Die Menschen leben gerne im Westmünsterland. So lässt sich das Ergebnis unseres großen Ortsteil-Checks zusammenfassen. Landrat Kai Zwicker hat das positive Umfrage-Ergebnis nicht überrascht.

Ahaus

, 11.05.2019, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Von Asbeck bis Zwillbrock, von Oeding bis Nienborg: Weit über 4000 Menschen haben sich am großen Online-Ortsteil-Check der Münsterland Zeitung beteiligt. Die Ahauser, Stadtlohner und Vredener schätzen die Lebensqualität in ihren Städten als sehr hoch ein. Noch besser schneiden die Dörfer im Urteil ihrer Bewohner ab – allerdings mit Abstrichen in Sachen Verkehrsanbindung, Jugendangebote und Gesundheitsversorgung.

In 21 Ortsteilen haben unsere Redakteurinnen und Redakteure mit vielen Menschen gesprochen, haben Expertinnen und Experten befragt. Die Ergebnisse des Ortsteil-Checks haben wir seit dem 11. März in 21 Ortsteil-Checks vorgestellt. Was ist gut, was kann noch besser gemacht werden? Darüber sprachen wir zum Abschluss unserer Serie mit Dr. Kai Zwicker, dem Landrat des Kreises Borken.

Haben Sie eigentlich selbst auch mitgemacht bei unserem Ortsteil-Check – nicht als Landrat des Kreises Borken, sondern als Kai Zwicker aus Heek?

(lacht) Aber, selbstverständlich! Bei solchen Umfragen mache ich öfter mal mit. Und ich freue mich, dass sich auch so viele andere Menschen daran beteiligt haben. Die große Resonanz zeigt ja, dass die Menschen daran interessiert sind, was in ihrer Heimat passiert.

Das Ergebnis der Umfrage ist ja sehr eindeutig: Die Menschen schätzen die Lebensqualität als sehr hoch ein. Hat es Sie überrascht, wie wohl sich die meisten Menschen in ihren Städten und Dörfern fühlen?

Nein, damit habe ich gerechnet. Das ist genau das Gefühl, das ich wahrnehme, wenn ich mit den Menschen spreche, in Schulen, Vereinen, auf dem Schützenfest oder in der Nachbarschaft. Hier dominiert ein positives Lebensgefühl. Und die Leute sind bereit, selbst anzupacken und die Dinge zum Besseren zu verändern. Hier herrscht keine Jammer-Mentalität.

Je kleiner der Ort, desto größer offenbar die Zufriedenheit - haben Sie dafür eine Erklärung?

In Ahle, Zwillbrock, Asbeck und den anderen kleinen Orten ist der Zusammenhalt einfach noch größer als in den Städten. Überschaubarkeit, Nähe, Verlässslichkeit und das Wohnen im Grünen schaffen ein Gefühl von Geborgenheit, gerade in Zeiten, in denen das Leben immer komplizierter zu werden scheint. In den Nachbarschaften ist man noch mehr aufeinander angewiesen, man hilft sich in Notzeiten. Und das Schützenfest ist ein echtes Familienfest für den ganzen Ort. Das hat natürlich auch eine Kehrseite für Menschen, die von außen dazu kommen. Man muss sich darauf einlassen, wenn man sich dort zuhause fühlen will.

Und man muss auch einige Nachteile in Kauf nehmen. Die Verkehrsanbindung erhält gerade in den Dörfern schlechte Noten. In den Städten übrigens auch keine besonders guten. Und für den regionalen Busverkehr ist der Kreis Borken als „Aufgabenträger“ zuständig ...

Ja, und wir arbeiten daran, noch besser zu werden. Der Bürgerbus auf ehrenamtlicher Basis – Heek und Legden waren hier ja landesweit Pioniere – ist ja längst unverzichtbarer Bestandteil des Öffentlichen Personennahverkehrs. Die Bürgerbusidee ist sicher noch ausbaufähig. Wir als Kreis arbeiten daran, das Netz auf den Hauptstrecken besser zu vertakten, so wie es jetzt auf der Strecke Ahaus-Borken geschehen ist. Und wir werden auf der Strecke Gronau-Alstätte-Vreden-Oeding-Bocholt den Baumwollexpress als neue Schnellbuslinie testen. In den Dörfern und Bauerschaften setze ich auch auf neue technische Lösungen, auf die digitale bedarfsgerechte Steuerung von Anrufsammeltaxis. So können wir leere Busse vermeiden.

Ein flächendeckendes Angebot ist das eine. Zu einem attraktiven Angebot gehören aber auch attraktive Fahrpreise, oder?

Ganz sicher. Entscheidend sind die Faktoren Fahrzeit und Fahrpreis. Der ÖPNV muss attraktiver gestaltet werden. Und das wird uns als Kreis auch Geld kosten. Man muss aber auch sagen: Wir sind nicht Münster oder Berlin. Ein Verzicht aufs Auto wird hier nicht so einfach möglich sein. Ich bin auch kein Feind des Individualverkehrs.

Defizite sahen viele Teilnehmer unseres Ortsteil-Checks auch im Bereich Jugend. Muss hier nachgebessert werden?
Die Städte und Gemeinden lassen sich die Jugendarbeit einiges Kosten. Da wird auch richtig gute Arbeit geleistet. Dazu gehören sicher auch die vielen guten Sportanlagen. Wir müssen aber realistisch bleiben: Für vieles können die Städte und Gemeinden nicht sorgen: für Kinos zum Beispiel oder für die richtigen Kneipen, für angesagte Einkaufsmöglichkeiten. Hier sind wir wieder beim Thema Mobilität. Ich sehe das bei meinem Sohn und seinen Freunden: Die haben kein Problem damit, von Heek zum Kino nach Ahaus zu fahren. Dafür sind natürlich richtigen Busverbindungen wichtig.

In welchen Kategorien haben Sie im Ortsteil-Check Ihrer Gemeinde schlechte Noten gegeben – als Heeker, nicht als Landrat?

(überlegt kurz) ... Eigentlich in keiner. Aber in der Gastronomie gab es nicht die volle Punktzahl. Das Kneipensterben grassiert ja in vielen Gemeinden.

Und wo haben Sie Heek die volle Punktzahl gegeben?
(lacht) Fast überall: Wohnqualität, Wohnumfeld, Infrastruktur... Aber da stehe ich nicht alleine. Das zeigt ja Ihr Ortsteil-Check auch sehr schön: Der Lokalpatriotismus ist ein Zeichen dafür, dass sich die Menschen hier in ihrem Umfeld wohlfühlen. Das ist ja auch eine gute Ausgangslage für die Zukunft: Begeisterung für Neues bringt uns weiter als Panikmache. Mit Optimismus, Technik und Mut werden wir die Herausforderungen meistern.

Sie machen sich also keine Sorgen ums Westmünsterland?

Es geht uns gut. Aber wir sollten nicht satt und zufrieden werden. Wir müssen kämpfen, dass unsere Städte und Gemeinden für junge Leute attraktiv bleiben. Ich sehe schon eine Trendumkehr: Junge Familien ziehen wieder verstärkt aufs Land. Nicht nur weil die Mieten in der Großstadt steigen. Auch wegen des Miteinanders, wegen der Überschaubarkeit, wegen der guten Infrastruktur. Das sind wichtige Werte für Familien. Mir ist um das Münsterland nicht bange.