Mahnwache in Ahauser Innenstadt Bewegende Berichte vom Leben mit dem Krieg

Mahnwache in der Fußgängerzone: bewegende Berichte vom Leben mit dem Krieg
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24. Februar 2024. Zwei Jahre liegt der russische Angriff auf die Ukraine nun zurück. Zwei Jahre Leid und Trauer, die zahlreiche Ukrainerinnen und Ukrainer in die Flucht zwangen – viele von ihnen fanden ihren Weg nach Ahaus und die Ortsteile. Über 470, um genau zu sein.

Die anwesenden Ukrainerinnen und Ukrainer versammelten sich mit Landes- und EU-Flaggen zu einem Foto vor dem Mahner.
Die anwesenden Ukrainerinnen und Ukrainer versammelten sich mit Landes- und EU-Flaggen zu einem Foto vor dem Mahner. © Ben Diallo

Zum Gedenken an diesen düsteren Tag hatten die ukrainischen Organisatorinnen Anastasia Buchna, Olena Yaresko und Natalia Gensler zusammen mit dem Bündnis „Ahaus bleibt bunt“ eingeladen. Und zwar zur der dritten Mahnwache unter dem Motto „Zwei Jahre russischer Krieg in Europa – Solidarität mit der Ukraine“ am Samstag, 24. Februar, um 15.30 Uhr. Weit über 300 Personen aus Ahaus und Umgebung nahmen teil und versammelten sich am Mahner.

Erlebnisse einer Geflüchteten

Unter anderem wurde die Erinnerungen von Kataryna Schramko aus Mariupol vorgetragen. In dieser schilderte sie ihre Erlebnisse in der ersten Zeit des Krieges. Sie erinnert sich noch genau, wie sie in der Nacht des 23. auf den 24. Februar 2022 aus Verzweiflung und Angst kaum Schlaf fand.

Die Befürchtung, dass es jederzeit zu einem Kriegszustand kommen könne, sei groß gewesen. Die Bestätigung kam dann um 5 Uhr morgens: Das Haus ihrer Nachbarn stand plötzlich unter Beschuss. Sie weiß noch, dass sie mit ihrer Familie, mit ihren erst drei- und fünfjährigen Kindern das Haus verließ, um bei der Verwandtschaft unterzukommen.

Lange bleiben konnten sie nicht, denn sie brauchten Schutz, wie etwa durch einen Bunker. „Das war das letzte Mal, dass ich meine Großeltern sah“, so Kataryna Schramkos Worte. Denn nach der Abreise der Augenzeugin und ihrer Familie traf eine Granate das Haus. Bei dem Beschuss wurden ihre Großeltern getötet.

Fotos von Männern an der Front und von Kindern gemalte Kriegsfotos hängen an der Außenwand der Marienkirche.
Neben Fotos von Männern an der Front hingen ebenfalls von Kindern gemalte Kriegsfotos an der Außenwand der Marienkirche. © Ben Diallo

Schutz fanden sie dennoch wie viele hundert Menschen auch in einem Bunker – unter einer alten Schule. Eine Schule, die sie, genauso wie ihr Mann und ihre Eltern, in der Kindheit besucht hatten. Der Haken: Der Schutzbunker bot eigentlich Platz für lediglich 200 Menschen. „Alle schliefen auf Stühlen, Tischen oder Brettern“, erzählt Kataryna Schramko in ihrem Bericht.

Mit der Zeit wurden Essen und Wasser immer knapper, denn die Infrastruktur - (also Strom, Gas, Wasser, Kommunikation) wurde unterbrochen. Das führte dazu, dass die Familie lediglich einmal am Tag essen konnte. „Morgens und abends gab es dann ein oder zwei Cracker.“ Es sei fürchterlich gewesen, den hungrigen Kindern erklären zu müssen, dass es nicht mehr zu essen gibt.

Auch Kataryna Schramko verlor Familienangehörige und erlebte Gewalt. Ihre Cousine kam durch eine Landmine ums Leben, ihre Schwiegermutter starb aufgrund von mangelnder medizinischer Versorgung. Und selbst ihre Kinder wurden mit Gewehren bedroht.

Bilder an Kirchenwand

Den Auftakt der Gedenkveranstaltung hatten Anastasia Buchna und Ursula Wagner mit der Begrüßung auf Deutsch und Ukrainisch gemacht. Im Anschluss kamen Natalia Gensler und Olena Yaresko – ebenso auf Deutsch und Ukrainisch – zu Wort.

Unter anderem erklärten die Frauen die Bilder, die entlang der Wand der Marienkirche hinter dem Mahner hingen. Diese zeigten sowohl Fotos von Familienvätern an der Front als auch von Kindern gemalte Bilder, die verschiedene Kriegsgeschehen abbildeten. „Der Krieg mit den Augen der Kinder“, lautete die Erklärung Ursula Wagners dazu.

Auch machten die Frauen auf die tragischen Verluste von Freunden und Familien durch den Krieg aufmerksam. Das Zittern in Natalia Genslers Stimme ließ alle Anwesenden die tiefe Trauer und Ergriffenheit spüren. Bei der Mahnwache herrschten Stille und Ergriffenheit, es flossen auch Tränen.

Viele Kerzen wurden zum Gedenken an die  Opfer angezündet.
Viele Kerzen wurden zum Gedenken an die Opfer angezündet. © Ben Diallo

Sowohl ein Friedensgebet als auch deutsch-ukrainische Fürbitten schlossen die Kundgebung am Samstag ab. Außerdem wurden Kaffee und Kuchen angeboten, die die Besucher gegen eine Spende erhielten. Daneben konnten die Menschen zum Gedenken an ihre Angehörigen und Liebsten eine Kerze direkt am Mahner anzünden. Neben tiefer Trauer war an diesem Nachmittag aber auch Entschlossenheit und Hoffnung zu spüren - dass die Ukrainer noch nicht aufgegeben haben und alle überstehen werden.