Schicksal im Zweiten Weltkrieg Jüdin Marga de Jong überlebte und ging nach Australien

Kriegsschicksal: Jüdin Marga de Jong überlebte und ging nach Australien
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Heute sei an die jüdischen Kinder Marga, Herbert und Henny de Jong und deren Familie erinnert, die in einem Haus an der Coesfelder Straße 25 aufgewachsen sind. Heute befindet sich dort das Restaurant Sherlocks, früher das Ratshotel, wo seit 2005 fünf Stolpersteine für die Familie liegen. Herbert und Henny sind vor 99 beziehungsweise 96 Jahren am 9. November 1923 und 11. November 1926 geboren worden.

Ihre ältere Schwester Marga kam am 20. Mai 1922 zur Welt. Ihre Eltern waren der Viehhändler Adolf de Jong, Sohn des Haaksbergeners Simon de Jong, der sich 1860 in Ahaus angesiedelt hatte, und Frieda, geb. Devries, die gebürtig aus Weeze am Niederrhein stammte.

Schulzeit mit Schikanen

Marga und Henny de Jong erlebten auf der Wallschule, der Ahauser Mädchen-Volksschule, eine relativ unbeschwerte Schulzeit. Ihr Bruder Herbert hatte sich als Schüler der Bernsmannskampschule, der Ahauser Jungen-Volksschule, hingegen zahlreicher Schikanen seiner Mitschüler zu erwehren.

Kinderschützenfeste der Coesfelder Straße in den 1920er- und 1930er-Jahren haben die De-Jong-Kinder jedoch mitgefeiert, wie Fotos aus jener Zeit beweisen. Schon 1934 wurden die Familie de Jong und ihr Haus jedoch von grölenden Schülergruppen attackiert.

Marga de Jong
Marga de Jong © privat

Als in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 – an Herberts 15. Geburtstag – der im Ersten Weltkrieg ausgezeichnete Vater Adolf de Jong zusammengeschlagen, Mutter Frieda misshandelt und das Haus zerstört wurde, flüchtete die Familie über die Grenze in die Niederlande und wurde dabei völlig auseinandergerissen.

Während Adolf de Jong in ein Flüchtlingslager eingewiesen wurde, suchten die Kinder in verschiedenen Heimen und Familien Unterschlupf. Frieda de Jong bemühte sich monatelang um eine Zusammenführung der Familie und um Pässe für eine Auswanderung nach Übersee.

Tod im Konzentrationslager

Aber nur ihr selber gelang schließlich die Flucht in die Dominikanische Republik. Während Henny de Jong Ende 1942 aus einem Kinderheim in Arnheim in das Lager Westerbork/NL, wo ihr Vater schon länger einsaß, verschleppt wurde, wurde ihr Bruder Herbert zur gleichen Zeit aus einer Familie in Winterswijk heraus nach Westerbork gebracht.

Alle drei deportierte man am 14. September 1943 nach Auschwitz, wo Henny mit 16 Jahren und ihr 61-jähriger Vater drei Tage später in der Gaskammer ermordet wurden. Herbert starb nach monatelanger Sklavenarbeit im März 1944 im Alter von 20 Jahren an Hunger und Entkräftung.

Marga de Jong, verheiratete Szwarcbard, hat Ahaus im Jahr 1987 besucht.
Marga de Jong, verheiratete Szwarcbard, hat Ahaus im Jahr 1987 besucht. © privat

Seine ältere Schwester Marga konnte mit Hilfe niederländischer Helfer auf Bauernhöfen in Aalten untertauchen und überlebte so die NS-Zeit. Nach dem Krieg heiratete sie und wanderte 1949 als Marga Szwarcbard mit ihrem Mann nach Australien aus, wohin ein Jahr später auch ihre Mutter Frieda aus Santo Domingo übersiedelte. Marga bekam zwei Kinder, die ihr vier Enkel bescherten. Im Jahre 1987 war Marga Szwarcbard einmal zu Besuch in Ahaus.

Nach dem Tod ihrer Mutter, die 1964 mit 75 Jahren starb, und dem Tod ihres Mannes, der 1982 mit 65 Jahren starb, hielt Marga noch längere Zeit brieflichen Kontakt zur befreundeten Ahauser Familie Rode, bis es ihr gesundheitlich immer schlechter ging und sie im Jahre 2007 mit 85 Jahren verstarb. Im Jewish Holocaust Museum in Melbourne hat Marga einen Lebensbericht hinterlassen. Ihre Enkelin Amanda Szwarcbard war im Jahre 2017 auf den Spuren ihrer Großmutter in Ahaus und Aalten.

Dieser Artikel erschein zuerst am 9.11.2022

In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv und auf Initiative des VHS-Arbeitskreises Ahauser Geschichte 1933-1945 veröffentlichen wir in loser Folge die Geschichten und Schicksale der Ahauser, die während des Holocausts aus Ahaus verschleppt wurden.

Damit wollen wir einen kleinen Teil dazu beitragen, das Andenken an diese Menschen wachzuhalten. Das WDR-Portal (www.stolpersteine.wdr.de) zu allen Stolpersteinen in NRW ist seit kurzem erreichbar.