Vera Vorneweg schreibt auf dem Kulturquadrat Handschrift auf der Fassade der Stadtbibliothek

Vera Vorneweg schreibt Handschrift auf die Fassade der Stadtbibliothek
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Zeile um Zeile füllen sich gerade mehrere Fenster der Stadtbibliothek Ahaus mit kleinen Zeilen weißer Handschrift. Die Künstlerin Vera Vorneweg (39) aus Düsseldorf nutzt die Fassade des Kulturquadrats gerade als Schreibblock für ihre Performance „Stadtspuren“. Beobachtungen, die sie rund um das Kulturquadrat gemacht hat. Vergängliche Kunst im öffentlichen Raum.

Sie freut sich, dass sie mit ihrer Handschrift die „unglaublich cleane“ (also: saubere) Fassade des Kulturquadrats aufbrechen darf. Im Mittelpunkt ihres Textes steht das Geschehen vor Ort: An sechs Punkten rund um das Kulturquadrat hat sie Umgebung und Menschen beobachtet. Sie schreibt von der Familie, die zur Bibliothek möchte, von dem gelben Postauto, das plötzlich um die Ecke kommt, aber auch von Zigarettenkippen, die in einer Pfütze schwimmen. „Geräusche, Gerüche. Ich will spüren, wie ein Ort tickt und das vermitteln“, sagt sie – und versteht sich damit als Seismografin eines Ortes.

„Die Bewegung vor Ort einfrieren“, erklärt sie. Der Text, den sie nun auf die Fenster schreibt, ist schon fertig: Ihre Beobachtungen liegen ein paar Tage zurück, der Text entstand aus ihren Notizen am Computer und hat auch schon ein Lektorat durchlaufen. „Text im öffentlichen Raum muss ganz einfach korrekt sein“, sagt sie.

Zeile für Zeile fügt Vera Vorneweg ihren Text handschriftlich auf den großen Fenstern der Stadtbibliothek zusammen. Er soll Passanten innehalten lassen. Für die Künstlerin ist es das erste Mal, dass sie auf Glas und auf einem intakten Gebäude schreibt.
Zeile für Zeile fügt Vera Vorneweg ihren Text handschriftlich auf den großen Fenstern der Stadtbibliothek zusammen. Er soll Passanten innehalten lassen. Für die Künstlerin ist es das erste Mal, dass sie auf Glas und auf einem intakten Gebäude schreibt. © Stephan Rape

Die Wahl-Düsseldorferin war schon an vielen Stellen unterwegs, beschriftete alte Fabriktore, Fensterläden einer geschlossenen Kneipe oder auch Felsen in der Wüste Negev. Was hat sie also nach Ahaus verschlagen? „Eine Bekanntschaft“, sagt sie. Über das Künstlerdorf in Schöppingen sei sie schließlich nach Ahaus gelangt.

Hier freut sie sich gleich über mehrere Besonderheiten: Einerseits, dass sie eine intakte Fassade eines Gebäudes beschreiben kann, das so aktiv genutzt wird. „Bisher waren es Gebäude, die dem Untergang geweiht waren“, erklärt sie.

Blick für Details in Ahaus

Andererseits habe sie in Ahaus mehr Ruhe in ihrer Arbeit: „Das Geschehen ist sehr linear“, sagt sie. Anders als etwa am Düsseldorfer Rheinufer, wo sie gerade einen Container beschriftet.

„So konnte ich mich regelrecht an Details abarbeiten“, sagt sie fröhlich. Auch bei der Schreibarbeit selbst erlebt die Künstlerin Ungewohntes: „In Düsseldorf komme ich kaum dazu, eine halbe Zeile zu schreiben, weil so viele Menschen mich ansprechen. Das ist hier anders.“ Dennoch habe es auch hier schon einige neugierige Nachfragen gegeben.

Eins von drei Projekten

Wie lange der Text auf der Fassade zu sehen sein wird, ist unklar. Das hängt von der Witterung ab. Auch Uta Rosenbaum, die bei der Stadt Ahaus für visuelle Kunst verantwortlich ist, mag noch nicht abschätzen, wie lange das Werk auf der Fassade zu sehen sein wird. „Die Absprache ist, dass es dort so lange zu sehen sein wird, wie es gut aussieht“, erklärt sie. Dabei rechne sie allerdings eher mit einigen Wochen als mit mehreren Monaten.

Die genauen Kosten für die Installation nennt sie im Gespräch mit unserer Redaktion nicht. Die Mittel stammen allerdings aus einem Fonds für Sondermittel. Daraus wurde beispielsweise auch Mitte Juni das Projekt „Refugium“ des Künstlerkollektivs Hidalgo in der Ahauser Innenstadt finanziert. Ein weiteres Projekt im öffentlichen Raum ist aktuell noch geplant – soll aber noch eine Überraschung bleiben. Im vergangenen Jahr wurde aus diesen Mitteln das Theater Anu, mit „Die große Reise“ im Schlossgarten finanziert.

„Bisher waren jährlich vier Ausstellungen in der Villa van Delden geplant“, erklärt Uta Rosenbaum. Künftig soll es pro Jahr noch drei Ausstellungen, dafür aber ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum geben.

Weiße Schrift auf dunkler Fassade: Schon durch den massiven Textblock macht die Installation Eindruck. Den Text wird die Künstlerin Vera Vorneweg am 24. August bei einer Lesung vorstellen.
Weiße Schrift auf dunkler Fassade: Schon durch den massiven Textblock macht die Installation Eindruck. Den Text wird die Künstlerin Vera Vorneweg am 24. August bei einer Lesung vorstellen. © Stephan Rape
Vera Vorneweg an der Stadtbibliothek-Fassade
Vera Vorneweg (39) ist gerade mit ihrer Schreibperformance "Stadtspuren" in Ahaus beschäftigt. Bis zum 10. August und noch einmal vom 21. bis 24. August arbeitet sie direkt auf der Fassade der Stadtbibliothek. © Stephan Rape
Vera Vorneweg schreibt auf die Fenster der Stadtbibliothek
Der Text setzt sich aus Alltagsbeobachtungen zusammen, die Vera Vorneweg an sechs Stellen rund um das Kulturquadrat gemacht hat. Zufällige Begegnungen oder Gespräche kommen darin genauso vor, wie auffällige Passanten oder auch nur Beobachtungen zu einem Blatt, das sich in einer Pflasterfuge verfangen hat. © Stephan Rape
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Performance und Lesung

  • Vera Vorneweg arbeitet noch bis zum 10. August und dann noch einmal vom 21. bis 24. August an ihrer Installation auf der Fassade der Stadtbibliothek. Sie freut sich über Fragen oder Gespräche von und mit Passanten.
  • Am Freitag, 24. August, wird sie ihren Text und Teile ihres Buches „Kein Wort zurück“ bei einer Lesung in der Stadtbibliothek vorstellen. Beginn ist um 15 Uhr, Karten kosten sieben Euro und sind bei Ahaus Marketing und Touristik, Oldenkottplatz 2, oder online erhältlich; https://ahaus.de/kultur