Es ist der 37. Geburtstag von Sabrina Beck aus Ahaus. Sie sitzt gerade mit ihrer Familie am Küchentisch, als ihr Vermieter vor der Tür steht. Er übergibt ihr einen Brief: Anmeldung auf Eigenbedarf.
Es vergehen zwei Jahre, in denen Sabrina Beck nach einer neuen Wohnung sucht, doch es kommen nur Absagen. Der Grund soll sein: ihre vier Kinder.
„Es sieht immer gut aus, bis ich meine vier Kinder erwähne“, berichtet die inzwischen 39-Jährige. „Dann kommen Sachen wie, die Kinder wären zu laut oder die Nachbarn wollen keine Kinder und ähnliche Gründe.“
Und weiter: „Wenn ich dann mal bei einer Besichtigung war, waren da noch 20 andere Interessenten.“ Bislang habe sie immer die gleiche Erfahrung gemacht: „Kein Vermieter will eine Familie mit vier Kindern.“
Sieben Jahre lang hat Sabrina Beck zusammen mit ihren Kindern auf dem Hessenweg in Ahaus gewohnt. Sie ist alleinerziehend, eine Zeit lang hat noch ihre älteste Tochter bei ihr gewohnt, die ist nun aber ausgezogen. Noch bei Sabrina Beck wohnen die vier minderjährigen Geschwister, 16, 14, 11 und 10 Jahre alt.
Sabrina Beck ist zurzeit arbeitssuchend, weil sie sich erstmal darauf fokussieren wollte, ein neues Zuhause zu finden. Die Kosten dafür würde die Stadt Ahaus übernehmen. Bis 750 Euro darf die Kaltmiete kosten.
Zusammenarbeit mit Wohn-Mobil
Dass die Wohnungssuche für alleinerziehende Mütter schwierig ist, kann auch Ingo Hoppe bestätigen. Er ist Mitarbeiter bei „Wohn-Mobil“, einem Projekt des Vereins für katholische Arbeiterkolonien in Westfalen – auch Sabrina Beck hat sich an das Projekt gewandt.
Verallgemeinernd kann Ingo Hoppe sagen: „Alleinerziehende Frauen mit mehreren Kindern, die möglicherweise auch noch auf Bürgergeld angewiesen sind, erfüllen nahezu alle Ausschlusskriterien auf dem Wohnungsmarkt.“ Auf den Punkt gebracht: „Solche Frauen haben unter den vielen anderen Mitbewerben kaum bis gar keine Chancen auf eine Wohnung.“
Und ja, für viele Vermieter seien Kinder tatsächlich ein Ausschlusskriterium. „Wir hören immer wieder, dass Betroffene oftmals direkt gesagt bekommen, dass Kinder nicht erwünscht sind. Dann kommt die Frage, ob die Mutter das überhaupt alleine schafft oder dass die Familie ja dann im Erdgeschoss wohnen müsste, weil es sonst zu viel Krach gibt“, so Ingo Hoppe.
Die Kernaufgabe von „Wohn-Mobil“ ist es, Menschen präventiv vor Wohnungslosigkeit zu bewahren. Das gelingt, indem bei drohendem Wohnungsverlust möglichst schnell interveniert wird, damit ein Wohnsitz gar nicht erst verloren geht.
Einen exklusiven Zugang zum Wohnungsmarkt hat das Projekt nicht, aber ein gutes Netzwerk. Unterstützungsangebote neben der Vernetzung sind unter anderem Kontaktaufnahme mit Vermietern oder auch Hilfe bei behördlichen Angelegenheiten.
Wohnungssuche über Flyer
Um eine Wohnung zu bekommen, hat Sabrina Beck viele Bewerbungen geschrieben. Wie viele es schon waren, kann sie nicht mehr sagen. „Minimal 60 Stück“, gibt sie erst an, dann korrigiert sie nochmal. „Ich schreibe eigentlich jeden Tag Leute an, sobald ein neues Angebot reinkommt“, erklärt sie. Dafür nutzt sie die gängigen Wohnungsplattformen, aber auch Kleinanzeigen und das Portal „Meine Stadt.“
Aber auch andere Möglichkeiten hat sie schon ausprobiert. In Supermärkten und im Krankenhaus hat sie Flyer aufgehängt. Auf denen hat sie ihre Situation geschildert, darunter dann einen Zettel mit ihrer Telefonnummer zum Abreißen gehängt. „Da hat sich aber nie jemand gemeldet“, so die 39-Jährige.
Und deswegen hat sich an der Situation von Sabrina Beck über die zwei Jahre hinweg nichts geändert. Dass sie überhaupt diese zwei Jahre Zeit bekommen hat, wurde vor dem Amtsgericht Ahaus als Vergleich mit dem Vermieter angeordnet. Im Dezember 2024 sind diese zwei Jahre ausgelaufen.
Sabrina Beck, noch immer ohne Wohnung, bekommt dann den zweiten Brief: Am 23. April 2025, um 10 Uhr, steht der Gerichtsvollzieher vor der Tür.
„Dann würden meine Kinder und ich auf der Straße leben“, spricht Sabrina Beck offen aus. Um dem zu entgehen, müsste sie in der Notunterkunft in der Heeker Straße in Ahaus unterkommen.
„Dann wäre ich mit den vier Kindern in einem Raum untergebracht und Bad und Küche müssten wir uns mit anderen teilen“, erklärt Sabrina Beck. Über diesen Umstand habe sie bereits das Jugendamt in Kenntnis gesetzt.
Eine Nachfrage bei der Stadt Ahaus. Die kann zwar zum Einzelfall von Sabrina Beck keine Auskunft geben, bestätigt aber, dass die Unterbringung in der Notunterkunft eine Möglichkeit ist, um Obdachlosigkeit zu verhindern.
Das Jugendamt kümmert sich in erster Linie um das Wohl der Kinder. Wenn das gefährdet ist – wie möglicherweise in einer Notunterkunft – müssen Alternativen geboten werden. Wie diese konkret aussehen, hängt wieder vom Einzelfall ab.