Stadtbekannter Randalierer muss länger in Haft 39-Jähriger will nie mehr nach Ahaus kommen

Randalierer muss länger in Haft: 39-Jähriger will nie wieder nach Ahaus
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Gut eineinhalb Jahre war der inzwischen 39-jährige Mann nicht mehr in Ahaus. Weil er seit Mitte 2023 in Werl im Gefängnis sitzt. Jetzt kam er zurück, in Handschellen, vor den Richter im Amtsgericht. Und muss noch länger in Haft als bisher gedacht.

„Ich bin hier aufgewachsen und ganz normal durch die Stadt gegangen. Jetzt das hier“, sagte er und deutete auf die Handschellen. Schon bevor er von zwei Wachtmeistern in den Saal geführt wurde, war schnell klar, dass sich diese Verhandlung in eine völlig ungewohnte Richtung entwickeln würde: „Wenn der mich hier jetzt gleich anspringt, wehre ich mich“, erklärte der Pflichtverteidiger dem Richter und deutete auf den Stuhl des Angeklagten. Eine Vorbereitung oder nur ein Gespräch mit dem Angeklagten sei ihm nicht möglich gewesen.

Vor seiner Haft war der stadtbekannte Mann praktisch täglich mit der Polizei in Konflikt geraten: Körperverletzung, Nötigung, zigfacher Angriff gegen Polizeibeamte und Beleidigung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch hatten ihm eine lange Haftstrafe eingehandelt.

Meistens war er dabei extrem betrunken: Promillewerte jenseits der 2,5 waren an der Tagesordnung. Mit 2,92 Promille hatten ihn Polizisten in der Innenstadt aufgegriffen – da konnte er sich noch massiv wehren. Mit 3,8 Promille sei er kaum anders als im nüchternen Zustand gewesen. Als er in leichten Schlangenlinien Fahrrad fuhr, zeigte das Messgerät immerhin noch 2,2 Promille Alkohol an.

Sieben neue Anklageschriften

Jetzt ging es noch einmal um sieben Anklageschriften: Beleidigung, Körperverletzung, Hausfriedensbruch, Diebstahl, Sachbeschädigung.

Denn auch nach dem ersten Urteil des Amtsgerichts war der Mann fast täglich aufgefallen: Mal, weil er Getränke oder Lebensmittel in einem Supermarkt stehlen wollte. Mal, weil er das gegen ihn verhängte Hausverbot im Ahauser Rathaus missachtete, und einen Mitarbeiter der Verwaltung schlagen wollte. Auch da hatte er immer wieder extrem unter Alkohol gestanden. Mal hatte er einem Supermarkt-Angestellten gedroht, ihn mit einer Flasche zu schlagen. Immer wieder bekamen die Polizisten, die sich mit ihm beschäftigen mussten, Beleidigungen, Spuckattacken oder versuchte Schläge und Tritte ab.

„Ich bin jetzt seit zehn Jahren in Ahaus. Mit dem Angeklagten hatten wir fast täglich zu tun. Und über die Jahre wurde es immer schlimmer“, erklärte eine 42-jährige Polizistin, die als Zeugin vor Gericht aussagte. Sie war eine von über zehn Zeugen.

Schon über zwei Stunden dauerte es, nur die sieben Anklageschriften vorzulesen. Immer wieder unterbrach der 39-Jährige, brüllte laut durch den Gerichtssaal, schlug mit der Faust mehrfach auf den Tisch, sprang auf und konnte nur mit Nachdruck von den Wachtmeistern in die Schranken gewiesen werden.

Insgesamt könne er sich an viele Details nicht erinnern. Aber weder habe er jemanden schlagen wollen, noch seien die Beleidigungen, die er ständig von sich gebe, gegen jemanden im Speziellen gerichtet. Aber er fluche und schimpfe eben ständig vor sich hin. „Die Polizisten beziehen das eben alles auf sich“, sagte er.

Überhaupt habe die ganze Stadt etwas gegen ihn. Ständig habe man wegen ihm die Polizei gerufen. „Wenn ich aus dem Knast komme, komme ich auf keinen Fall mehr nach Ahaus. Ich hasse diese Stadt“, schimpfte er und stürzte sich vor Gericht in die nächste minutenlange Tirade. Inklusive einiger Flüche und Beleidigungen, die aber ungeahndet blieben. Richter, Staatsanwalt, Verteidiger und Wachtmeister hatten Mühe, ihn zu beruhigen. Später unterbrach sich der Mann selbst: „Ich bin einfach nur fertig, fertig, fertig.“

Acht Stunden Verhandlung

Am Ende waren es knappe acht Stunden Verhandlung mit einer kurzen Mittagspause. Zumindest der zweite angesetzte Verhandlungstag blieb unnötig.

Vier der vorgeworfenen Taten hatte der Mann noch vor dem Urteil Ende Januar 2023 begangen. Sie wurden daher noch der damaligen Strafe zugerechnet: Damals hatte der Richter am Amtsgericht ihn zu 20 Monaten Haft verurteilt. Die Strafe hätte er im Dezember 2025 abgesessen. Drei Monate kamen jetzt noch dazu.

Weitere Taten hatte er dann noch zwischen Urteil und Haftantritt begangen: Dafür wurde er jetzt noch einmal zu einer neuen Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die zieht sich bis Mitte 2027. Das Gericht bewertete den Mann zumindest als vermindert schuldfähig. Wie es mit dem Mann nach der neuen Haftstrafe schließlich weiter geht, steht in den Sternen.

„Eine Therapie lehnt er ab“, erklärt sein Verteidiger gegenüber unserer Redaktion. Auch Medikamente wolle er nicht nehmen. Ein Gutachter hatte aber schon während der Verhandlung gesagt, dass eine genaue Diagnose und Behandlung nur im Rahmen einer langfristigen Therapie möglich sei. Auffällig sei, dass der Mann in der Haft offenbar keine Probleme mit dem Alkoholentzug gehabt habe. Auch das deute aber auf verschiedene körperliche Veränderungen hin.

Für eine dauerhafte Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung würden die Taten schon von der Menge und der Art nicht ausreichen. Zumindest neue Haftstrafen sind vorerst auch nicht mehr zu erwarten: „Das dürfte zwischen dem damaligen Urteil und dem Haftantritt alles gewesen sein“, erklärt der Verteidiger.