Speziell an Geflüchtete richtet sich in Ahaus die Jobbörse „Chance4you“. Mit der zweiten Auflage wollen die Organisatoren der Firma Pietsch und ihrer Partner eine Perspektive für Geflüchtete bieten – und gleichzeitig dringend benötigte Arbeitskräfte gewinnen.
Artur Rashoyan hatte so eine Hilfe nicht. Er ist den weiten Gang durch die Behörden fast allein gegangen. Hatte eine Menge Glück und beinahe zufällige Unterstützung: 2014 kam der heute 23-Jährige aus Armenien nach Deutschland. Die vierköpfige Familie kam zuerst in die mittlerweile abgerissene Flüchtlingsunterkunft am Baumschulweg. „Auf 20 Quadratmetern haben wir ein halbes Jahr gelebt“, schildert er in der Erinnerung.

Weil er natürlich kein Wort Deutsch sprach, kam er zuerst auf die Hauptschule. Und strengte sich an. Nach eineinhalb Jahren wechselte er auf die Anne-Frank-Realschule, machte dort einen guten Abschluss. Und bekam nach einem Praktikum die Zusage für eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei Pietsch.
Doch zu früh gefreut: „Ich hatte keine Arbeitserlaubnis“, sagt er. Seine Familie habe kurz vor der Abschiebung gestanden.
Erst im Mai 2018 kann er schließlich den Vertrag unterschreiben. Seine Schule, seine Lehrer, das Unternehmen hatten sich dafür eingesetzt. Sogar eine Unterschriftenaktion wurde für ihn gestartet. „Ich habe das alles durchgemacht“, sagt er heute. Ehrenamtliche, die sich damals um die Familie gekümmert haben, gehören für ihn heute wie zur Familie. „Ohne die wäre ich verloren gewesen“, sagt er.
Bürokratie zieht sich noch hin
Seit 2022 arbeitet er bei Pietsch im Vertrieb, hat die deutsche Staatsangehörigkeit, ist verheiratet, Vater eines zehn Monate alten Sohnes, hat am Schulzenbusch eine Wohnung für sich und seine Familie gekauft, engagiert sich in Vereinen. Doch das Hin und Her mit den Behörden ist für ihn noch nicht zu Ende: „Meine Frau stammt auch aus Armenien, lebt seit Dezember 2017 hier. Die deutsche Staatsangehörigkeit hat sie noch nicht“, sagt er. Sie würde gerne eine Ausbildung machen, konnte das bisher aber nicht.
Und auch sein Sohn ist Armenier – obwohl er in Ahaus geboren wurde: Er kam Mitte Juni 2024 zur Welt. Zwei Wochen später bekam Artur Rashoyan seinen deutschen Pass. Noch ziehen sich die Verfahren hin. Ein Ende ist bisher noch nicht absehbar. „Ich möchte es anderen Menschen in einer ähnlichen Situation einfacher machen“, sagt er.
Suche nach neuen Azubis
Aus einer ganz anderen Perspektive erklärt Marvin Lombeck sein Engagement für die Messe: Er ist bei der Firma Zilisch im Einkauf tätig und Teil des Teams, das sich um die Azubis kümmert. „Vor zwei Jahren haben wir hier mehrere Praktikanten und schließlich einen Auszubildenden gewonnen“, erklärt der 27-Jährige. Und die seien dringend nötig. Zwar seien die Bewerberzahlen in den vergangenen Jahren wieder leicht gestiegen, aber gerade im Handwerk werde jeder Interessent dringend gebraucht.
150 Interessenten bei Premiere
Die Premiere vor zwei Jahren hatten rund 150 Interessenten besucht. Klingt relativ überschaubar. Die Organisatoren bewerten das aber dennoch positiv: „Wir wollen einen Kontakt herstellen“, sagt Jannik Pollmann der bei Pietsch für die Auszubildenden zuständig ist. Mehr könne man nicht tun.
Das sei aber auch gelungen: Eine ganze Reihe von Praktika seien vor zwei Jahren vermittelt worden. Dazu einige Stellen als Hilfsarbeiter und eben die Ausbildung. Für die Organisatoren eine kleine, aber bedeutende Erfolgsgeschichte.
Auch seien parallel ja noch andere Messen, auf denen Unternehmen nach möglichen Bewerbern suchen. Rendel Pietsch bestätigt den Erfolg der Messe: „Das hatte damals ein dualer Student bei uns als Projektarbeit entwickelt“, sagt sie. Gemeinsam hatten sie es dann bei der „Charta der Vielfalt“ eingereicht – und den Wettbewerb damit gewonnen.
„Für uns ist es ganz einfach der richtige Weg, dass Menschen über die Arbeit Teil der Gesellschaft werden“, sagt sie.
Interesse bei Unternehmen wächst
Schon jetzt sei die Offenheit bei den Unternehmen für ein Engagement viel größer als bei der Premiere. Gleichzeitig wurde das Feld der Anbieter vergrößert: Neben Unternehmen aus dem Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sind in diesem Jahr auch weitere Bereiche vertreten: Beispielsweise aus der Medienbranche oder dem Laden- und Innenausbau.
Dazu kommen Organisationen und Verbände: Wirtschaftsförderung aus dem Kreis Borken, Caritas, Forum ehrenamtliche Flüchtlingshilfe Ahaus (FEFA), Ausländerbehörde, Chance Gronau, Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Jobcenter und Arbeitsagentur. „Wir wollen alle Partner hier vor Ort an einen Tisch bringen“, sagt Jannik Pollmann. Dazu kommen eine große Zahl von Dolmetschern, um auch die Sprachbarriere direkt zu umschiffen.
Bürokratie behindert Ausbildung
Denn immer noch scheitere aktuell ein Ausbildungsvertrag noch zu oft an Bürokratie. Auch dagegen will sich die Messe stemmen.
Eine Fortsetzung ist jetzt schon fest vorgesehen. Die Liste der Interessenten sei groß. Nur seien die eben auch bei anderen Nachwuchsmessen für Auszubildende eingebunden.
Gleichzeitig laufe die gesamte Organisation natürlich parallel zur eigentlichen Arbeit, müsse also im normalen Alltag irgendwie zu stemmen sein. Die Messe Chance4you beginnt am Freitag (4. April) um 9 Uhr in der Ausstellung des Unternehmens Pietsch an der Von-Braun-Straße.
