Massive Missstände im Kuhstall Ahauser Landwirt kommt mit blauem Auge davon

Massive Probleme im Kuhstall: Landwirt kommt mit blauem Auge davon
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Im Mai 2023 entdeckt das Kreisveterinäramt auf einem Milchvieh-Hof bei Ahaus deutliche Missstände. Rund die Hälfte der Kühe lahmt, weil ihre Klauen zu lang sind. Einige Tiere sind verletzt. Eine Kuh liegt tot im Stall, eine weitere ist so schwer erkrankt, dass sie noch auf dem Hof eingeschläfert wird. 17 weitere Tiere kommen später zum Schlachter, weil ihr Zustand so schlecht ist. Der Landwirt (33) soll massiv gegen das Tierschutzgesetz verstoßen haben.

Rund 90 Minuten dauert am Freitag (30. August) die Gerichtsverhandlung in Ahaus. Für den 33-Jährigen, einen staatlich geprüften Agrarbetriebswirt, hätte es deutlich schlimmer laufen können.

Ein Kuhauge
Eine der Kühe hatte sich am Auge verletzt. Die Entzündung war danach bis ins Hirn gewandert. Daran war das Tier schließlich verendet (Symbolbild). © picture alliance/dpa

Angeklagt ist er wegen des Schicksals zweier Tiere: Eine Kuh litt an einer massiven Augenverletzung. Die hatte sich so sehr entzündet, dass die Infektion bis ins Gehirn gewandert war. Die Kuh lag kurze Zeit vor der Kontrolle durch den Kreis Borken plötzlich tot im Stall. Ein zweites Tier litt unter massiven Entzündungen in einem Vorderfußgelenk und in der Gebärmutter. Auch diese Erkrankungen sollen sich über mehrere Wochen hingezogen haben.

Der 33-Jährige beteuert, dass er wegen der Augenverletzung einen Tierarzt gerufen habe. Der habe Schmerzmittel und Antibiotika aber nicht dabei gehabt. Die habe er später selbst in der Tierarztpraxis abgeholt und der Kuh über mehrere Tage verabreicht. Noch vor der Gabe der letzten Dosis habe das Tier aber tot im Stall gelegen. Bis dahin sei ihr Zustand nicht schlechter geworden. Die andere Kuh sei am Vorabend der Kontrolle im Stall gestürzt. Bis dahin habe er weder etwas von einer Entzündung am Bein noch an der Gebärmutter bemerkt. Am Abend habe er sie im Strohstall untergebracht und versorgt. „Weil am nächsten Tag sowieso ein Tierarzt gekommen wäre, um Kälber zu impfen, habe ich niemanden gerufen“, erklärt er.

Laie hätte Verletzung erkannt

Die Tier-Pathologin, die die beiden toten Kühe später untersuchte, bezweifelt das: Selbst ein Laie habe die Verletzungen erkennen müssen. Es sei die Pflicht des Landwirts gewesen, den Tierarzt noch einmal zu rufen, als sich die Augenverletzung der Kuh trotz der Medikamente über Tage nicht besserte. Auch das entzündete Gelenk des anderen Tieres hätte ihm früher auffallen müssen.

Spätestens als das Tier am Abend nicht mehr von selbst aufstehen konnte, hätte er direkt einen Tierarzt rufen müssen. Ein Landwirt sei geschult. Er verdiene sein Geld mit den Tieren. Es müsse sein Interesse sein, dass es den Tieren gut gehe. „Zumindest stelle ich mir so einen verantwortungsvollen Landwirt vor“, sagt sie.

Der Richter sieht den Mann dennoch vorerst entlastet: Nach Aktenlage sei ihm der Fall deutlich extremer vorgekommen. Für ihn kommt da sogar eine komplette Einstellung des Verfahrens in Betracht. Doch die Staatsanwältin will dafür erst noch die Aussage der Amtstierärztin des Kreises Borken abwarten.

Viele Tiere sind lahm

Und die zeichnet ein anderes Bild: Demnach hatte sie bei der Kontrolle im Mai 2023 nicht nur die zwei betroffenen Tiere gefunden. 185 Tiere habe der Bestand damals gezählt. Fast die Hälfte habe unter Lahmheiten gelitten. Vor allem, weil ihre Klauen nicht gepflegt worden seien. Der Landwirt hatte schon eingeräumt, dass es mit dem Klauenpfleger über ein halbes Jahr Probleme gegeben habe.

Auch die hygienischen Zustände im Stall seien nicht erfüllt gewesen. Etliche Tiere hätten Entzündungen zwischen den Klauen gehabt. Ebenso sei die Fütterung der Tiere problematisch gewesen. Zwischenzeitlich habe die Amtstierärztin sogar daran gezweifelt, ob der Landwirt überhaupt sachkundig genug war, um Tiere zu halten, erklärt sie vor Gericht. Am Ende sei es aber wohl Überarbeitung gewesen. Seit diesem Tag habe es „sehr viele“ Kontrollen in dem Betrieb gegeben. Und ja, es habe sich einiges gebessert. Gerade was die Klauengesundheit angehe. Umfangreiches Akten- und Videomaterial aus dem Stall, das sie zusammengestellt hatte, liegt dem Gericht allerdings nicht vor. Auch beschränken sich die Vorwürfe auf die zwei beschriebenen Tiere.

Verfahren wird eingestellt

Von einer kompletten Einstellung des Verfahrens spricht der Richter da auch nicht mehr. Mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung einigt er sich aber dennoch auf die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage.

Dass in dem Betrieb einiges schiefgelaufen sei, stehe außer Zweifel. Klar sei, dass der Landwirt deutlich zu spät gehandelt habe. Klar sei auch, dass er die Anzeichen für die schweren Erkrankungen der Tiere hätte erkennen müssen. „Man könnte Sie verurteilen“, betont der Richter. Der Landwirt nickt da nur noch. „Sollten Sie hier noch einmal sitzen, wird es keine Einstellung geben“, fügt der Richter noch hinzu. Und nach einer Verurteilung könne man ihm sogar untersagen, Tiere zu halten. „Das wäre das Ende für Ihren Betrieb“, schärft der Richter dem 33-Jährigen ein.

Das Verfahren selbst sei jetzt aber wohl Warnung genug. Auch, weil sich das Verhalten des Angeklagten ja schon geändert habe. Wie seine Verteidigerin erklärte, habe ihr Mandant beispielsweise schon den Bestand verringert. Die Rede war von rund 150 Tieren. Gleichzeitig wurden Abläufe auf dem Hof so verändert, dass fast wöchentlich ein Tierarzt in den Betrieb kommt.

Wegen der festgestellten Versäumnisse hatte bereits die Landwirtschaftskammer die Flächenprämien des Betriebs im vergangenen Jahr um 80 Prozent gekürzt. Eine Einbuße von rund 20.000 Euro, wie die Verteidigerin angab. Einen Tag vor der Verhandlung sei das allerdings auf die Hälfte reduziert worden.

Gegen eine Geldauflage von 1500 Euro – überschlägig ein Nettomonatsgehalt des Mannes – wurde das Verfahren eingestellt.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 30. August 2024.