Generalstreik im Nahverkehr Streik überrascht in und um Ahaus nur wenige Fahrgäste

Generalstreik: Streik überrascht in und um Ahaus nur wenige Fahrgäste
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Superstreik wurde der Generalstreik von Verdi und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVB) getauft. Auch in Ahaus und Umgebung fährt am Montag kein Zug und kaum ein Bus. Vor unlösbare Probleme stellt das aber die Wenigsten.

Kabir Alfindiki weiß davon (noch) nichts. Etwas verloren steht der 50-Jährige am Montagvormittag vor der elektronischen Anzeigetafel am Ahauser Busbahnhof. Über mehreren Verbindungen blinkt immer wieder die Schrift „entfällt“ auf. Kabir Alfindiki versteht das nicht. Er wohnt in Stadtlohn und besucht seit einigen Wochen einen Deutschkurs in Ahaus. Bis zum Verb „entfallen“, den Untiefen deutscher Fahrplanstrukturen oder gar streikenden Nahverkehrsgewerkschaften ist der aber offenbar noch nicht vorgedrungen.

„Streik? Heute? Den ganzen Tag?“, fragt der Nigerianer schließlich auf englisch. So ein Ärger, das habe er nicht gewusst. Er ist seit sechs Monaten in Deutschland. Davor habe er in der Ukraine studiert: Medizin. Er habe für seine Facharztprüfung in Urologie gelernt, bevor er vor dem Krieg dort flüchten musste. So habe es ihn nach Stadtlohn verschlagen.

Und an diesem Vormittag sei er eben in Ahaus am Busbahnhof gestrandet. „Sehr ärgerlich“, schimpft er – lächelt dabei aber so breit, dass sein silberner Eckzahn in der Sonne blinkt. Eigentlich habe er noch einen Termin in Stadtlohn, müsse dringend dorthin zurück. Vielleicht müsse er Taxi fahren, wenn er eines finde.

Taxi ist dann doch zu teuer

Taxikosten von rund 40 Euro lassen ihm dann aber doch für einen Moment die Gesichtszüge entgleisen. „Was?! Oh nein, das ist viel zu teuer für mich“, sagt er erschrocken und winkt ab. Irgendein Bus werde schon fahren. Irgendwie komme er schon nach Stadtlohn. Noch ein Blick auf die Anzeigetafel: Tatsächlich: In gut eineinhalb Stunden soll ein Bus in Richtung Borken abfahren. Und der fahre ja auch über Stadtlohn.

Ein paar Hundert Meter weiter steht eine Frau mit zwei großen Koffern an der Bushaltestelle am Marienplatz. Nach Münster wolle sie, komme gerade aus Stadtlohn. Nein, ihren Namen wolle sie nicht nennen.

Von dem Streik habe sie nichts gehört, gesteht sie lachend. Auch auf die Anzeigetafel habe sie noch nicht wirklich gesehen. „Oh“, entfährt es ihr, als sie dort reihenweise „entfällt“ lesen muss. Dann zuckt sie mit den Schultern. „Naja, kann man nichts machen“, sagt sie. Aber sicherlich werde ja noch ein Bus fahren. Irgendwie müssten die Leute ja nach Hause kommen. Tatsächlich taucht in diesem Moment die nächste Zeile auf der Tafel auf. In zwei Stunden soll ein S70 Richtung Münster fahren. „So lange setze ich mich eben ins Café“, erklärt die Frau und schnappt sich ihre Koffer.

Zwei Stunden später kommt der Bus tatsächlich. Online hatte die Fahrplanauskunft auch diesen bis zuletzt als „fällt aus“ gekennzeichnet. Es läuft eben längst nicht alles glatt. Aber trotzdem bleibt das befürchtete ganz große Chaos aus.

Nur vereinzelt fehlten Schüler

Auch Ulrich Kipp, Schulleiter am nahe gelegenen Berufskolleg für Technik, zieht ein entspanntes Fazit: „Vereinzelt haben es Schülerinnen oder Schüler heute nicht zum Unterricht geschafft.“ Dabei handele es sich aber tatsächlich um Einzelfälle. Normalerweise komme schon ein großer Teil der rund 2100 Schüler per Öffentlichem Nahverkehr.

Wie groß der Anteil genau ist, mag er nicht abschätzen. Jedenfalls hätten sich am großen Streiktag alle anscheinend irgendwie helfen können. „Das hatten wir deutlich dramatischer erwartet“, sagt er. Sein Eindruck am Montagmittag ist, dass die Folgen des Streiks deutlich schlimmer angekündigt worden seien, als sie am Ende eingetreten sind.

Blick auf den Ahauser Busbahnhof und das elektronische Display: Am Streiktag sind fünf von neun Verbindungen ausgefallen.
Fast alle regionalen Busverbindungen sind am Montag ausgefallen. Einzig die städtische Linie C87 ist regulär gefahren. Die Folgen des Streiks sollen – vor allem im Bahnverkehr – auch am Dienstag noch zu spüren sein. © Stephan Rape

Insgesamt ruhig und friedlich ist der Streik auch beim Regionalverkehr Münsterland über die Bühne gegangen. Zumindest bis zum Nachmittag. „Der Streik war ja lange vorab angekündigt. Wir gehen davon aus, dass sich alle Fahrgäste rechtzeitig umorientiert haben“, sagt Tino Nutsch, der beim RVM für die Öffentlichkeitsarbeit in den Kreisen Borken und Coesfeld zuständig ist.

Sowohl bei der Beschwerdehotline als auch in den diversen Online- und Social-Media-Kanälen sei der Streiktag bis dahin sehr glimpflich abgegangen. Einerseits sei das ja inzwischen schon geübte Praxis.

Prognosen für die kommenden Tage wagt er nicht. „Wir werden ja bestreikt“, sagt er. Entsprechend könne er nicht absehen, wie sich die Lage weiter entwickle.

Das hängt natürlich auch mit dem weiteren Verlauf der Verhandlungen zusammen, die am Montag gestartet sind.

Nach verschiedenen Medienberichten hat der bundesweite Streik am Montag auch in Ballungszentren nur vereinzelt für größere Staus gesorgt. Wie die Deutsche Presseagentur anhand von Verkehrsdaten ermittelt hat, soll lediglich in vier von 27 Städten und Regionen die durchschnittliche Fahrtzeit im Berufsverkehr um zehn Prozent höher gewesen sein als an normalen Tagen. In einigen Städten sei der Verkehr sogar zurückgegangen.

Die Folgen des Streiktages werden laut Deutscher Bahn auch am Dienstag noch im Fahrplan spürbar bleiben. Der gemeinsame Streiktag ist länger geplant gewesen, soll aber zunächst eine einmalige Aktion bleiben. Verdi will mit dem Warnstreik zum Start der dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst den Druck auf die Kommunen und den Bund erhöhen.

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