Razzia im Nagelstudio Illegaler Aufenthalt und Verdacht auf Schwarzarbeit

Razzia im Nagelstudio: Illegaler Aufenthalt und Verdacht auf Schwarzarbeit
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Hat die Razzia im Nagelstudio in der Ahauser Innenstadt am vergangenen Montag etwas ergeben? 18 Einsatzkräfte des Hauptzollamts Münster hatten das Studio sowie eine Privatwohnung den ganzen Tag lang auf den Kopf gestellt. „Sie haben umfangreiches Material sichergestellt“, sagt Britta Flothmann, Pressesprecherin des Hauptzollamts Münster, am Donnerstag (24. Oktober) auf Nachfrage unserer Redaktion.

Die Auswertung laufe zwar noch, schon jetzt könne sie aber sagen, dass der Anfangsverdacht durch das Material gestützt werde. Demnach geht es weiter um den Verdacht des Sozialversicherungsbetrugs. Um Personen, die in dem Nagelstudio gearbeitet haben, die aber nie zur Sozialversicherung angemeldet gewesen sind.

„Durch das Nagelstudio wurden Barzahlungen generiert, die dann mutmaßlich für die Zahlung von Schwarzlohn genutzt wurden“, sagt Britta Flothmann.

Zollbeamte stehen vor der Tür des Nagelstudios am Markt in Ahaus
18 Einsatzkräfte des Hauptzollamts Münster hatten am Montag (21. Oktober) das Nagelstudio in der Ahauser Innenstadt sowie eine Privatwohnung durchsucht. Die Auswertung der sichergestellten Unterlagen läuft aktuell noch. © Stephan Rape

Mit einigen Tagen Abstand nennt sie auch weitere Details zu der Durchsuchung und zu weiteren Zwischenfällen: Demnach sei es bei der Durchsuchung zu einem Fluchtversuch gekommen: Eine männliche Person habe versucht, durch den Hinterausgang des Nagelstudios sowie durch den Keller zu fliehen.

Weitere Einsatzkräfte konnten den Mann jedoch vorläufig festnehmen. Wie sich dann herausstellte, war der Vietnamese weder im Besitz einer Arbeitserlaubnis, noch hielt er sich legal in Deutschland auf. Eine weitere Person mit vietnamesischer Staatsangehörigkeit wurde ohne Aufenthaltstitel in der nahegelegenen Privatwohnung angetroffen. Deren Pass wurde ebenfalls sichergestellt.

Schlafplätze im Keller des Studios

Im Keller des Nagelstudios seien außerdem mehrere Schlafplätze sowie eine nicht näher genannte Menge Kleidung festgestellt worden. Welche oder wie viele Personen sich dort aufgehalten haben, mag sie nicht abschätzen. Als Wohnfläche sind die Kellerräume natürlich nicht vorgesehen.

Nähere Angaben zu den Personen macht Britta Flothmann auch auf Nachfrage nicht. Das Verfahren laufe noch, alles Weitere müssten die Ermittlungen bringen. Auch über den Verbleib der beiden Personen sagt sie erst einmal nichts. Sie würden wohl zur Ausreise aufgefordert.

Der Betrieb im Nagelstudio geht indes weitgehend unbeeindruckt weiter. Eine Nachfrage vor Ort bringt am Donnerstag wenig: Der Mitarbeiter im Nagelstudio gibt am Mittag vor, nichts zu verstehen. Er arbeite dort nur. Verantwortlich sei er nicht. Einen Ansprechpartner kann oder will er nicht nennen.

Online gibt das Studio seit Mittwoch (23. Oktober) eine neue Kontaktnummer an. Ein Impressum oder einen namentlich genannten Ansprechpartner gibt es dort aber auch nicht. Unter der Handynummer meldet sich derselbe Mitarbeiter. Auch telefonisch ist kaum eine Verständigung möglich. Wenigstens ein Rückruf lässt sich vereinbaren.

Studio wird seit 2019 betrieben

Nach kurzer Zeit meldet sich ein „Freund“ und „Übersetzer“ des Angestellten. Seinen Namen will er nicht nennen. Und nein, mit dem Betrieb selbst habe er nichts zu tun. Er wolle aber übersetzen. Antworten könne er aber auch nicht geben. Der Angestellte, der nun anscheinend doch der Mieter der Räumlichkeiten ist, wolle keine Fragen beantworten.

Wolfgang Schmidtmann von der AS Hausverwaltung ist für die Vermietung des Ladenlokals zuständig. Seit 2019 ist das Nagelstudio dort ansässig. Probleme habe es in der Zwischenzeit nie gegeben.

Auch von den entdeckten Schlafplätzen im Keller wisse er nichts: In den öffentlich-zugänglichen Räumen und Fluren habe es nichts Auffälliges gegeben. In die separaten Kellerräume des Unternehmens habe er natürlich keinen Einblick gehabt.

Wirklich überrascht sei er von der Entwicklung aber auch nicht. Allerdings habe ihm der Mieter noch nach der Razzia gesagt, dass alles in Ordnung sei und nichts gefunden worden sei. Das stimmt ja offensichtlich nicht.

Die Durchsuchung am Montag (21. Oktober) erfolgte mit einem richterlichen Beschluss. „Sie war also entsprechend vorbereitet, die Ermittlungen hatten sich schon länger hingezogen“, sagt Britta Flothmann.

Weitere Details könne sie dazu allerdings nicht nennen. Nur so viel: Einerseits gehe man natürlich Hinweisen nach. Der Zoll kontrolliere andererseits auch anlass- und verdachtslos. Regelmäßig würden ganz unterschiedliche Betriebe kontrolliert, ob Angestellte dort korrekt registriert seien, ob Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden und alle notwendigen Unterlagen vorliegen. „Das geschieht sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite und zieht sich durch alle Branchen“, sagt sie.

Unternehmen im Fokus des Zolls

Natürlich gebe es aber auch Wirtschaftszweige, die besonders im Fokus stehen. Beispielsweise die Baubranche oder eben auch Nagelstudios. Im vergangenen Jahr etwa berichtete das Hauptzollamt von einer großangelegten Kontrollaktion gegen Menschenhandel, Zwangsarbeit und Ausbeutung der Arbeitskraft.

Da hatten Zöllner insbesondere vietnamesische Nagelstudios und Imbisse im ganzen Münsterland unter die Lupe genommen. Dabei waren sie auf mehrere ausländische Arbeitnehmer gestoßen, die ohne den zwingend notwendigen deutschen Aufenthaltstitel bei der Arbeit angetroffen wurden und sich demzufolge mutmaßlich illegal in Deutschland aufhielten und die zum Teil ebenfalls versucht hatten zu fliehen.

Die Ermittlungsverfahren wegen so genannter Arbeitsausbeutung nehmen in ganz Deutschland zu: Das bedeutet, dass jemand die persönliche Zwangslage oder die Hilflosigkeit einer anderen Person ausnutzt, um sie ganz ohne Lohn oder für nur sehr wenig Geld für sich arbeiten zu lassen. Das Bundeskriminalamt hat 2023 36 abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen Arbeitsausbeutung gezählt – ein Höchststand. Und die Dunkelziffer dürfte noch viel höher sein.

Diesen Artikel haben wir am 24. Oktober 2024 veröffentlicht.