Es war kein leichter Gang, den die Eltern der in Norwegen ermordeten Metelenerin am Montagmorgen vor sich hatten. Auf Bitten der 11. Großen Strafkammer sagte die Mutter der im Oktober 2023 Getöteten aus. Nur wenige Fragen stellte der Vorsitzende Richter. Die Zeugin schilderte bisweilen stockend, aber mit klarer Stimme, wie die Nachricht vom Tod der Tochter und Schwester die Familie schockierte und welche Folgen das Drama heute noch hat.
Es sei der Wunsch ihrer Tochter gewesen, eigene Wege zu gehen, blickte die Mutter auf den Sommer 2023 zurück. Der Motorradführerschein, eine Reise, eine eigene Wohnung in Metelen – das alles organisierte die junge Frau, die in Bottrop erfolgreich die Ausbildung zur Krankenpflegerin absolviert hatte. Ein neuer Job im Uniklinikum Münster war in Aussicht.
Auch von ihrem neuen Freund erzählte sie ihren Eltern. Diese lernten ihn sogar kennen. „Sie durfte ihn gerne mitbringen, das war mir lieber.“ Nur ein paar Mal war er zu Gast im elterlichen Haus in Metelen, denn die Beziehung währte ja noch nicht so lange.
Die Mutter charakterisierte ihre Tochter: „Sie war so voller Leben. Sie hat alles selber gemanagt.“ Eine Beschreibung, die Antwort auf die vorsichtige Frage des Richters war, ob es möglicherweise Suizidgedanken bei der Getöteten gegeben habe. Zur Erinnerung: Der dringend tatverdächtige Freund der jungen Metelenerin hatte angegeben, dass sich seine Freundin selber in Norwegen getötet habe. Nein, Derartiges sei ihr von ihrer Tochter nicht bekannt, sagte die Mutter mit fester Stimme. Und: „Sie stand mitten im Leben.“
Schon der Beginn der Reise Ende September 2023 nach Norwegen geschah dann in aller Hast. „Sie war schon unterwegs. Ich konnte mich nicht verabschieden“, blickte die Mutter zurück. Sie erfuhr, dass die Rückfahrt am 5. Oktober geplant sei – nur einen Tag, bevor die Tochter im Uniklinikum arbeiten sollte. Das allein machte sie schon stutzig.
Handykontakt gab es dann nicht mehr. „Ich war so unruhig, weil ich nichts mehr von ihr hörte.“ Nicht einmal, als die Schwester am 6. Oktober ihren Geburtstag feierte, kam ein Glückwunsch. Das passte nicht zu ihrer Tochter. Ein Gespräch aus dem Sommer drängte sich jetzt in den Vordergrund. „Mama, ich glaube nicht, dass das der Richtige ist“, hatte ihre Tochter gesagt, war dann aber doch mit dem Ahauser nach Norwegen gefahren.
Die Eltern fuhren zur Polizei nach Ochtrup. Parallel kontaktierte der Bruder der Getöteten den Ahauser. Der log, dass seine Freundin sich nach einem Streit in Schweden mit ihrem Rucksack davon gemacht habe. Zu dem Zeitpunkt lag sie längst erschossen und teilweise verbrannt am Ufer eines Sees in Norwegen. Dann tauchte das Handyfoto auf. Eine Freundin hatte es entdeckt. Es zeigte eine Schusswaffe. „Mir zog es den Boden unter den Füßen weg“, schilderte die Mutter im Gerichtssaal. Mit der neuen Erkenntnis gingen sie wieder zur Polizei und nun nahmen die Ermittlungen Fahrt auf. Eine Woche lang schwebte die Familie zwischen Bangen und Hoffen, bis sie Gewissheit bekam: „Um halb zehn Uhr abends standen die Kripo und der Seelsorger vor der Tür.“
Fünf Wochen lang musste die Familie warten, bevor der Leichnam der geliebten Tochter, der Schwester, freigegeben wurde. Dann erst konnte sie auf dem Friedhof im Ort beerdigt werden. „Es war eine schreckliche Zeit“, schilderte die Mutter und auch, dass sie und ihr Mann nach wie vor therapeutische Begleitung in Anspruch nehmen. Die Kraft für die sonst so gewohnten, alltäglichen Arbeiten ist dahin. Ihre Kinder, die selbst unter dem Tod der Schwester leiden, seien dabei eine große Hilfe: „Wir stärken uns gegenseitig“.
„Wir geben uns Mühe, dass wir standhaft bleiben“, sprach die Mutter der Toten für sich, ihren Mann und auch die Familie. Dennoch: „Wir stehen damit auf und gehen damit ins Bett.“ Mit Blick auf den Prozess gegen den Waffenhändler erklärte sie mit fester Stimme: „Uns ist es wichtig, dass verantwortlich mit Waffen umgegangen wird.“ Sie, die Eltern aber auch die ganze Familie, müssten den Verlust verkraften und irgendwie damit fertig werden: „Wir haben lebenslänglich.“
Dieser Artikel erschien zuerst am 14. Januar 2025.