Hermann Volmer lässt den Rohrstock auf das Pult krachen. „Ruhe!“, donnert seine Stimme durch den kleinen Raum. Die Schülerinnen und Schüler der Anne-Frank-Realschule zucken in den Bänken zusammen. So einen Ton sind die Fünftklässler nicht gewohnt. Nicht im regulären Unterricht und schon gar nicht in der Woche vor den Sommerferien. Aber es ist eben auch kein normaler Unterricht. Sie sitzen an diesem Morgen in der kleinen Landschul-Klasse, die der Heimatverein Ahaus in einem der vier Schlosspavillons eingerichtet hat.
„Ja, so war der Ton früher“, sagt Hermann Volmer, jetzt mit deutlich leiserer, ruhigerer und sanfterer Stimme. Er trägt Zylinder, Gehrock, steifen Vatermörder-Kragen und geht ganz in seiner Rolle auf. Den Kindern will er einen Einblick in den Schulalltag längst vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte vermitteln.

Wer gefragt wird, muss sich für die Antwort hinstellen und gerade stehen. Miteinander tuscheln ist genauso verboten, wie sich umzudrehen. Etwas zu trinken oder gar im Klassenzimmer herumzulaufen, ist völlig undenkbar. Von anderem Unsinn fernab der Unterrichtsstunde ganz zu schweigen.
Hermann Volmer fragt Rechenaufgaben, Grundlagen der Biologie und das ABC ab. Für die Fünftklässler kein Thema. Aber sie hätten die Volksschule von damals ja auch praktisch schon hinter sich gelassen.
Der Lehrer an seinem Katheder wirkt erst einmal zufrieden. Um dann umso lauter und aufgebrachter einen der Schüler aus seiner Bank zu ziehen. Der habe getuschelt und sich so die Schläge auf den Hintern verdient, die ihm jetzt drohen. „Ich tue natürlich nur so und haue dich nicht“, flüstert Hermann Volmer dem kleinen Hüssein ins Ohr. Der spielt das Spiel mit und jammert theatralisch. So sehr, dass sich Hermann Volmer doch noch für einen Moment Sorgen macht: „Dir ist aber nichts passiert?“, fragt er. So ganz passt dem pensionierten Pädagogen die Rolle aus dem 19. Jahrhundert dann doch nicht.
Geheimnisse aus dem Schülerleben
„Ganz schlaue Kinder haben sich früher vor dem Unterricht Pappdeckel hinten in die Hose gesteckt“, erzählt Hermann Volmer den staunenden Kindern. Als Schutz vor dem Rohrstock. Ob er dabei aus seiner eigenen Schulzeit erzählt, darüber breitet er den Mantel des Schweigens.
Als Nächstes steht noch einmal das ABC an: Dieses Mal aber in Deutscher Schrift, die so ganz anders aussieht, als das, was die Schülerinnen und Schüler aus dem Alltag kennen. Entsprechend krakelig werden die ersten Schreibversuche, die noch dazu auf den kleinen Schiefertäfelchen geschehen. Doch auch damit gibt sich der strenge Dorflehrer an diesem Tag zufrieden. Glück gehabt.

Die Stunde nähert sich ihrem Ende. Hermann Volmer fragt noch die Märchen ab, die auf bunten Wandbildern dargestellt sind. Und scheint zufrieden. Alle Fragen beantwortet. „Ihr seid ja richtig gut“, lobt er fröhlich – schon wieder weit weg vom schreienden und prügelnden Dorflehrer vergangener Jahrhunderte. Dann läutet er die Glocke. Wechsel mit dem anderen Teil der Schulklasse.
Die war bis gerade mit Rudolf Schmitz, Leiter des Schulmuseums, im übrigen Teil der Ausstellung unterwegs. Hat dort Schulhefte, das Harmonium, die Ledertornister und Schaubilder genau unter die Lupe genommen. Sie alle scheinen ehrlich begeistert von dem Eindruck aus längst vergangenen (Schul-)Zeiten. Und freuen sich umso mehr auf die anstehenden Ferien.
Führungen in den Sommerferien
Für den Heimatverein Ahaus stellt das Schulmuseum im südlichen Torhaus und dem eingerichteten Dorfschulklassenraum im südwestlichen Pavillon eines der Hauptstandbeine seiner Arbeit dar. Die Führungen seien extrem beliebt, betont Ralf Büscher, Vorsitzender des Heimatvereins.
Drei seien allein jetzt in den Sommerferien geplant. Auch dabei betont er, dass die gesamte Arbeit natürlich ehrenamtlich geleistet werde. Entsprechend schwierig sei es, während der Urlaubszeit, alle Zeiten zu besetzen. „Wir haben es aber geschafft“, sagt er. Die Termine für die Führungen sollen in Kürze auf der Internetseite des Heimatvereins veröffentlicht werden (https://heimatverein-ahaus.de/events). Sie können dann entweder online oder über Ahaus Marketing und Touristik (AMT) gebucht werden.
Parallel bietet der Heimatverein auch in den Ferien seine regelmäßigen Sprechzeiten im Ahauser Schloss an und steht beispielsweise für den gesamten Bereich Ahnenforschung zur Verfügung – montags von 16 bis 18 Uhr, donnerstags 18 bis 19 Uhr.
Öffnungszeiten der Museen auf der Schlossinsel
Schulmuseum
Montag geschlossen
Dienstag bis Freitag 15.00 bis 17.00 Uhr
Samstag, Sonntag und an Feiertagen 14.00 bis 17.00 Uhr
Industriemuseum
Samstag, Sonntag und an Feiertagen
14.00 bis 17.00 Uhr
Eintritt und Führungen sind kostenlos.
Führungen mit Oldenkott‘s Natz zur Schlossgeschichte und einen Blick ins Tabakmuseum gibt es auf Anfrage beim AMT, Tel. 02561/444444; https://ahaus.de