Notdienstkrise bei Tierärzten Auch in Ahaus stoßen die Veterinäre an ihre Belastungsgrenzen

Notdienstkrise: Auch in Ahaus stoßen Tierärzte an ihre Grenzen
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Wenn dem Haustier etwas passiert, ist die Sorge beim Halter natürlich groß. Und das umso mehr, wenn ein Problem außerhalb der normalen Sprechzeiten der Tierarztpraxis auftritt. Sich dann an den tierärztlichen Notdienst zu wenden, ist mancherorts nämlich gar nicht so einfach. „Auch im Altkreis Ahaus ist die Situation schwierig“, sagt Jörg Tenhündfeld von der Tierärztlichen Praxis Vetland, Dr. Tenhündfeld & Kollegen in Vreden. Denn viele Praxen und Kliniken haben ihren Notdienst ganz oder teilweise abgeschafft. Doch warum ist das so?

Christoph Hellmann von der gleichnamigen tierärztlichen Praxis in Ahaus macht insbesondere zwei Faktoren für die Situation verantwortlich: „Ein sehr großes Problem ist, dass es zu wenig Tierärzte gibt. Es mangelt an Studienplätzen. Hier muss grundlegend etwas passieren“, findet der Tierarzt. Denn ein Notdienst ohne ausreichend Mitarbeiter sei nun mal nicht stemmbar: „Der Personalaufwand für einen 24-Stunden-Notdienst ist enorm.“

Christoph Hellmann sagt, dass es zu wenig Tierärzte gibt.
Christoph Hellmann, Tierarzt aus Ahaus, sagt, dass es zu wenig Tierärzte gibt. © privat

Als zweiten erschwerenden Faktor sieht Hellmann die Erwartung an die Work-Life Balance. Hier habe sich eine gesellschaftliche Transformation ereignet, wie er sagt: „Während Tierärzte auch nachts und an den Wochenenden arbeiten, befindet sich das gesellschaftliche Umfeld im Freizeit-Flow.“

Jörg Tenhündfeld vertritt eine deutliche Meinung: „Der Notdienst gehört zum Berufsbild des praktizierenden Tierarztes einfach dazu. Leider vertreten nicht mehr alle Kollegen diese Auffassung.“ Christoph Hellmann hat ein Beispiel: „In der Vergangenheit gab es für Tierärzte viele Stellenausschreibungen, die damit warben, keinen Notdienst anzubieten. Die Tierärztekammer hat aber das Problem erkannt und zum Ausdruck gebracht, dass Derartiges nicht erwünscht ist.“

Problem Bagatellerkrankungen

Betonen möchten die Tierärzte jedoch, dass sich die ganze Problematik auf den Kleintierbereich beziehe. „Bei landwirtschaftlichen Nutztieren sieht die Situation anders aus. Die Praxen machen das schon seit Jahrzehnten für ihre Kunden. Jeder hat dort sein eigenes System und es funktioniert“, so Tenhündfeld. „Hinzu kommt, dass es bei landwirtschaftlichen Tierhaltern eher selten zu einem Fehlalarm kommt“, ergänzt Christoph Hellmann.

Anders sei das bei Kleintierhaltern. Eine zunehmende Inanspruchnahme des Notdienstes mit Bagatellerkrankungen in Verbindung mit einer stetig gestiegenen Erwartungshaltung auf Seiten der Patientenbesitzer hätten viele Praxen zum Ausstieg veranlasst, wie Jörg Tenhündfeld sagt: „Leider führt das im Notdienst in den verbleibenden Praxen wie unserer und auch in Kliniken zu einer mitunter überbordenden Belastung.

„Mittlerweile geben sogar Tierkliniken ihren Klinikstatus ab, weil die personelle Umsetzung einer Dauerbereitschaft oftmals nicht mehr möglich ist.“ Denn während Praxen freiwillig einen Notdienst anbieten können, sind Tierkliniken sogar dazu verpflichtet. „Gesetzliche Vorgaben zu Arbeitszeiten bei gleichzeitigen Personalengpässen lassen oftmals keine andere Möglichkeit. In der Humanmedizin sind die Regelungen anders, sodass sich in den Krankenhäusern entsprechende Schichtdienste 24/7 umsetzen lassen“, so der Tierarzt aus Vreden.

Hier sieht er eine Chance, das Problem anzupacken: „Wenn sich die Arbeitszeitenregelung ändern würde, hätte man mehr Spielraum.“

Jörg Tenhündfeld schlägt einen Notdienstring auf lokaler Ebene vor.
Jörg Tenhündfeld schlägt einen Notdienstring auf lokaler Ebene vor. © privat

Weiterhin schlägt er einen Notdienstring auf lokaler Ebene vor: Kleintierpraxen, die sich zusammentun und das planbar organisieren. „Die Tierärztekammern unterstützen aktuelle Bestrebungen. Entscheidend ist, dass neben einer örtlichen Standardversorgung immer auch eine in verantwortbarer Entfernung erreichbare Maximalversorgung gewährleistet ist. Dadurch werden die Kliniken entlastet und können sich auf die schweren Fälle konzentrieren.“ Auch Christoph Hellmann findet einen koordinierten Notdienst erstrebenswert: „Ähnlich wie in der Humanmedizin.“ Denn dass derzeit unterschiedliche Tierärzte in Ahaus ganz unterschiedliche Notdienstmodelle verfolgen, erschwere die Situation zusätzlich.

Was aber trotz der hohen Belastung die Tierärzte und deren Mitarbeiter immer wieder stärke, sei die große Dankbarkeit, die dem Team entgegengebracht werde. „Die Wertschätzung ist wirklich sehr hoch. Das freut uns natürlich und bestärkt, weiterzumachen“, sagt Christoph Hellmann.

Checkliste für den Anruf beim Notdienst

  • Jörg Tenhündfeld rät: „Bevor man zum Telefon greift, um den Notdienst anzurufen, sollte man sich erstmal besinnen und durchatmen. Eine Sachstandanalyse ist ratsam: Man kann zum Beispiel logisch überlegen, was bei identischer Problematik bei einem selbst zu tun wäre.“
  • So lasse sich die Situation nüchtern analysieren. „Wenn der Hund beispielsweise nachts einmal Durchfall hat, ist das zunächst noch kein Notfall. Wenn einem das selber passiert, sucht man nachts ja auch nicht die Notaufnahme auf“, so der Tierarzt aus Vreden.
  • Christoph Hellmann ergänzt: „Vergiftungen oder Verletzungen sind Notfälle. Wenn der Hund eine Zecke hat, ist das kein Notfall. Aber: 2020 wurde eine Notdienstpauschale von 50 Euro erhoben. Seitdem gibt es schon weniger Bagatellfälle. Das Ganze hatte quasi einen pädagogischen Effekt.“
  • Handelt es sich um einen Notfall, empfehlen die Ärzte, den Notdienst telefonisch zu informieren. Christoph Hellmann: „Ein Tierarzt wird mit dem Tierhalter am Telefon zunächst die Lage eruieren und erste Hilfestellung geben. Dann wird von Fall zu Fall entschieden, wie es weitergeht.“

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