Von der Redakteurin zur Schulleiterin in Ahaus „Motivation, dass man etwas Gutes tun kann“

Von der Redakteurin zur Schulleiterin in Ahaus
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Der Bürostuhl in Hilke Hagemeisters Büro ist noch brandneu. „Gestern erst angekommen“, sagt sie und lacht. Weihnachtsdeko steht auf dem Regal hinter ihr, daneben eine Weltkugel. Auf dem Türschild das Wort „Schulleiterin“. Knapp sechs Monate ist es her, dass die 45-Jährige in das Büro der Anne-Frank-Realschule eingezogen ist.

Sie lacht. „Ich fühle mich pudelwohl.“ Dass sie hier mal landen würde, war der gebürtigen Dortmunderin vor wenigen Jahren nicht klar.

Ein ungewöhnlicher Weg

Nach dem Abitur entscheidet sich Hilke Hagemeister für ein Praktikum bei den Ruhr Nachrichten. Danach geht’s für sie ins Studium. Neuere Deutsche Literaturwissenschaft – ein Teil der Germanistik – sowie Philosophie und Kunstgeschichte.

Bis zum Magisterabschluss arbeitet sie als freie Mitarbeiterin bei den Ruhr Nachrichten. Danach bietet man der Dortmunderin ein Volontariat an. „Ich wusste, dass ich viel lernen kann“, erinnert sich Hilke Hagemeister.

Das sollte sich bewahrheiten. Während der zwei Jahre lernt sie unterschiedliche Teams und Städte kennen. Ortsteile von Dortmund, die sie vorher noch nie gesehen hat. „Ich hab im Volontariat einen Stadtplan bekommen und dann gings los“, erinnert sie sich und lacht. Natürlich gab es auch anderweitige Unterstützung. Eine prägende Zeit. „Man lernt viel über Menschen. Und auch über die Wertschätzung anderer Menschen.“

Ein Stück weit auch Werkzeug fürs Leben. „Wenn man über jemanden schreibt, dann vertrauen sich die Menschen einem an.“ Und mit diesem Vertrauen richtig umzugehen, seien nicht nur journalistische, sondern auch menschliche Grundsätze. „Man muss lernen, Menschen wahrzunehmen und dann in dem Text richtig darzustellen.“

Durch Zufall zur Berufung

Nach dem Volontariat bekommt Hilke Hagemeister eine Redakteurstelle in Dortmund. Ein paar Jahre geht es so weiter, die Dortmunderin spricht mit Menschen, schreibt Texte. Dann wird sie im Schulprojekt eingesetzt.

Ein Projekt der Ruhr Nachrichten, in dem Redakteure Schülern etwas über Journalismus und Tageszeitungen beibringen. Das macht sie einige Jahre, hat Spaß daran und sieht den Wert der Arbeit. „In mir ist Stück für Stück der Wunsch gewachsen, immer mehr bewegen und die Schule prägen zu können.“ Das erste Mal wird die Idee konkret, Lehrerin zu sein.

„Durch diese Erfahrung habe ich mir Gedanken gemacht, ob das was für mich wäre“, die 45-Jährige lächelt, erinnert sich. Sie holt sich unterschiedliche Einschätzungen. Wird in der Idee bestärkt. Die Vision wächst weiter. Bis zur Entscheidung, den Weg zu gehen.

Aufbauend auf den Magisterabschluss ist die Dortmunderin durch den Berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst (OBAS) Lehrerin geworden. Und hat sich dann Schritt für Schritt in die Schulleitung hochgearbeitet.

Erst als Lehrerin an einer Realschule in Dortmund – mit den Unterrichtsfächern Deutsch und Praktische Philosophie. Sie erinnert sich an ihre erste eigene Klasse.„Da spürt man wirklich die intrinsische Motivation, dass man etwas Gutes tun kann.“ Die nächste Station ist eine Stelle als Konrektorin an einer Realschule in Bergkamen. Und schließlich die Anne-Frank-Realschule.

Nächste Station: Schulleitung

Der Schulgong ertönt. Die letzten Tage vor den Weihnachtsferien neigen sich dem Ende zu. Mit 90 Lehrern und 900 Schülern warten auch im neuen Jahr neue Herausforderungen auf die 45-jährige Schulleiterin. Für sie an erster Stelle: Die Kinder. „Sie sollten in all unserem Tun und Denken im Mittelpunkt stehen. Das habe ich gelernt, nie zu vergessen.“ Der Schlüssel sei Vertrauen.

Und dafür ist es wichtig, ansprechbar zu sein. „Ich möchte in Bewegung sein und nicht an diesem Stuhl festkleben“, sagt sie und deutet auf den neuen Bürostuhl. Sie legt auch großen Wert darauf, weiterhin selbst zu unterrichten. „Weil ich alle praktischen Herausforderungen, die Unterricht fordert, erleben und meistern möchte.“

Hilke Hagemeister am Schreibtisch in Anne-Frank-Realschule
In ihrem neuen Büro hat sich Hilke Hagemeister schon gut eingelebt. Der 45-Jährigen ist wichtig, nicht am Schreibtisch festgenagelt zu werden, sondern sich in der Schule bewegen zu können. Da zu sein. © Jule Lamers

Hier in Ahaus fühlt sie sich wohl. „Ich habe eine wunderschöne Schule bekommen, in der ich angekommen bin und in der ich ankommen durfte.“ Ausschlaggebend dabei seien die Menschen, die sie umgeben. Die Atmosphäre und das Engagement. „Menschen, die auch die Kinder in den Mittelpunkt stellen und Lösungen suchen.“

Authentisches Vorbild sein

Als zentrale Aufgabe sieht Hilke Hagemeister, Mut zu behalten und die Zukunft im Blick zu halten. „Ich habe hier ein Kollegium, das sich das genauso wünscht, wie ich.“ Kollegen, die sehr praxisnah an der Arbeitswelt arbeiten. „Wir schauen hier immer: ‚Was hat das eigentlich mit dem Leben zu tun?‘“. In Zeiten von Veränderungen der Gesellschaft, Krieg oder Flucht sei das immer wichtiger. „Ich möchte ein guter Wegbegleiter sein.“

Außerdem: Echt und verlässlich. Dafür möchte Hilke Hagemeister einen Raum schaffen, in dem sich Erwachsene wohlfühlen und authentisch sein können. „Nur dann können sie den Kindern ein Vorbild sein und sie in den Mittelpunkt stellen.“

Dazu gehört auch, den Kindern auf Augenhöhe zu begegnen und sie ernst zu nehmen. „Alle Schüler sollen wissen, dass ihre Stimme auch in schwierigen Situationen gehört wird.“ Und das vollkommen unvoreingenommen. „Das ist mein Auftrag. Das gibt mir Freude, wenn ich das schaffen kann, wenn ich da wirksam sein kann.“

Hilke Hagemeister möchte den Kindern einen emotionalen Ort bieten, der ihnen auch rückblickend Kraft schenkt. „Wenn ich schaffen kann, dass Schule nicht nur ein paar Stunden Unterricht ist.“ Dafür soll Unterricht anders gestaltet werden, Fächer nicht nur in Schubladen vermittelt, sondern miteinander verbunden werden. „Das systemische Denken bei Kindern fördern.“ Sie in ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Selbstwirksamkeit bestärken.

Eine große Aufgabe. Aber von Angst keine Spur. „Ich bin nicht allein“, sagt Hilke Hagemeister und lächelt. „Ich habe ein Team, wir schaffen das.“

Hilke Hagemeister vor Anne Frank Bildern
Nach den ersten sechs Monaten als Schulleiterin kann Hilke Hagemeister sagen: "Ich bin richtig glücklich und komme jeden Tag unheimlich gerne.“ Sie ist froh, dass ihr persönlicher Weg genau so aussieht. „Das ist eben mein Lebensweg.“ © Jule Lamers