Die Sonne sinkt an diesem Ostersonntag langsam über der Schirmschoppe am Wüllener Spieker. Über den Festplatz dringt das Geräusch kreischender Kettensägen. Ortsvorsteher Manfred Verweyen lädt alte Obstkisten aus einem Kleintransporter aus, während einige Feuerwehrleute sich um das restliche Holz kümmern.
Die Feuerschale, auf der später das Osterfeuer brennen wird, misst vier Meter im Durchmesser. Balken und Kanthölzer sind darauf akribisch gestapelt. Wie eine gewaltige Tortenplatte sieht die Schale aus, auf der zwei Riesen eine Runde Jenga miteinander gespielt haben. Im Inneren ist der Holzhaufen mit weiteren Obstkisten gefüllt.
Osterfeuer am Wüllener Spieker
„Alle großen Vereine sind hier mit dabei“, sagt Anne Weihs vom Heimatverein, die sich einen Platz auf einer Bank gesucht hat und die Arbeiten beobachtet. Es sei das zweite Osterfeuer hier auf dem Festplatz. „Erst wollten wir das Feuer auf mehrere kleine Schalen verteilen, aber eine große ist besser“, setzt ihr Ehemann und Heimatvereinsvorsitzender Helmut Weihs hinzu.
Hubert Rewer vom Wüllener Schützenverein wirft einen Blick auf den Haufen Obstkisten, der inzwischen am Rand der Feuerstelle bereitliegt. „Die müssen heute dran glauben, das ist das Anmachholz“, sagt er schmunzelnd. Ihn freut, dass so viele Vereine mit eingebunden sind. „Dieses Jahr sind die Messdiener neu mit dazugekommen“, ergänzt er. Die kümmern sich vor dem Spieker ehrenamtlich um den Getränkeverkauf. Auch der Grill in der Schirmschoppe ist schon in Betrieb und es duftet nach Würstchen.

Spenden für „Familie in Not“
Alle Erlöse aus der Aktion sollen, wie auch schon im vergangenen Jahr, an einen guten Zweck gehen. Die Aktion „Familie in Not“ wird von der Spende profitieren. So unterstützen die Wüllener Bürger direkt Bedürftige in ihrer Mitte. Auf das Projekt „Osterfeuer“ sind alle Beteiligten enorm stolz. Auch die Lasershow „Wüllen leuchtet auf“ zur Weihnachtszeit ist eine gemeinsame Anstrengung aller Vereine.
Wie gut solche Veranstaltungen angenommen werden, kann jeder sehen. Denn je weiter die Zeiger der Kirchturmuhr auf 19 Uhr vorrücken, desto mehr Schaulustige versammeln sich am Spieker. „Das Feuer hat auch einen symbolischen Charakter. Es kommt ja aus der Kirche“, berichtet Helmut Weihs. Nach dem langen Winter hätten viele seiner Mitmenschen Sehnsucht nach einem solchen Event, vermutet er.
Kerze kommt im Cabrio
Und tatsächlich: Pünktlich erscheint das heilige Feuer in Form einer Kerze unter Glas. Stilecht in einem schicken Cabriolet und begleitet von Pfarrer Michael Berning. Eine Abordnung des Musikvereins trägt mit einer Passionsmusik ihren Teil dazu bei, die zeremonielle Stimmung dieses Augenblicks hervorzuheben. Manfred Verweyen tritt ans Mikrophon, begrüßt die Gäste und lobt das Engagement der Vereine, die die Vorbereitungen für den Abend getroffen haben.
„Wir haben das Feuer heute Morgen von der Osterkerze genommen und meine Pfarrsekretärin hat den ganzen Tag darauf aufgepasst, dass es nicht ausgeht“, erklärt Pfarrer Berning anschließend. Dann kommt der große Moment, den alle mit Spannung erwartet haben: Manfred Verweyen und Löschzugführer Christian Kruthoff entzünden zwei rote Fackeln an der Kerze. Entschlossen treten die Männer an den Holzhaufen und setzen ihn unter den Klängen des Orchesters an gleich mehreren Stellen in Brand. Schnell frisst sich das Feuer durch den Holzstoß.

Feuer fiel wegen Corona aus
Und während die Sonne untergeht, schlagen die orange-roten Flammen hoch in den Himmel. „Das erste Mal sollte das Osterfeuer 2020 laufen, aber dann musste es wegen Corona ausfallen“, erinnert sich Christian Kruthoff. Bei dem Osterfeuer gehe es auch um das gemütliche Beisammensein. „Kein Stress, keine Hektik“, sagt Kruthoff beschwichtigend. Damit es so bleibt, werden er und seine Kollegen von der Feuerwehr den ganzen Abend ein Auge auf das Osterfeuer haben und gegebenenfalls nachlegen.
In respektvollem Abstand versammeln sich die zahlreichen Besucher rund um das Feuer und kommen miteinander ins Gespräch. Besonders die kleinen Gäste scheinen fasziniert vom hellen, warmen Lichtschein. Vielleicht geben auch sie eines Tages den Zauber des alten Osterbrauchs an ihre eigenen Kinder weiter.