Tourette und Tritte gegen Polizisten 19-Jähriger kommt mit großem Schrecken davon

Tourette und Tritte gegen Polizisten: Riesiger Schrecken für 19-Jährigen
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Es war ein kapitaler Warnschuss vor den Bug, der am Montagmorgen sichtbar Wirkung zeigte: Ein 19-jähriger Niederländer hatte im vergangenen Sommer betrunken in Ahaus randaliert. Als die Polizei ihn in Gewahrsam nehmen wollte, trat er vermeintlich um sich. Eine Menge Alkohol und eine Erkrankung spielten dabei aber eine große Rolle.

Mit seiner Fußballmannschaft hatte er in einem Lokal in Ahaus lautstark gefeiert. Mannschaftsfahrt. Zuvor war den ganzen Tag schon reichlich Alkohol geflossen. „Viel zu viel. Asozial viel“, ließ der 19-Jährige über seinen Dolmetscher erklären.

Wegen der lauten Musik und weil sich die Gruppe nicht beruhigen ließ, trat die Polizei auf den Plan. Mehrere Beamte hatten Mühe, die Gruppe unter Kontrolle zu bringen. Zu viert überwältigten sie den jungen Mann schließlich.

Tritte wegen Tourette

„Ich habe geflucht. Das gebe ich zu und dafür will ich mich entschuldigen“, erklärte er direkt zu Beginn der Gerichtsverhandlung am Montagmorgen. Die Tritte seien aber keine Absicht gewesen: Der junge Mann leidet am Tourette-Syndrom. Gerät er unter Druck kann er verschiedene Körperbewegungen nicht kontrollieren. Auch im Gerichtssaal zuckte er immer wieder unwillkürlich.

„Ich wollte niemanden angreifen oder verletzen“, erklärte er. In der Situation vor Ort habe er nicht daran gedacht, die Polizisten auf seine Krankheit hinzuweisen. Auch die Sprachbarriere habe die Lage da nicht einfacher gemacht. „Ich wusste gar nicht, was die Beamten von mir wollten“, erklärte er vor Gericht. Mehrfach betonte er da aber noch, dass er niemanden habe angreifen wollen. Dass er krank sei. „Das ist medizinisch bewiesen“, sagte er.

Inzwischen halte er sich auch vom Alkohol fern. Exzesse oder Trinkspiele wie an jenem Sommerabend meide er komplett.

Angeklagter wird blass

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft skizzierte das Strafmaß: Ein tätlicher Angriff auf Polizisten im Dienst werde mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet. Eine Widerstandshandlung immer noch mit Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Nach einer Schrecksekunde, die er im Saal wirken ließ, schob er hinterher: „Das ist das Maximum. Darüber reden wir heute nicht.“

Der Angeklagte war da aber schon sichtbar bleich abgezogen und hatte die Augenbrauen hochgerissen. Erst einen Moment später realisierte er, dass es so schlimm wohl nicht kommen würde. „Ich muss mir über eine Haftstrafe keine Sorgen machen?“, fragte er. Richterin und Anklagevertreter verneinten – konnten sich ein Grinsen aber nicht verkneifen.

Auch die Eltern des Angeklagten, die den Prozess von den Zuschauerplätzen aus verfolgten, nahmen es mit Humor. Ihr Sohn lebe noch bei ihnen zuhause, sie bekämen genau mit, wann und wieviel er trinke oder feiere. Das würden sie aktuell genau im Blick behalten.

Der Staatsanwalt ließ den 19-Jährigen noch für einen Moment zappeln. „Wie machen wir hier weiter?“, stellte er als rhetorische Frage in den Raum. „Als Zeugen könnten wir auch noch die halbe Fußballmannschaft, die Polizisten und die Belegschaft des Hotels vorladen. Dann kommen wir natürlich heute nicht zum Schluss“, erklärte er vielsagend. „Haben Sie denn begriffen, dass der Fehler hauptsächlich bei Ihnen liegt?“, wandte er sich direkt an den Angeklagten.

Im ursprünglichen Strafbefehl war wegen des tätlichen Angriffs noch von 110 Tagessätzen die Rede. Dagegen hatte die Familie Einspruch eingelegt. Mit Erfolg. Am Ende der Verhandlung am Montag wurde das Verfahren gegen eine Geldauflage vorläufig eingestellt. Insgesamt 750 Euro muss der 19-Jährige zahlen. Der atmete laut durch. So etwas werde nie wieder vorkommen, beteuerte er.