Coronatests KVWL fordert Millionensumme von Ahauser Teststellen-Betreiber zurück

Coronatests: KVWL fordert Millionensumme von Ahauser Teststellen-Betreiber zurück
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Frank Beckert und seine Frau Elke Wessel haben ein Problem: Mit ihrer Firma Intradus hat das Paar in der Pandemie unter anderem in Wessum und Schöppingen Coronatest-Stationen betrieben. Wie an vielen anderen Stellen auch haben sie dafür auf die Software Chayns gesetzt.

Doch allein für die Monate Dezember 2021 und Januar 2022 sowie März bis Juni 2022 fordert die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) rund 1,53 Millionen Euro Vergütung von ihnen zurück. Weitere 103.225 Euro für die Monate Juni bis August 2022 will die KVWL nicht zahlen.

Und das darf sie auch, weil die Betreiber ihren Dokumentationspflichten nicht ausreichend nachgekommen sein sollen. Das hat zumindest das Verwaltungsgericht Münster am Montagmorgen so entschieden. Frank Beckert hatte gegen die Rückforderung geklagt, die Klage wurde abgewiesen.

Frank Beckert
Frank Beckert hat unter anderem in Schöppingen und Wessum Teststellen betrieben – und soll jetzt über 1,5 Millionen Euro an Vergütungen für Coronatests zurückzahlen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster will er so noch nicht stehen lassen. © Molenkamp-Fotografie

„Die Testnutzer hätten am Ende der Kette den Empfang des Tests quittieren müssen“, erklärt Frank Beckert. So zumindest habe es das Gericht gesehen. Dabei sei das so im Ablauf der Software gar nicht vorgesehen gewesen. „Wir waren ja nur Anwender von Chayns und sind davon ausgegangen, dass das so passen wird“, erklärt er.

Bei einer Stichprobe der KVWL war in seinen Teststationen aufgefallen, dass eine entsprechende Dokumentation fehlt – obwohl das in der Testverordnung entsprechend geregelt gewesen sei. Ob diese Bestätigung mit einem digitalen Häkchen oder einer Unterschrift auf einem Blatt Papier mit personenbezogenen Daten geregelt wird, war der KV dabei egal.

Digitaler Nachweis reicht nicht

Laut Frank Beckerts Anwalt war allerdings nirgendwo geregelt, wie so eine Bescheinigung hätte aussehen müssen. Auch seien durch den digitalen Ablauf ja alle Tests zweifelsfrei dokumentiert. Zur Erinnerung: Nachdem die Test-Kunden per Chayns den Termin gebucht hatten, haben sie vor Ort im Testzentrum einen QR-Code gescannt. Durch die Verknüpfung mit ihrem persönlichen und legitimierten Account bekamen sie wenige Minuten später das Ergebnis per Push-Nachricht auf das eigene Handy. „Das ist alles dokumentiert“, hatte Frank Beckert vor Gericht erklärt.

Überzeugt hat er das Gericht damit nicht. Entscheidend war, dass die in der Testverordnung verlangten Dokumente fehlen. Die Entscheidung sei eine riesige Überraschung gewesen. Weil er in der ganzen Verhandlung zuvor den Eindruck gehabt habe, zu gewinnen.

„Der Richter hat der Vertreterin der KVWL so viel erklärt, da dachte ich wirklich, wir haben das im Sack“, sagt er. Entsprechend verwundert habe er reagiert, als die Klage abgewiesen wurde.

Enormer wirtschaftlicher Schaden

Denn sie bedeutet eben auch einen enormen wirtschaftlichen Schaden: „Es ist ja nicht so, dass die 1,53 Millionen einfach so auf einem Konto liegen“, sagt er. Schließlich hätte er als Betreiber ja auch Kosten gehabt. Das Gericht habe auch nicht nach dem Sinn entschieden, sondern sich stur an den Gesetzestext gehalten. „Es ging ja nie darum, dass wir betrogen hätten“, betont er. Es gehe lediglich um die Dokumentation.

Und das könne ja noch riesige Auswirkungen haben: Schließlich seien ja Millionen von Tests per Chayns abgewickelt worden. In ganz Deutschland. Und die Vertreterin der KVWL habe in der Verhandlung schon angekündigt, dass sie die Entscheidung weiter nutzen will: „Die wollen bis Ende 2024 auf andere Teststellen zugehen“, erklärt er.

Zumindest auf die Betreiber im Bereich der KVWL kommt also einiges zu. „Wir haben auch Testzentren außerhalb der KVWL betrieben. Da war das nie ein Thema“, betont Frank Beckert.

Das Verwaltungsgericht bestätigt am Montag nur, dass die Klage abgewiesen wurde und dass eine Berufung möglich sei. „Weil die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung haben kann“, betonte eine Sprecherin gegenüber unserer Redaktion.

Frank Beckert behält sich vor, gegen die Entscheidung vorzugehen. Dafür muss er aber zunächst die Urteilsbegründung abwarten. Die soll innerhalb der kommenden 14 Tage zugestellt werden. „Dann sehen wir weiter“, sagt er.

Tobias Groten kündigt Hilfe an

Tobias Groten ist überrascht über diese Entwicklung. Er ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Tobit Laboratories, die unter anderem die Software Chayns entwickelt und auch selbst ein Testzentrum betrieben haben. Sein Unternehmen sei in dieser Sache bislang auch nicht befragt worden.

„Ich ärgere mich darüber, wie die KVWL hier vorgeht und wie sie insbesondere hier auch mit Frank Beckert umgegangen ist. Nicht einer der 1.945.280 Menschen, die sich bei einer der vielen mit Chayns organisierten Teststelle haben testen lassen, hat auch nur ein einziges Mal ein Zertifikat über einen Test bekommen, das er nicht selbst vor Ort durch Scannen eines Codes angefordert hat.“ Das sei systembedingt ausgeschlossen gewesen.

Beckert müsse sich vorkommen, wie der sprichwörtlich geprügelte Hund. Unterstellt zu bekommen, man habe Leistungen abgerechnet, die man nicht erbracht habe, sei sicher kaum zu ertragen. „Jeder kennt die Berichte über echte Verbrecher, die mit windigen Masken-Deals oder falschen Abrechnungen von Schnelltests Millionen erschwindelt haben.“

Auch das habe Chayns systembedingt ausgeschlossen. „Es überrascht uns, dass uns das Gericht nicht hinzugezogen hat, um hier die notwendige Klarheit in diese Sache zu bringen“, so Groten weiter. „Wir werden Frank Beckert dabei unterstützen, das auch entsprechend zu belegen.“

Fragen, die unsere Redaktion am Montag an die KVWL gerichtet hat, blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien bereits am 12. März 2024.