Unbekannte überlagern seit einiger Zeit Radiofrequenzen in Ahaus und verbreiten krude Verschwörungstheorien. Eine Ahauserin hatte sich mit dem Fall an unsere Redaktion gewandt.

© Stephan Rape

Mit Video: Unbekannte kapern 1Live in Ahaus mit kruden Anti-Corona-Theorien

rn1Live-Frequenz

Piratensender in Ahaus? Unbekannte überlagern in Ahaus die Frequenzen des Radiosenders 1Live und übertragen krude Anti-Corona-Thesen. Die Bundesnetzagentur sucht nach den Urhebern.

Ahaus

, 31.03.2021, 11:19 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es klingt wie die Handlung aus einem schlechten Kriminalfilm oder nach einem ziemlich müden Aprilscherz: Jemand kapert eine Radiofrequenz und nutzt sie, um krude Theorien zu verbreiten. In Ahaus und Umgebung ist das seit einigen Wochen aber Realität: Unbekannte senden auf der Frequenz des Radiosenders 1Live Verschwörungstheorien gegen die Corona-Maßnahmen.

Eine Computerstimme verliest Sätze wie „Das menschliche Immunsystem braucht Kontakt. Warum haltet ihr Abstand?“ oder „Eine Krankheit, die man testen muss, um zu bemerken, dass man sie hat, ist keine gefährliche Krankheit. Warum habt ihr Angst?“, „Politiker werden seit jeher von der Wirtschaftslobby gesteuert. Warum vertraut ihr ihnen immer noch?“

Übertragung war unter anderem auf dem Adenauerring zu hören

Wer dafür verantwortlich ist, ist noch völlig unklar. Am Dienstag hatte sich eine Ahauserin an unsere Redaktion gewandt und hatte einen Videomitschnitt der Übertragung weitergeleitet. In dem kurzen Video ist zu hören, wie der Radiosender während der Fahrt durch die fremde Sendung überlagert wird. Eigener Aussage nach war die 22-Jährige dabei auf der Wüllener Straße, dem Adenauerring und der Straße Kottland unterwegs. Das ist auf dem Video auch zum Teil zu sehen. Ihren Namen möchte sie lieber nicht öffentlich lesen.

Jedenfalls sei ihr die Sendung in den vergangenen Wochen mehrfach auf dem Weg zur Arbeit aufgefallen. „Beim ersten Mal habe ich noch an einen komischen Zufall geglaubt“, sagt sie. Erst als die Sendung mehrfach aufgetaucht sei, habe sie sich gewundert. Auch anderen Ahausern waren in den vergangenen Tagen und Wochen die merkwürdigen Sendungen an verschiedenen Stellen in der Stadt aufgefallen. Auch aus Legden berichten Menschen von ähnlichen Übertragungen. Ob der Unbekannte von einem festen Punkt oder etwa aus einem Auto heraus auf Sendung geht, ist unklar.

Bundesnetzagentur sucht nach Quelle der Sendung

Inzwischen hat auch die Bundesnetzagentur Ermittlungen aufgenommen. Sie ist unter anderem für die Vergabe der Radiofrequenzen in Deutschland zuständig und kontrolliert, wer wo sendet. Dort liegen mehrere Störungsmeldungen aus den vergangenen Wochen rund um Ahaus vor. Wie Pressesprecher Michael Reifenberg auf Nachfrage erklärt, sei der Prüf- und Messdienst eingeschaltet. Er versucht zu ermitteln, wer für die Sendungen verantwortlich ist. Bisher aber ohne Erfolg. „Der Unbekannte scheint nicht ständig zu senden“, sagt Michael Reifenberg. Entsprechend schwierig sei es, ihm oder ihr mit Messtechnik auf die Spur zu kommen. Bisher seien die Meldungen allerdings auf das Ahauser Stadtgebiet begrenzt.

Jetzt lesen

Sogenannte „Piratensender“ würden immer mal wieder auftauchen. „Eine Handvoll im Jahr“, sagt Michael Reifenberg. Dass dabei allerdings fremde Radiofrequenzen überlagert würden, sei auch ihm neu. Diese „Radioprogramme“, die über kurze Zeiträume ausgestrahlt würden, gebe es in der Regel nur für sehr kurze Zeit. Eben auch, weil sie meist relativ schnell gemeldet würden. Wer ohne Lizenz auf Radiofrequenzen sendet, begeht übrigens keine Straftat, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit.

Empfindliche Bußgelder drohen für unerlaubtes Senden

Die allerdings mit empfindlichen Bußgeldern geahndet wird. Laut Bundesnetzagentur können die bei bis zu 500.000 Euro liegen. „Das ist natürlich nur die absolute Obergrenze“, erklärt Michael Reifenberg. Das richte sich auch immer danach, was tatsächlich vorgefallen ist. Den aktuellen Fall mag er in dieser Richtung nicht beurteilen.

1Live hat Stellungnahme angekündigt

Beim Sender 1Live ist das Thema unter anderem nach der Anfrage unserer Redaktion von Mittwoch bekannt: „Es gehen Meldungen bei 1Live ein, dass die Frequenz gekapert wurde“, erklärt Nicolas Parmann vom Westdeutschen Rundfunk auf Nachfrage. Diese Störungen werden demnach vor allem im Kreis Borken gemeldet.

Auch der WDR habe umgehend die Bundesnetzagentur informiert. Dieser gehe der Störung durch Vor-Ort-Messungen mit Messfahrzeugen und auch stationären Messeinrichtungen nach. Hörerinnen und Hörer können weitere Störungsmeldungen in diesem Zusammenhang direkt per E-Mail an die Bundesnetzagentur richten: koel8.postfach@bnetza.de.

Jetzt lesen

Auch die Polizei im Kreis Borken hat Ermittlungen aufgenommen. Aktuell werde geprüft, ob die Aussagen in der Sendung strafrechtliche Relevanz haben. Für die reine Überlagerung des Senders sei allerdings die Bundesnetzagentur verantwortlich, heißt es dazu.

Bernd Wening ist der Zweite Vorsitzende des Ahauser Ortsverbands des Deutschen Amateur-Radio-Clubs. Er geht davon aus, dass der unbekannte Sender in direkter Nähe sitzt. „Ein Radiosender sendet mit richtig viel Leistung. Den zu überlagern, funktioniert nur auf sehr kurze Distanz oder mit immenser Technik“, sagt er. Für diese Sicht spricht, dass die Überlagerung im Autoradio nach wenigen hundert Metern wieder abgerissen ist.

Eine Möglichkeit, um auf Radiofrequenzen zu senden, sind beispielsweise kleine FM-Transmitter. Sie sind in Deutschland nur mit sehr geringen Reichweiten erlaubt. Beispielsweise um Musik oder Gespräche von einem Mobiltelefon auf ein Autoradio zu übertragen. Im Internet sind sie allerdings auch mit deutlich größeren Reichweiten erhältlich, weil in anderen Ländern nicht so strenge Richtlinien gelten.