Im April 2020 nahm die Polizei eine Drogenplantage in einem Haus an der Tenbrinkstraße hoch. Die Ermittlungen laufen noch immer und brachten jetzt einen 27-jährigen Stadtlohner vor das Schöffengericht.

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Prozess wegen Drogenhandels: Richter schimpft über Steuerverschwendung

rnNach Drogenrazzien

Gewerbsmäßigen Drogenhandel hat die Staatsanwaltschaft einem 27-jährigen Stadtlohner vorgeworfen – und ihn vor Gericht gebracht. Doch der Vorwurf stand auf tönernen Füßen.

Ahaus

, 24.08.2021, 16:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Drogenrazzien in Ahaus an der Tenbrinkstraße und in Stadtlohn-Büren vom Frühjahr 2020 ziehen immer noch Verfahren nach sich. Bei den Ermittlungen dazu stieß die Polizei auch auf einen heute 27-jährigen Stadtlohner, der Anfang 2020 per Whatsapp bis zu einem Kilo Marihuana von einem 31-jährigen Ahauser kaufen wollte. Per Whatsapp liefen damals die Verkaufsverhandlungen.

Deswegen stand der 27-Jährige am Dienstag vor dem Schöffengericht Ahaus. Der Vorwurf: Drogenhandel in nicht geringer Menge. Doch davon blieb vor Gericht nicht viel übrig.

Dünner Chatverlauf ist der einzige Hinweis auf die Tat

Lediglich einen dünnen Chatverlauf hatte die Polizei gegen den Mann vorbringen können: Darin unterhielt er sich mit einem 31-jährigen Ahauser darüber, dass er zunächst ein Kilo Marihuana bestellen wolle. Der entgegnete, dass das aber nicht möglich sei. Schließlich ging es noch um zweimal 200 Gramm Drogen. Doch auch darüber wurde man sich nicht einig: Der Preis stimmte offenbar nicht. Ein Geschäftsabschluss war zumindest dem Chatverlauf nicht zu entnehmen.

Der Angeklagte schwieg vor Gericht. Auch der 31-jährige Ahauser, der trotz Ladung zunächst nicht erschien und von der Polizei vorgeführt werden musste, machte zu den Chatverläufen keine Aussage. Weil er sich möglicherweise selbst belastet hätte, konnte er vor Gericht schweigen.

Richter hatte nichts anderes als Schweigen erwartet

„Das war ja zu erwarten“, sagte der Richter schulterzuckend. Dennoch beharrte die Staatsanwältin auf ihrem Vorwurf. Der Chatverlauf beweise, dass es sich um ein Verkaufsgespräch für Drogen gehandelt habe. Die Menge spreche dafür, dass die Drogen für den Weiterverkauf gedacht gewesen seien. Da nicht klar sei, ob die Drogen tatsächlich ausgeliefert wurden, komme ein minderschwerer Fall in Betracht: Dafür forderte sie eine Haftstrafe von zehn Monaten – auf Bewährung.

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Das sah der Verteidiger des 27-Jährigen naturgemäß völlig anders: Seinem Mandanten sei nicht nachzuweisen, dass der Handel tatsächlich stattgefunden habe. Aus dem Chat gehe höchstens hervor, dass man unter Vorbehalt über den Kauf von Drogen gesprochen habe, sich jedoch weder über die Qualität noch über den Preis einig werden konnte. „Es gibt keinen Anhaltspunkt für den Handel“, sagte er. Von der Staatsanwaltschaft sei es sogar verfassungswidrig, an diesem Punkt schon den Vorwurf des versuchten Handels zu konstruieren. Nur weil über Drogen diskutiert wurde, sei das noch lange nicht strafbar.

Chatverlauf reicht für Verurteilung nicht aus

Richter und Schöffen folgten nach sehr kurzer Beratung der Argumentation des Verteidigers: Freispruch. „Wir haben nur den Chatverlauf“, erklärte der Richter. Zusammen mit den Schöffen sei er überzeugt, dass der Angeklagte versucht habe, Drogen zu kaufen. Ihm könne aber weder nachgewiesen werden, dass der Handel abgeschlossen wurde, noch dass die Drogen für den gewinnbringenden Weiterverkauf gedacht waren. „Klar, der Verdacht ist da, aber eben kein sicherer Tatnachweis“, fügte er hinzu.

Und genau darüber ärgerte sich der Richter sichtlich: Aus seiner Sicht hätte es den Prozess am Dienstag überhaupt nicht geben dürfen. „Das war Verschwendung von Steuergeldern“, schimpfte er in Richtung der Staatsanwaltschaft. Denn ursprünglich hatte er einen Nicht-Eröffnungsbeschluss erlassen. Eben weil ihm die Beweislage für einen Prozess nicht ausreichte. Und im Prozess auch keine weiteren Aussagen zu erwarten waren.

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Doch die Staatsanwaltschaft hatte deswegen Beschwerde am Landgericht eingelegt. Das Amtsgericht in Ahaus musste danach das Verfahren eröffnen. Knapp 90 Minuten zog sich das Verfahren hin.

Mammutprozess in der Ahauser Stadthalle steht an

Auch der nächste Prozess rund um den Komplex aus Drogenplantagen und -handel in und um Ahaus steht schon im Kalender – dann aber offenbar mit vielversprechenderen Ansätzen: Gegen sieben Angeklagte wird am 14. September verhandelt. Um so viele Beschuldigte und ihre Verteidiger überhaupt gleichzeitig unterbringen zu können, weicht das Amtsgericht dafür in die Stadthalle Ahaus aus.