Von der einst mächtigen und rund 150 Jahre alten Schwarzpappel im Gewerbegebiet am Rottweg steht nur noch ein Stumpf. Ende März machten die Kettensägen dem eindrucksvollen Baum ein jähes Ende. Der gut vier Meter hohe Stammrest soll vorerst stehen bleiben. „Möglich, dass er noch einmal neu austreibt“, hatte Bürgermeisterin Karola Voß den Politikern im Bauausschuss erklärt.
Der Wüllener Politiker Hermann-Josef Haveloh (WGW) hatte da noch einmal genau wissen wollen, wie es denn zu der relativ plötzlichen Fällung gekommen sei. Eine Fällung, nach der Martin Rensing jede Zusammenarbeit mit der Stadt Ahaus aufgekündigt hatte. Lange Jahre war der Ochtruper als Baumsachverständiger an ganz unterschiedlichen Stellen für die Stadt tätig.

Karola Voß erklärte, dass der Baum das angrenzende Grundstück schon beeinträchtigt habe. Die Stadt habe sich jedoch auf die bisherigen Gutachten verlassen, nach denen der Baum standsicher war. „Als Stadt wollten wir auch kein neues Gutachten in Auftrag geben“, machte die Bürgermeisterin deutlich.
Der betroffene Anlieger habe dann seinerseits ein neues Gutachten vorgelegt. Nach dem sei der Baum in seiner Standsicherheit gefährdet gewesen. Und damit habe die Stadt tätig werden müssen. Sie beauftragte die Fällung. „Es ist mit der größte, wenn nicht der größte Baum insgesamt in Ahaus gewesen“, erklärte Karola Voß. Sie bedauere die Fällung sehr. „Es ist aber auch nicht mehr zu ändern“, machte sie deutlich.
„Es wird zu viel geredet“
Norbert Göcke, der als direkter Anlieger das neue Gutachten in Auftrag gab, ist zufrieden, dass der Baum gefallen ist. Viel mehr will er dazu nicht sagen. Der Baum habe bei Sturm erhebliche Schäden auf seinem Grundstück angerichtet. Was hätte passieren können, wenn der Baum auf den Fußweg gestürzt wäre... Das Szenario lässt er offen.
Den Namen seines Gutachters nennt er nicht. Auch zur Höhe des Schadens, zu weiteren Hintergründen, zu seitenlangen Briefwechseln mit unterschiedlichen Behörden, ja zu der ganzen Sache insgesamt will er nichts mehr sagen. Zumindest nicht so, dass es anschließend öffentlich gemacht wird. „Es wird ohnehin viel zu viel geredet“, erklärt er.
„Na, du Baummörder?!“, unterbricht ihn ein Passant am Dienstagnachmittag auf dem Rottweg. Kopfschüttelnd läuft er bei der zufälligen Begegnung an ihm vorbei. Über die Schulter schimpft er weiter: Er habe das Wahrzeichen vom Rottweg auf dem Gewissen. Was er sich dabei nur gedacht habe.
Norbert Göcke nimmt das gelassen hin. Solche Kommentare kämen von Menschen, die keine Sachkenntnis hätten. „Ein Nachbar von mir“, sagt er – und schüttelt seinerseits mit dem Kopf.
Gutachter bleibt bei Kritik
Martin Rensing ist von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Baumpflege, Verkehrssicherheit von Bäumen und Baumwertermittlung. Er beharrt auf seine massiven Kritik an der Fällung. Der Baum sei standsicher gewesen. „Ich hätte jederzeit meine Hängematte darunter gehängt“, sagt er.
Auch wenn vor einiger Zeit oberflächennahe Wurzeln entnommen wurden, sei der Baum in seiner Vitalität nicht eingeschränkt gewesen. Das Hin und Her über den Baum habe sich über Jahre hingezogen. Mehr noch: „Der stand plötzlich bei mir vor der Tür“, sagt Martin Rensing über Norbert Göcke. Er habe sich von dem Ahauser da regelrecht bedrängt gefühlt.
Auch sei es kein Lippenbekenntnis gewesen, dass er nicht mehr mit der Stadt zusammenarbeiten wolle. „Das habe ich gesagt und dazu stehe ich“, sagt er unserer Redaktion. Die Stadt hätte den Baum erhalten müssen. Da lässt er keinen Zweifel zu.
Ob der Baum noch einmal neu austreibt, mag er nicht abschätzen. Das sei zwar baumarttypisch, aber nicht garantiert. „Und wenn, sind es ja auch nur sehr kleine Triebe.“
Normaler Pflegeschnitt am Lönsweg
Ortswechsel. Anfang dieser Woche ging es Bäumen am Lönsweg an die Kronen: Zwei Platanen an der Aa wurden die Äste gestutzt. Eine Anwohnerin hatte das besorgt beobachtet. Sie fürchtete einen radikalen Kahlschlag. Auch nach ihren Rückfragen im Rathaus oder am Bauhof habe man die Arbeiten nicht eingestellt.
Dabei habe sie die Bäume in der von der Stadt veröffentlichten Gehölzliste für dieses Jahr nicht gefunden. Natürlich könne sie Sorgen um die Verkehrssicherheit verstehen, der jetzige Rückschnitt komme ihr aber doch zu radikal vor. Ihren Namen möchte sie lieber nicht in der Öffentlichkeit lesen.
Wie die Pressestelle der Stadt auf Nachfrage erklärt, handle es sich dabei um regelmäßige Baumpflegearbeiten, die unabhängig von der Gehölzliste durchgeführt werden. „Die ziehen sich über das ganze Stadtgebiet“, erklärt Pressesprecherin Anna Reehuis.
Am Lönsweg achte die Stadt besonders auf die Verkehrssicherheit. Allein schon, weil es sich dort ja um einen stark genutzten Schulweg handele. Der jetzige Rückschnitt am Lönsweg entspreche dem, was in den vergangenen Jahren dort gemacht wurde.
Das wiederum bestätigt Martin Rensing. Die Platanen an der Aa seien in der Vergangenheit genauso beschnitten worden. „Aus statischer Sicht müssen sie regelmäßig nachgeschnitten werden“, erklärt er. Auf die Gesundheit der Bäume hat das keinen Einfluss.