Sprung über Kreisverkehr Keine Strafe für Fahrer, der mit über 100 durch Ahaus raste

Sprung über Kreisverkehr mit über 100 km/h: Keine Strafe für 27-Jährigen
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Mit über 100 km/h ist ein heute 27-Jähriger nachts mitten durch Ahaus gerast. Über die Bahnhofstraße, die Heeker Straße gerast und wortwörtlich mitten über den Kreisverkehr Heeker Straße/Rottweg.

Sein Wagen wurde hoch geschleudert, knallte zurück auf die Straße geriet ins Schleudern und auf die Gegenfahrbahn und prallte schließlich in zwei geparkte Autos. Der Mann war auf der Flucht vor einer Gruppe, die ihn offenbar verprügeln wollte. Weil er Geld für gefälschte Turnschuhe zurückfordern wollte. 600 Euro.

Zumindest juristisch kommt er praktisch schadlos aus dem Fall heraus. Fast drei Jahre später.

600 Euro für ein Paar Schuhe

„Dass Sie über 100 km/h gefahren sind, ist ja unstrittig. Dass Sie den Unfall hatten auch. Was hat Sie geritten, so schnell zu fahren?“, will der Richter am Montagmorgen von ihm wissen. Auch jetzt noch sichtlich beeindruckt, schildert der Mann aus Niedersachsen, was sich im Januar 2021 in Ahaus zugetragen haben soll: Erst einmal habe er über Online-Kleinanzeigen ein Paar Schuhe von einem Ahauser gekauft. 600 Euro habe er dafür bezahlt.

Zuhause habe er dann festgestellt, dass die angeblichen Marken-Sneaker gefälscht waren. Mit einem Bekannten habe er sich dann kurze Zeit später wieder auf den Weg zu der Adresse in Ahaus gemacht, um die Sache zu klären und sein Geld zurückzufordern. Er arbeitet als Aushilfe in einer Sanitär- und Heizungsfirma.

Vor der Wohnung an der Königstraße hätten sie damals im Auto auf den Verkäufer gewartet. Doch der kam nicht allein, sondern mit einer ganzen Gruppe von Bekannten im Auto. „Die haben dann auf mein Auto und die Scheiben eingeschlagen. Die wollten sich sicherlich nicht friedlich mit mir unterhalten“, erklärte der 27-Jährige. In Panik habe er Gas gegeben.

Sein Beifahrer habe die Polizei angerufen und während der ganzen Fahrt mit den Beamten gesprochen. Auch beim Unfall, als der Wagen über den Kreisverkehr an der Heeker Straße flog, hart wieder auf der Straße aufprallte und schließlich erst von zwei geparkten Autos gestoppt wurde, habe der Beifahrer das Telefon am Ohr gehabt. Sie seien dann erst zu Fuß ein Stück geflüchtet, immer noch aus Angst vor der Verfolgergruppe.

Zum Glück kein Gegenverkehr

„Zum Glück hatte er da keinen Gegenverkehr“, erklärt einer der Polizisten, die damals vor Ort den Unfall aufgenommen hatten, dem Richter. Die Beamten waren wegen der gemeldeten Verfolgungsjagd gleich mit mehreren Streifenwagen ausgerückt. „Die Verfolger konnten wir vor Ort allerdings nicht namentlich ermitteln“, sagt der 44-jährige Polizeioberkommissar.

Dafür sei das Bild von der Unfallstelle umso eindrücklicher gewesen. „Das war schon ein deftiger Klatscher“, nannte es der Polizist. Das Unfallauto habe sich um die eigene Achse gedreht und auch die tiefen Schlagmarken im Asphalt hätten eine klare Sprache gesprochen.

Das Amtsgericht Ahaus durch den Torbogen des Schlosses
Drei Jahre nach der Verfolgungsfahrt hat das Verfahren jetzt endgültig ein Ende. Eine Strafe oder Geldauflage muss der mittlerweile 27-Jährige nicht bezahlen. © Markus Gehring

Vor Ort hätten mehrere Zeugen gestanden, die die Verfolgungsjagd gesehen hätten. Einer davon habe sich sogar danach noch telefonisch bei ihm gemeldet. Er habe ihm vor Gericht helfen wollen. In den Akten tauchte dessen Aussage allerdings nicht mehr auf.

Der Richter hakte noch einmal nach, warum der Mann damals mit halsbrecherischem Tempo über die Heeker Straße gefahren sei. „Mit über 100 statt den erlaubten 50“, machte er deutlich. „Weil ich einfach nur von diesen Leuten weg wollte“, sagte der 27-Jährige. Bis zum Kreisverkehr seien die unmittelbar hinter ihm gewesen. Auch das hätten die Zeugen bestätigen können. Er legte dem Gericht Whatsapp-Mitteilungen und Sprach-Nachrichten vor, die das untermauerten.

Geldauflage nicht gezahlt

Der Richter glaubt ihm. Zwei Insassen des Verfolger-Autos sitzen da noch als mögliche Zeugen vor dem Saal, sie werden allerdings nicht mehr gehört. Das Verfahren wird am Montag ohne Auflagen eingestellt. Lediglich seine Anwaltskosten muss der Mann tragen.

Dabei war das Verfahren eigentlich längst abgeschlossen: Bei einem vergangenen Termin war es bereits einmal vorläufig eingestellt worden. Gegen eine Auflage von 800 Euro. Doch das Geld hatte der 27-Jährige nicht gezahlt. „Er hatte das damals in der Verhandlung nur zähneknirschend hingenommen“, sagte sein Verteidiger. Im Nachhinein habe er dann nicht mehr eingesehen, das Geld zu zahlen. Weil er sich nicht im Unrecht gesehen habe.

Es kam jetzt zum erneuten Termin. Warum er beispielsweise die Chat-Protokolle und Sprachnachrichten nicht damals schon vorgelegt habe? Weil er durch seinen damaligen Verteidiger schlecht beraten worden sei. „Den habe ich eine halbe Stunde vor dem Prozess das erste Mal gesehen und nicht länger mit ihm gesprochen“, sagte er.

Der Richter gab ihm noch einen Satz mit auf den Weg: „Kaufen Sie Schuhe in Zukunft einfach in einem Geschäft.“ Verfahren eingestellt. Der Angeklagte nickte da nur noch und schnaufte laut hörbar durch.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 13. November 2023.

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