Mit jeder Minute, die verstreicht, wird die Stimmung ausgelassener. Es wird gesungen, getanzt, gelacht und nicht nur einmal startet eine Polonaise. Die Wüllener Nachbarschaft Kaikhoff liebt und lebt den Karneval. Und sie feiert in diesem Jahr auf dem großen Karnevalsumzug ein besonderes Jubiläum.
100 Jahre Nachbarschaft Kaikhoff (Kirchhof): Die rund 75 Familien rund um die St.-Andreaskirche halten zusammen und zelebrieren zusammen auch den Karneval im Ahauser Ortsteil mit. Ihr Wagen mit der Nummer 54, ein getreuer Nachbau der Kirche, fällt auf in der Menge. Im positiven Sinne.

Etliche Wochen und hunderte Stunden Arbeit haben die Wagenbauer in das Prachtstück investiert. Wobei von Arbeit mag Chefwagenbauer Berthold Lessing gar nicht sprechen. „Leidenschaft“ nennt er das, was die Nachbarschaft auch in diesem Jahr wieder für den Karneval auf die Beine gestellt hat.
Der Clou: Natürlich fehlt auch nicht die Glocke im aus Holz und Spanplatten gebauten Nachbau der Kirche. Mit einem Seil kann sie sogar stilecht geläutet werden. Eine Aufgabe für die kleinen Jecken der Nachbarschaft. Es ist eine buntgemischte Truppe, die für den Karneval alles gibt.

Dazu gehört es auch, die Kostüme in großen Teilen selbst zu nähen. Bereits im November des Vorjahres liefen dafür die Arbeiten an, wie Elke Hackfort berichtet. Maßnehmen, Stoffe bestellen und nähen: Langweilig wurde den Frauen der Nachbarschaft zwischen den Feiertagen nicht.
Sprung zum Wüllener Kirchplatz am Rosenmontag. Hier ist der Treffpunkt für die Nachbarschaft. Der Wagen hat kurz zuvor die Halle, die nur wenige hundert Meter entfernt liegt, verlassen. Gezogen von einem 65 Jahren alten und 25-PS-starken Traktor. Und gefahren von einem echten „Profi“.

Helmut Hartmann ist schon das 30. Mal in dieser Funktion dabei. Anspannung? Fehlanzeige. Auch, wenn auf ihm und seiner Funktion als Fahrer viel Verantwortung lastet. „Ich kenne die Strecke und die kritischen Stellen. Routine ist alles“, sagt er mit einem Schmunzeln.
Routiniert fährt er das Gespann auch zum Startplatz auf der Andreasstraße. Und ebenso souverän durch die Wüllener Straßen, als sich der Klein-Kölner Rosenmontagszug pünktlich um 13.45 Uhr langsam in Bewegung setzt.

Doch noch mal ein Sprung zurück. Bereits um 12.15 Uhr hat die Nachbarschaft Kaikhoff, deren Fußgruppe rund 70 Personen stark ist, ihren Startplatz eingenommen. Langweile kommt aber nicht auf. Im Gegenteil. Es wird gelacht, getanzt und der Grill ausgepackt.
„Damit alle gut gestärkt durchstarten können“, sagt Andreas Reinhard. Denn bis auf die Kinder, die auf dem Wagen ihren Platz haben und die heißbegehrten Süßigkeiten wie Gummibären und Popcorn werfen, müssen alle laufen. „Es heißt ja auch nicht ohne Grund Fußgruppe“, so Berthold Lessing.

Es ist schon vor dem Start des Umzuges eine besondere Stimmung. Ausgelassen, friedlich und tatsächlich sogar mit phasenweise etwas Sonnenschein. Die Nachbarschaft Kaikhoff feiert um ihren Wagen herum sich selbst und eine kleine Karnevalsparty, ehe diese in den Umzug übergeht.
Und doch ist in den Minuten vor dem Start die Spannung greifbar. „Wenn der Zug erst einmal läuft, dann fällt viel ab“, bringt es Andreas Reinhard auf den Punkt. Um kurz vor 14 Uhr ist es dann so weit. Der Sound des Traktormotors ist gewissermaßen der Startschuss für die Nachbarschaft.

Während der Umzug durch die Wüllener Straßen rollt, bejubelt von Tausenden Menschen, sind auch die Teilnehmer der Nachbarschaft Kaikhoff im siebten Karnevalshimmel. Sie genießen sichtlich das Bad in der Menge und präsentieren ebenso sichtlich stolz ihr Kirchen-Kunstwerk aus Holz.
Es ist zweifellos – da sind sie alle einig – der Höhepunkt, auf den lange, gemeinsam hingearbeitet und gefiebert wurde. Aber es ist noch lange nicht das Karnevalsende für die Kaikhoff-Jecken. Weder in diesem Jahr noch für die Zukunft. An Nachwuchs-Karnevalisten mangelt es der Nachbarschaft nicht.