
© Stephan Rape
Paul Haverkamp schließt mit 74 sein Modehaus in Ahaus endgültig ab
Geschäftsaufgabe
Das Modehaus Haverkamp schließt. Am Donnerstag hat Paul Haverkamp das offiziell bestätigt. Lange hielt er sich bedeckt. Es gibt erste Pläne für das Gebäude am Anfang der Fußgängerzone.
Der Ausverkauf läuft schon lange. Zwei Etagen des Textilhauses Haverkamp Moden stehen bereits leer. Die übrig gebliebenen Waren sind im Erdgeschoss aufgebaut. Längst war Mitarbeitern und Kunden klar, dass das Modehaus Haverkamp zum Ende des Jahres schließen wird. Ein Ahauser Original verschwindet.
Der Inhaber Paul Haverkamp hielt sich lange bedeckt. Viele Anfragen kommentierte er nicht. Es sei noch nichts entschieden, er müsse noch Gespräche führen, hieß es. Bis Donnerstagmorgen: „Ja, ich werde zum Ende November mein Geschäft schließen“, sagt der 74-Jährige da. Einzig und allein aus Altersgründen, erklärt er. „Ich glaube, ich habe mein Pensum erfüllt“, fügt er hinzu und schmunzelt über die Kante seines Mundschutzes. Weder das Coronavirus noch der Onlinehandel hätten ihn zu dieser Entscheidung gezwungen. „Als ich die ersten Gespräche über die Geschäftsaufgabe geführt und Vorverträge geschlossen habe, war das Virus ja noch gar kein Thema“, sagt er.
2019 wurden erste Gespräche geführt
Konkret sei es 2019 geworden. Auch damit habe er seine eigene Zeitplanung schon längst überschritten: „Ich hatte meinen Mitabeitern versprochen, dass ich bis 65 arbeiten wollte“, erklärt er. Danach wollte er nur noch auf Sicht weitermachen. Sich nicht mehr langfristig binden. „Das ist nun aber auch schon wieder fast zehn Jahre her“, sagt er und muss lachen. Auch seine heute noch 16 Mitarbeiter habe er sanft auf die Schließung vorbereitet. „Die wussten Bescheid und konnten sich darauf einstellen“, erklärt er.
Paul Haverkamp wollte selbst die Tür abschließen
Für ihn sei klar gewesen, dass er selbst das Modehaus abwickeln wolle. „Das hätte ich meiner Frau nicht zumuten wollen, wenn ich einmal nicht mehr bin“, sagt er. Nun also der Schlussstrich.
Seit 1972 hat der heute 74-Jährige das Haus geführt. Dabei habe er sich ursprünglich gar nicht vorstellen können, einmal in Ahaus zu wohnen und zu arbeiten. Er stammt aus Dinklage hat in München und Münster studiert. „Doch meine Mutter hat mir gesagt, dass ich das Haus übernehmen soll“, erklärt er. Und damals habe man eben auf seine Eltern gehört. Obwohl es schon damals nicht einfach gewesen sei. Große Sprünge habe er nicht machen können. Eigene Kinder hat er nicht. Auch sonst habe es keinen möglichen Nachfolger gegeben. Auch hätte er einem heute 26-Jährigen – so alt war er selbst bei der Übernahme – dringend davon abgeraten: Lokaler Einzelhandel habe es heute noch einmal schwerer als in seiner persönlichen Anfangszeit.
Verkaufsangebote kamen für ihn nie in Frage
„Vor 10 oder 20 Jahren hatte ich Angebote von großen Häusern, die mein Geschäft übernehmen wollten“, erinnert sich Paul Haverkamp. Solche Angebote seien längst Geschichte. Auch die großen Ketten müssten ums Überleben kämpfen. Doch damals kam ein Verkauf für ihn nicht in Frage. Die Entscheidung bereut er auch heute nicht. Ende November werde er wohl keine Ware mehr haben. Dann werde er endgültig schließen. „Bis Ende des Jahres muss ich komplett raus sein“, sagt er. Die Abwicklung läuft: „Wir sind gut zufrieden“, sagt er.
Zur Zukunft des Gebäudes kann er nicht viel sagen. „Das obliegt dem neuen Eigentümer“, erklärt er. Ihm sei nur wichtig gewesen, dass für Ahaus eine attraktive Lösung gefunden werde. Deswegen habe er sich an die Volksbank Gronau-Ahaus gewandt. Die sei mit einem Investor im Gespräch. Dafür müsse natürlich auch die Politik mitspielen. „Das Haus wird wohl abgerissen“, sagt Paul Haverkamp schulterzuckend. Dann werde wohl das ganze Gelände überplant. Das sagt er ohne große Wehmut in der Stimme.
Volksbank veröffentlicht noch keine Pläne
Von der Volksbank Gronau-Ahaus gibt es am Donnerstag noch keinen neuen Stand zu den Planungen. Klar ist, dass die Volksbank dort zusammen mit einem Investor etwas entwickeln möchte. „Die Gespräche laufen, aktuell können wir aber noch keine Planungen veröffentlichen“, sagt Michael Kersting, Vorstand der Volksbank Gronau-Ahaus. Auch ob das Gebäude tatsächlich abgerissen werden, stehe noch nicht endgültig fest.
Ein kurzer Überblick über die Firmengeschichte
- 1937: Josef Haverkamp (der Onkel des heutigen Betreibers) gründet das Unternehmen in Ahaus. Er mietet die Geschäftsräume von Hugo Löwenstein. (Der Jude Hugo Löwenstein, ein angesehener Ahauser Unternehmer, zog nach Berlin. Er entging aber auch dort nicht der Deportation durch die Nationalsozialisten. Er starb 1942 im Ghetto Theresienstadt. Seine Geschichte hat der VHS-Arbeitskreis Ahauser Geschichte 1933 bis 1945 unter anderem hier aufgearbeitet: www.ahauser-geschichte.jimdo.com)
- Im Zweiten Weltkrieg wird das Haus durch Treffer von drei Fliegerbomben fast vollständig zerstört.
- Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der provisorische Geschäftsbetrieb in den Räumen der Bäckerei Rawers wieder aufgenommen.
- Kurz nach der Währungsreform 1948 kauft Josef Haverkamp die Immobilie von den Erben der Familie Löwenstein.
- 1952: Erste Erweiterung der Geschäftsräume
- 1958: Firmengründer Josef Haverkamp stirbt. Er hat keine eigenen Kinder. Der Betrieb wird von seiner Prokuristin weitergeführt.
- 1969: Zweite Erweiterung und Umgestaltung der Fassade.
- 1972: Nach seinem Studium übernimmt Paul Haverkamp das Geschäft.
- 2020: Im Alter von 74 Jahren beendet Paul Haverkamp den Geschäftsbetrieb nach 83 Jahren Firmen- und Familiengeschichte.
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
