habe.
Eher zufällig ins Amtsgericht
Damals, da war er gerade 24, sei das eher Zufall gewesen. „Ich wollte weg vom Bau“, sagt der gelernte Sanitär-Installateur. Und als Justizwachtmeister winkten ein sicherer Job, die Verbeamtung und eine Dienstwohnung. „Da habe ich zugegriffen“, erklärt er breit grinsend.
So wie er würden es heute aber nur noch wenige Jugendliche machen. „Du kriegst einfach keine Leute mehr“, sagt er. Oft scheitere es am Geld: „Viele Handwerkerlöhne sind so gestiegen, da machen sich viele keine Gedanken mehr um einen Wechsel“, sagt er.
Entscheidung nie bereut
Er habe die Entscheidung aber nie bereut. Schon wegen der täglichen Abwechslung – und der Veränderungen. Denn auch die Arbeit bei Gericht hat sich über die Jahre massiv gewandelt hat. Einerseits mit der Digitalisierung: Denn neben der Sicherheit liegt auch der gesamte Schrift- und Postverkehr des Amtsgerichts in den Händen der Wachtmeister: „Bei uns läuft die ganze elektronische Postverarbeitung zusammen“, erklärt er.
Der Schriftverkehr zwischen Anwälten und Richtern beispielsweise läuft schon komplett digital. „Da sind wir morgens früh als erstes für Posteingang und Verteilung zuständig“, sagt Thomas Stadtmann. Strafakten seien aktuell noch aus Papier. Auch sie sollen aber bald digitalisiert verarbeitet werden.
Aber auch der Umgang mit den Menschen ist ein anderer geworden. „Ich will nicht sagen, dass sie insgesamt gewaltbereiter sind als früher“, sagt der Justizwachtmeister. Aber die Wahl der Mittel ist eine andere. „Die Hemmschwelle ist gesunken“, sagt er. Wer früher die Fäuste gehoben habe, ziehe jetzt ein Messer. „Wir müssen immer damit rechnen, dass etwas passiert. Nicht umsonst stehen seit mittlerweile gut 15 Jahren Metalldetektoren und Sicherheitsschleusen hinter den Türen.

Ohne spezielle Ausbildung und Ausrüstung geht auch das nicht: „Wenn es piept und derjenige sich wehrt, müssen wir da rein“, sagt Thomas Stadtmann und deutet auf den kleinen Raum zwischen den Schleusentüren. Ohne Einsatzhandschuhe und Stichschutzweste riskiere er das nicht.
Aber auch mit leeren Taschen bringt der ein oder andere Besucher oder Angeklagte die Wachtmeister schon einmal auf Touren. Auch das sei aber nichts, was ihn um den Schlaf bringt. Vorbereitung und Ausbildung seien alles.
Gefährlicher als im Landgericht
„Das ist hier auch etwas anderes, als beispielsweise im Landgericht“, sagt Thomas Stadtmann. Ein Angeklagter komme als freier Mensch ins Amtsgericht. „Vielleicht hat der Verteidiger auch noch davon erzählt, dass das Verfahren schon mit einem Freispruch ausgehen wird“, sagt der erfahrene Justizwachtmeister.
Und dann werde derjenige von Richter oder Schöffen aber trotzdem zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. „Da gehen bei manchen einfach die Gardinen runter. Die versuchen dann, sich verbal oder körperlich zu wehren“, erzählt er.

Und genau diese spontanen Alarme seien das Komplizierte. „Wenn man weiß, dass ein potenziell gefährlicher Angeklagter, eine große Nummer aus der JVA zu einem Termin gebracht wird, dann wird von vornherein das Sicherheitslevel erhöht. Wenn Fluchtgefahr besteht. Oder ein Täter als gewaltbereit bekannt ist. Natürlich muss dann alles klappen“, sagt er. Aber auch wenn irgendwo in den Sälen oder sonstwo im Haus ein versteckter Alarm ausgelöst werden, müsse sein Team ja sofort vor Ort sein. „Bis die Polizei hier sein kann, ist es im Zweifel zu spät“, erklärt er.