Die schweren, dunkelgrünen Vorhänge öffnen sich und geben den Blick frei auf eine heruntergekommene Bahnhofshalle. In einer Ecke liegen ein schmutziger Schlafsack und ein paar Plastiktüten. Für Jonas Florien und Lukas Nolte ist dies viel mehr als ein Bühnenbild und einige Requisiten.
Für sie bedeutet es einen neuen Anfang und die Chance, das zu tun, wofür sie brennen: Die beiden jungen Männer betreten in der aktuellen Spielsaison des Ensembles „Wotteln spöllt Theater“ zum ersten Mal gemeinsam vor Publikum.
Jonas Florien ist 18 Jahre alt, Lukas Nolte hat gerade seinen 19. Geburtstag gefeiert. Nolte, der im echten Leben gerade eine Tischlerlehre absolviert, hobelt eigentlich eher Bretter, anstatt auf ihnen zu stehen.
Und Jonas Florien hat vor Kurzem eine Ausbildung zum Industriekaufmann begonnen. Zwei grundsolide Lebenswege. Was also ist es, das die jungen Männer in die glitzernde Welt des Theaters zieht?
Gebissen vom Schauspiel-Floh
„Irgendwann haben mich Oma und Opa mal mitgenommen zum Gucken“, erinnert sich Jonas Florien an die Initialzündung für seine Leidenschaft. Hier sah er seinen Onkel und seine Tante, die in ihren Rollen zu ganz anderen Persönlichkeiten mutierten. Ein einschneidendes Erlebnis: Er ist nämlich nicht der Erste in seiner Familie, der vom „Schauspiel-Floh“ gebissen wurde.
Ähnlich geht es Lukas Nolte: „Meine Mutter ist ja schon lange dabei“, ergänzt er. Mit ihr hat er bereits als kleiner Junge erlebt, was es heißt, seitenweise Texte zu lernen – und das auf Plattdeutsch. Abgeschreckt hat ihn diese Erfahrung nicht. Im Gegenteil: Schon in der vergangenen Saison hatte er eine Mini-Sprechrolle. Und hat gleich Blut geleckt.

Im aktuellen Stück spielt Jonas Florien einen überkorrekten Polizisten, der auch schon mal mit einem Landstreicher, gespielt von Lukas Nolte, aneinander gerät. Auch wenn die Uniformjacke noch nicht richtig sitzt. „Was schwierig ist, ist die ganze Zeit in seiner Rolle drin zu bleiben, wenn man auf der Bühne ist und nicht da rauszufallen“, sagt der 18-Jährige mit einem Lächeln.
Aufgeregt ist Lukas Nolte vor seinem ersten Vorhang (noch) nicht, wie er betont. „Du musst schon deine Einsätze kennen. Ich könnte höchstens mal den Text vergessen“, gibt er schulterzuckend zu. Und der ist immerhin komplett auf Plattdeutsch.
Doch wie hat es sich angefühlt, zum ersten Mal vom vertrauten Hochdeutsch ins Plattdeutsche zu wechseln? Gab es Momente, in denen die beiden aufgeben wollten? „Die Betonung, die war ein bisschen schwierig“, beschreibt Jonas Florien den ersten Kontakt mit dem Script. Sein Kollege sieht das Ganze eher locker. „Bei mir war es höchstens die Sprechweise. Das andere kann man ja alles ablesen“, wiegelt Nolte ab.
Eine große Hilfe sind für Jonas Florien Oma und Opa. „Meine Großeltern sprechen regelmäßig Platt. Es war ja früher so, dass die zuerst Plattdeutsch und dann in der Schule Hochdeutsch gelernt haben“, sagt er.
Große Vorbilder
Auch die anderen Ensemblemitglieder scheuen sich bei den Proben nicht, korrigierend einzugreifen, wenn mal ein Wort nicht so flutscht, wie es sollte. Hier sehen die Nachwuchsschauspieler auch ihre großen Vorbilder. „Ganz klar Melanie Homölle oder meine Mutter“, stellt der 19-jährige Ottensteiner klar. „Mein Onkel Klaus Florien kann sich auch gut zum Affen machen“, setzt Jonas Florien lachend hinzu.
Apropos: Wissen die Freunde und Klassenkameraden eigentlich, dass die beiden neuerdings Theater spielen? Lukas Nolte blickt kurz auf seine Hände herab. „So viele wissen das gar nicht“, sagt er bescheiden. „Ich hab das in meiner Klasse erzählt und die finden das schon ein bisschen lustig. Ab und zu kommt dann: ‚Sag mal was auf Plattdeutsch‘ oder so“, erzählt Jonas Florien von seinen Erfahrungen.
Er kann sich gut vorstellen, seine Schauspielkarriere auch professionell weiter zu verfolgen. „Ich hab mich schon immer dafür interessiert, also wäre ich wohl dabei. Auch am Alexander-Hegius-Gymnasium war ich schon in der Musical-AG“, sagt der 18-Jährige. „Ich glaub, ich bleib lieber im Amateurbereich“, gibt Lukas Nolte sich dagegen weiter bescheiden.
Wenn sich am Samstag der Vorhang zum ersten Mal öffnet, wird es für die beiden Nachwuchsmimen ernst. Und nicht nur sie fiebern schon der Premiere entgegen.
Die Komödie „Dat Bahnchaos – Reisende sall man uphollen“ wird am Samstag, 23. September, um 14.30 Uhr aufgeführt, dazu gibt es Kaffee und Kuchen. Weitere Termine sind am Samstag, 30. September, um 20 Uhr und am Sonntag, 1. Oktober, um 19 Uhr, jeweils im Saal Räckers-Erning. Einlass ist je eine Stunde vor Beginn.
Karten für zehn Euro (Vorstellung am 23. September) beziehungsweise sieben Euro gibt es im Vorverkauf in der Gaststätte Räckers-Erning, Vredener Straße 31, bei Kahmen Fenster, Wiegbold 9 sowie beim Ensemble und an der Abendkasse.